Porsche 911 Turbo (930) vs. Shelby GT350

Porsche 911 Turbo (930) und Shelby GT 350 sind zwei automobile Highlights für Kenner – der eine ab Mitte der 70er gebaut, der andere Ende der 60er. Als dynamisches Duo vereinen die beiden Traumwagen das Beste aus der neuen und der alten Welt

Die frühen Siebziger hatten es in sich: Autofans kamen voll auf ihre Kosten, durften das Beste der ausklingenden Sixtees genießen und sich trotz der ersten großen Ölkrise im Herbst des Jahres 1974 über den rasanten technischen Fortschritt Made in Germany freuen. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hatten insbesondere die heißen Muscle-Cars mit V8 eine riesige Fangemeinde. Erschwingliche Boliden mit Werkstuning wie der 1966er Shelby GT 350 auf Ford Mustang-Basis waren dort die prägenden Traumwagen einer ganzen Autofahrergeneration.

In good old Europe tüftelte man derweil an einem neuen Über-Porsche 911 mit gewaltigem Turbo, der von den Erfahrungen mit dem über 1.000 PS starken Typ 917-30 in der amerikanischen CanAm-Serie profitieren sollte. Getreu der Porsche-Philosophie, innovative Technik aus dem Rennsport in die Serie zu überführen, entstand in Stuttgart-Zuffenhausen unter der werksinternen Bezeichnung 930 ein sündhaft teurer Supersportwagen mit explosiven Fahrleistungen. Ursprünglich war nur eine Kleinserie von 500 Fahrzeugen als Demonstrationsobjekt und Homologationsmodell für die Gruppe 4-Sportwagenweltmeisterschaft geplant, doch begeisterte Reaktionen der Fachpresse bei der Weltpremiere im Oktober 1974 und eine gewaltige Nachfrage von Kunden aus allen Ländern sollten den Turbo zum Dauerbrenner machen.

Elfer klassisch: die analoge Ladedruckanzeige verrät den Turbo

Stimmig: Fuchsfelgen mit lackiertem Felgenstern

Der flache Flügel erinnert stark an den RS 3.0 und prägte den Turbo-Look für Jahrzehnte

Volle Hütte: Der Sechszylinder-Boxermotor ist luftgekühlt und zwangsbeatmet

TECHNISCHE DATEN

Porsche 930 Coupé 3.3
Baujahr: 1989
Motor: Sechszylinder-Boxermotor mit
Turboaufladung
Hubraum: 3.299 cm3
Leistung : 286 PS (210 kW) bei 5.500/min
Max. Drehmoment: 430 Nm bei 4.000/min
Getriebe: Fünfgangschaltgetriebe
Antrieb: Heckantrieb
Länge/Breite/Höhe: 4.291/1.775/ 1.320 mm
Leergewicht: 1.335 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 5,2 s
V-Max: 260 km/h
Zeitwert: ca. 200.000 Euro

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Neunelfer unter Druck

Der Auftritt des Porsche ist der eines athletischen Extremisten. Sein vom 911 Carrera RS 3.0 inspiriertes Design mit verbreitertem Heck und ein nahezu waagerecht montierter Heckflügel setzt ihn optisch deutlich von seinen saugenden Neunelfer-Brüdern ab, ohne Verrat an der Urform zu begehen. Fordernd im Wesen und zugleich explosiv in der Leistungsentfaltung ist der Zuffenhausener Heckmotorbolide eine Herausforderung für jeden Sportwagenliebhaber, seine kompromisslose Charakteristik duldet allerdings keine Unaufmerksamkeiten.

Das kehlig schnarrende Turbo-Boxertriebwerk verdichtet die Ansaugluft seit 1975 mittels KKK 3 LDZ-Lader und sorgt für immerhin 0,8 Atmosphären Überdruck. Dem kurzen Turboloch folgen maximal 329 Newtonmeter Drehmoment bei 4.000 Umdrehungen, was sich angesichts des moderaten Leergewichts von nur 1.205 Kilogramm an Bord noch immer wie ein sehr kräftiger Tritt ins Kreuz anfühlt. Trotz der moderaten Verdichtung von 6,5:1 liefert das Dreilitertriebwerk amtliche 286 PS ab, wenn die Kurbelwelle 5.500 Mal pro Minute rotiert (ab 1978 erstarkt der 930 auf 300 PS aus 3,3 Liter Hubraum).  Fahrerisch ist der Triebsatz ein eindeutiger Fall für Könner am Volant, bei Nässe für Normalsterbliche am Rande der Unfahrbarkeit. Die Fans lieben das Konzept, die Legende 930 bleibt bis 1989 im Modellprogramm.

Schriller Shelby-Innenraum mit roten Teilledersitzen und optionaler Klimaanlage

Über-Mustang: der 66er Jahrgang nannte sich offiziell schlicht GT 350

289er Hi-Pro-Aggregat mit Holley-Vierfachvergaser, Alu-Ansaugbrücke und Y-Fächerkrümmer

TECHNISCHE DATEN

Shelby GT 350
Baujahr: 1966
Motor: Achtzylinder-V-Motor
Hubraum: 4.735 cm3
Leistung : 306 PS (225 kW) bei 6.000/min
Max. Drehmoment: 446 Nm bei 4.200/min
Getriebe: Dreistufenautomatik
Antrieb: Heckantrieb
Länge/Breite/Höhe: 4.612/1.732/1.297 mm
Leergewicht: 1.334 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 6,6 s
V-Max: 200 km/h
Zeitwert: 125.000 Euro

Pony Car mit Cobra unter der Haube
An Bord des Mustang stellt sich trotz Kriegsbemalung sofort das Heavy-Metal-Gefühl ein. Hinter dem dünnen Dreispeichenlenkrad des Pony-Cars lümmelt es sich lässig mit Blick auf eine unendlich lange Haube mit serienmäßiger Lufthutze. Entspannt bollert man dahin und lauscht dem Tremolo des 289 Kubikinch großen Cobra-V8, so dass selbst hierzulande die Landstraße kurzerhand zum Highway wird. Doch schon der nächste Ampelstopp könnte theoretisch der Startpunkt für ein spontanes Beschleunigungsduell sein…
Caroll Shelby gelang das Kunststück, die Gene der giftigen Cobra mit einem wilden Mustang zu kreuzen und somit ein für US-Verhältnisse außergewöhnlich bissiges Wesen zu kreieren. 1966 stoppte das US-Magazin „Car and Driver“ einen serienmäßigen 1966er Shelby GT 350 mit 6,6 Sekunden für den Sprint von null auf 60 Meilen pro Stunde. Die Viertelmeile knackte der Wagen trotz Automatikgetriebe in nur 15,2 Sekunden und einer Endgeschwindigkeit von satten 150 Stundenkilometern. Die Topspeed betrug 188 Kilometer pro Stunde.

Leider wurde der Fahrzeugbestand durch exorbitante Vollgasorgien schnell und besonders für die Versicherer schmerzhaft dezimiert. Der Autoverleiher Hertz schaffte 1966 für seine Mietwagenflotte satte 1.001 GT 350-Modelle an – ein eigentlich kluger Schachzug, um den nachgeschärften Mustang potenziellen Käufern näher zu bringen. Mindestens 25 Jahre alte Hertz-Sports-Car-Club-Mitglieder durften die 306 PS starken Fastbacks mieten. Der damalige Kurs: faire 17 Dollar pro Tag und weitere 17 Cent pro Meile.
Tatsächlich litten die Fahrzeuge mit dem zusätzlichen Buchstaben H für Hertz extrem, denn nicht wenige Kunden nahmen den Slogan „Rent-a-Racer“ all zu wörtlich. Sie nutzten die Trackqualitäten aus, missbrauchten den schnellen Shelby als Rennwagen fürs Wochenende oder liehen sich kurzerhand den Cobra-Triebsatz für ihren Rennwagen aus.

Stolze Besitzer mit gutem Geschmack: Hans-H. Simering und Leo Graw sind bekennende Oldtimerfreunde

Prädikat wertvoll
Nach heutigen Maßstäben verdienen sowohl der Shelby als auch der Porsche eindeutig das Prädikat Vintage. Der Mix aus ihrem kantigen Charakter und dynamischem Potenzial macht an. Was die Wertentwicklung angeht, schossen beide Typen in den letzten Jahren förmlich durch die Decke. Überschaubare Produktionszahlen sorgen dafür, dass Sammler inzwischen weltweit auf Einkaufstour gehen, um sich ein gutes Exemplar zu sichern. Während man für einen guten Shelby mit bis zu 150.000 Euro rechnen muss, hat der Porsche 930 in Bestform bereits die 200.000er-Marke geknackt.

Autor: Lars Jakumeit
Fotograf: Günter Poley