Alfa Romeo Alfetta

In der von 1972 bis 1984 gebauten Alfetta treffen technische Brillanz und qualitative Ignoranz in beeindruckender Weise zusammen. Das Understatement vermittelnde schlichte Karosseriedesign mag neben der außerordentlichen Rostanfälligkeit dazu beigetragen haben, dass Alfisti um die Modellreihe lange einen Bogen machten. Fast zu lange, denn heute sind gute Alfettas viel rarer als Giulia & Co.

Technisch war die von 1972 bis 1984 gebaute Alfetta von Alfa Romeo ein größerer Leckerbissen als es das schlichte, von Bertone gezeichnete Blechkleid vermuten ließ. Neben dem seit den 1950er-Jahren für seine Raffinesse vergötterten Vierzylinder-Sportmotor mit zwei obenliegenden Nockenwellen, der in den 1970ern technisch immer noch eine Benchmark darstellte, war es hier vor allem die exotische Trans-axle-Antriebstechnik, die in der Alfetta lange vor den bekannten Transaxle-Modellen von Porsche zum Einsatz kam. Beim Alfa sind sie mit einer DeDion-Hinterachse kombiniert, die als weitere Spezialität über innenliegende Scheibenbremsen verfügt, was die ungefederten Massen verringert. Ganz neu war das Transaxle-Prinzip indes nicht – unter anderem mit den Lancia-Modellen Aurelia und Flaminia sowie den riemengetriebenen DAF-Fahrzeugen gab es in der Nachkriegszeit bereits ein paar Serienfahrzeuge mit Frontmotor und Getriebe/Differenzial an der angetriebenen Hinterachse, aber eben nicht viele. Bei der „neuen“ Alfetta ist sie allerdings sogar aus der eigenen Historie abgeleitet – der überaus erfolgreiche Alfetta-159-Rennwagen der 1930er-Jahre hatte ebenfalls einen Transaxle-Antrieb. Die moderne Alfetta-Baureihe debütierte mit dem 1750er-Motor aus Bertone, Berlina & Co., der in Wirklichkeit 1.779 Kubikzentimeter hatte und deshalb ab 1975 zur Abgrenzung gegen die inzwischen nachgeschobene 1.600er-Variante als Alfetta 1,8 bezeichnet wurde. 1977 folgte die 2000er-Ausführung.


Damit zurück zum Gegenstand dieser Kaufberatung, über die ich aus eigenem Erleben schreiben kann, denn mein Vater hatte sich nach zwei Berlina-Modellen 1978 mit der damals neuen Alfetta 2000 seinen ersten Neuwagen gegönnt, und mich begleitete der Wagen über seinen gesamten Lebenszyklus bis zur überfälligen Verschrottung zehn Jahre darauf (mit knapp 150.000 km auf der Uhr) – zunächst als Beifahrer, später auch manchmal als Fahrer. Aus der Erinnerung weiß ich, wie vergleichsweise langweilig uns damals das für die 2000er-Ausführung geliftete Design des Neuzugangs vorkam – längst nicht so charakterstark wie unsere (gegenüber der Giulia ja ebenfalls schon deutlich geglättete) Berlina. Die Berlina gab es nur Ende der 70er nicht mehr neu.

Mit Einzelscheinwerfern sehen späte Alfetten wie das Sondermodell „Quadrifoglio oro“ sportlicher aus als die normale 2000er-Ausführung mit rechteckigen Einfachscheinwerfern

Inspizieren Sie die Quertraverse unter dem Kühler gründlich, an der auch der Stabilisator befestigt ist

Rost lauert auch an der Nahtstelle vom Kotflügel zur Frontschürze

Wie sieht die Vorderkante der Motorhaube aus? Hier ist das Blech doppellagig ausgebildet, und es kann zu Spaltrost kommen

In der ersten Zeit verhielt sich unsere neue Alfetta betont unauffällig und glänzte nicht nur herrlich im knallroten Lack, sondern auch durch erstaunliche Zuverlässigkeit. Einen Dämpfer gab es eigentlich erst zur zweiten Hauptuntersuchung (damals nach vier Jahren), als der Prüfer den linken Schweller gleich an mehreren Stellen durchstechen konnte. Es wurde daraufhin ein kompletter Schweller neu eingeschweißt. Der hielt – wie erstaunlicherweise die nicht korrodierte Beifahrerseite – den gesamten Rest unserer Besitzzeit durch. Rost blühte dafür in den Folgejahren trotzdem reichlich – meist an Stellen im Sichtbereich, für die sich der TÜV weniger interessierte: an den Kotflügelkanten, am Übergang der A-Säule zum Windlaufblech unter der Frontscheibe, ebenso hinten an der C-Säule. Faszinierend war auch das Rostgeschwür mitten auf der glatten Dachhaut (das Auto hatte kein Schiebedach), das den Lack großflächig unterwanderte (sehr typisch für die Rostbildung an diesem Wagen …) und sich zum Schluss mit einem leichten Fingerdruck durchstechen ließ. Wie gesagt: einfach so und mitten auf dem Dach ohne Anzeichen einer Beschädigung von außen. Bitumen-Klebeband dichtete die Stelle optisch unbefriedigend gegen das Eindringen von Regenwasser ab, das allerdings auch anderweitig Wege ins Wagen-innere fand und vor allem dem Beifahrer gelegentliche Fußbäder bescherte.

Sowohl die Kotflügel-Anschraubkanten als auch die Motor-Stehbleche sind häufig völlig „durch“. Hier die regelbestätigende mustergültige Ausnahme – auch im Bereich der Batterieaufnahme

Bilden sich am Übergang des Kotflügels zur Frontscheibe Lackblasen, sieht es darunter in aller Regel verheerend aus ..

… dasselbe gilt für die Nahtstelle der A-Säule zum Dach

Die im Spritzbereich liegende Ecke am Unterboden ist besonders korrosionsgefährdet, auch die Abdeckung zur A-Säule sollte unbedingt vorhanden sein …

… ebenso wie die Abdeckung zur Frontmaske/den Scheinwerfern hin

Vermutlich kam es über die Türen rein, deren Fensterschachtleisten nicht besonders gut dichteten – dafür fiel gelegentlich die eine oder andere Fensterkurbel ab.
Unser Referenzfahrzeug, ein spätes, besonders luxuriöses Sondermodell „Quadrifoglio Oro“ aus dem Baujahr 1983, hat all die vorgenannten Mängel nicht. Der Wagen in höchst dezenter Lackierung „Luci del bosco“ (Licht des Waldes) ist rostfrei und unrestauriert, er stammt aus dem sonnigen Monaco. Wir entdeckten diese Perle beim Lüneburger Klassiker-Händler Mondänmobil, und sie wurde – verständlich bei dem Zustand – schon kurz nach unserem Fototermin verkauft.

Kritische Ecke im hinteren Türausschnitt