1941er Ford DeLuxe Business Coupé

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Die matte Karre schreit es aus jeder Schweißnaht: 
Sie ist alt und nicht original – das Ford DeLuxe 
Business Coupé stellt sich nur deshalb quer zum 
Greifarm des Autoverwerters, weil es seinem 
Besitzer einen Mordsspaß macht

Kümmere dich um deinen eigenen Kram“ bedeutet die Headline frei übersetzt und zitiert damit eine allgemeine amerikanische Redewendung. „Business“ ist aber auch das „Geschäft“ – und Michael Rafflenbeul betreibt sein Business mit glänzenden Schätzchen schon so lange, dass er irgendwann begonnen hat, sich mal nach automobiler Abwechslung umzugucken. Klassische California-Cars der 50er, 60er und 70er Jahre haben ihren besonderen Reiz, ihren Charme und Auto für Auto ihre Einzigartigkeit und Geschichte – aber das ist eben sein „Business“. Nach Feierabend musste da mal was anderes her, und nicht etwa ein mit Plastik beplankter Neuwagen aus Europa oder eine japanische Drehzahlsemmel – es durfte gern US-amerikanisch bleiben. Coupés aus den 40ern sind heute sexy as hell, also warum nicht einmal eine Liaison mit einem technisch einfach gestrickten 70 Jahre alten Herrenwagen?

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Wohin die Liebe fällt – auf einem der größten Treffen im Südwesten der USA verliert Rafflenbeul sein Herz. Der „Turkey Run“ in Daytona Beach, die seit 1974 jährlich immer zu Thanksgiving stattfindende und immer größer werdende Autoshow, lässt seit 1995 nicht mehr nur Autos bis 1948 auf den Platz – diese finden sich dort traditionell aber besonders häufig. Sie ist ein sonnendurchflutetes Mekka für Hot-Rod-Fans mitten in Florida und ein Paradebeispiel für Offenheit und Freizügigkeit. Während man in Deutschland umgehend von jedem Clubtreffen ausgeschlossen wird, wenn der neu gekaufte Kühlergrill nicht exakt dem Baujahr des Autos entspricht, hat man hier unter Palmen vor allem eins: Spaß in und an alten Karren jeglicher Coleur.
Das Coupé, das da im Standgas vor sich hinbrabbelt, kribbelt hinter den Augen.

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Mattschwarz, wenige Zierleisten, „oldschool“ durch und durch und mit dem wunderschönen Flathead-V8, der auf den ersten Blick nur aus glänzenden Zylinderkopfschrauben besteht. Obwohl: Wunderschön ist relativ, wie so vieles an diesem 1941er Ford DeLuxe. Man könnte die Anmutung des V8 unter der Klapphaube auch als „herrlich mechanisch“, „funktionell und übersichtlich“ oder „aus dem Vollen gefräst“ beschreiben, genau so wie man den Wagen als solchen interessant, zeitlos cool oder sagenhaft hässlich finden kann. Geschmack und Emotionen sind menschlich, und eben diese Menschlichkeit ist es, die Rafflenbeul zugreifen lässt. Er denkt gar nicht lange nach, seine Erfahrung und sein Bauchgefühl taxieren den nicht mehr ganz originalen Zweitürer als „good buy“ – und er soll es schon am ersten Abend beim Ride Out nicht bereuen. Immerhin ist es ein „Business Coupé“, was kann da noch schief gehen?

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Der DeLuxe wurde von Ford in dieser Form nur zwei Jahre gebaut und war 1940 und 1941 sowohl mit dem alten V8 als auch mit einem neu konstruierten Reihensechszylinder gleicher Leistung bestellbar. Der V8 leistete immerhin 90 PS aus einem Hubraum von 3.700 cm3. Er war eines der ersten Autos, die so etwas wie Wartungsfreundlichkeit und Service ernst nahmen – und mit einem Ölfilter angeboten wurde. Es gab ihn als zwei- oder viertürige Limousine, zweitüriges Sedan Coupé, Business Coupé oder fünftürigen Kombi. Magerer ausgestattete Modelle hießen Standard, besser ausgestattete Super DeLuxe. Punkt. Das war‘s. Mehr war nicht nötig, um trotz der Kriegswirren in den zwei Jahren fast 300.000 Ford an den Mann zu bringen. 1946 ging‘s dann luxuriöser weiter mit dem DeLuxe: Die Autos wurden dicker, schwerer und stärker, aber das ist eine andere Geschichte.

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Die Jungs, mit denen Rafflenbeul noch am selben Abend den Ocean Drive rauf und runter blubbert, sind – automobil gesehen – genau so schräg wie alle anderen auf dem Turkey Run. Sie haben ihre Vollmeisen, die Amerikaner, aber eines muss man ihnen lassen – die typisch deutsche Spießigkeit der Originalitäts-Fanatiker kennen sie nicht. Das ist auch in diesem Fall gut so: Keiner weiß so richtig, was an dem schwarzen Auto eigentlich nun noch original ist oder was ein Fan in den vielen Jahrzehnten da mal dran gebaut hat, weil er Lust dazu hatte.

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Stoßstangen sind keine mehr da, was die dickholmige Erscheinung des Coupés schlank und sexy macht. Dafür sind aber unter der chromigen Mittelkonsole ein paar zusätzliche kleine Rundinstrumente angebracht, die Aufschluss über den Öldruck, die Batteriespannung und die Kühlwassertemperatur geben. Alle drei Werte sind zwar nicht uninteressant, funktionieren aber in der originalen Klaviatur des Dashboards nicht (mehr). Auch der Tacho arbeitet nicht, das erledigt eine iPhone-App – allein für so ein Feature wird man in Germany vom Kassenwart des lokalen Clubs mit nicht weniger als 20 Hieben der Zündkabelpeitsche bestraft. Vom iPhone kommt an diesem Abend auch schon die Musik, der Soundtrack, der aus dicken, versteckten Bassboxen unterschwellig durch den Zweisitzer bummst. Guter, ehrlicher Rock‘n Roll. Wenn man im Auto vernünftig Musik ohne schmerzende Ohren hören möchte, sollte man nicht der Originalität wegen einem Mono-Kurzwellen-Radio lauschen müssen…

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Überhaupt lädt eine Tour in dem Ford auch auf dieser Seite des großen Teichs zum Nachdenken über die Grenzen der Originalität ein. Diese alte Kiste wird regelmäßig bewegt, sie fuhr vom Fleck weg, bisschen Inspektion hier und ‘n Schluck Sprit da, mehr ist nie nötig gewesen. Das kann man von vielen Zustand-1-Originalen nicht behaupten, irgendwas ist da immer kaputt und stört dann erst recht. Und wenn das Auge die Perfektion sucht, findet es sofort die kleinen und großen Schwachstellen.
Hier nicht. Denn das Business Coupé ist nicht perfekt, das soll es aber auch nicht. Legt man einen der drei Gänge ein – dabei ist es bei jeder Geschwindigkeit gefühlt egal, welcher das ist – fährt das Auto. So wie ein Auto fahren soll, auch heute noch. Der Blick geht aus den schmalen, blechgerahmten Scheiben nach vorn über die knubbelige Haube, man erwartet jeden Moment, dass John-Boy oder Jim-Bob Walton am Straßenrand stehen und mit zur Farm genommen werden wollen. Die Beschleunigung ist nicht relevant, die Höchstgeschwindigkeit auch nicht. Es war reichlich genug für 1941 und es reicht, um auch im Verkehr des Jahres 2015 mitzuschwimmen und gute Laune zu haben.

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Warum besitzt man heute einen Klassiker? Einige stellen ihn sich als Wertanlage weg, andere holen ihn bei gutem Wetter raus und bewegen ihn vorsichtig zu dem einen oder anderen Treffen. Klassiker wollen aber gefahren werden, sie wollen den anderen gezeigt werden, sie wollen dabei sein. Bei Regen und Sturm, immer mittendrin. Automobile Integration ist angesagt. Und das ist oft ein Pokern mit der Brieftasche, denn wenn der Besser-als-Neu-Wagen eine Delle bekommt, geht der Schaden gleich in die Tausende.
Oder eben nicht. Wie bei diesem Ford. Und das entspannt den Besitzer sehr. Nur mit wenigen anderen Oldtimern ließen sich so viele freundliche Blicke anziehen. Den Unterschied zum etwas teureren „Sedan Coupé“ sah man dem matten Oldie von außen niemals an – seinen Zusatznamen „Business“ erhielt er wegen der Durchlademöglichkeit durch den von außen zu öffnenden Kofferraum zum Innenraum. Eine Rücksitzbank gab es nicht. So passte auch in das preiswerte Coupé eine Menge Krams, den der „Business“-Mann so brauchte. Damals.
Würde der Fahrer des riesigen Schrottkrans den dicken Elektromagneten fröhlich über einem anderen, wattestäbchenpolierten Auto baumeln lassen? Sicherlich nicht, es könnte dem zweiten Schriftführer eines Clubs gehören, der umgehend seine Rechtschutzversicherung in Anspruch nähme. Aber niemand will den alten Ford verschrotten. Michael Rafflenbeul winkt dem Kranführer, tippt auf dem iPhone rum und brabbelt dann in dem alten Auto weg. Aus den offenen Fenstern drückt „Purple Rain“ von Prince. Nicht der normkonforme Radio-Edit, sondern die über sieben Minuten lange Version mit dem endgeilen Gitarrensolo.
Das geht genau so quer in die Ohren wie der Ford in die Augen. Voran, voran, alter Rocker. Nun fährt der schon seit 74 Jahren über diesen Planeten, dann kann er das auch noch ein bisschen länger machen.

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TECHNISCHE DATEN
Ford DeLuxe Business Coupé
Baujahr: 1941
Motor: V8
Hubraum: 3.700 cm3 (225cui)
Leistung: 66 kW (90 PS) bei 3.700/min
Max. Drehmoment: 244 Nm
Getriebe: Dreigang-Lenkradschaltung
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4.936/1.820/1.600 mm
Gewicht: ca. 1.500 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: k.A.
Top-Speed: ca. 140 km/h
Wert: ca. 20.000 Euro

Text und Fotos: Jens Tanz