Mustang auf Italienisch: Intermeccanica Italia

am132011_7018_intermeccanica_00„Exot“ sagt sich schnell – doch wenn der Begriff wirklich auf ein Auto zutrifft, dann auf den Intermeccanica Italia: Der Enthusiasten-Italiener mit dem Ford-Mustang-Antrieb ist so selten wie friedvolle Mafiosi. TRÄUME WAGEN fuhr eines der wenigen käuflichen Exemplare

Interme-was? Rassiger italienischer Sportwagen mit Mustang-Motor? Klingt irgendwie nach Spaghetti mit Schokosauce. Und dennoch – ja, so etwas gab es. Kein Wunder: Da wurstelte ein Konglomerat aus verschiedenen Werkstätten namens „Costruzione Automobili Intermeccanica“ Ende der 60er Jahre in Moncalfieri unter der Führung eines Ungarn mit kanadischem Pass, Frank Reisner, und den Amerikanern Tony Baumgartner und Bob Cumberford an Autos herum, bis sie auf die Idee kamen, eine heiße Südländer-Karosserie mit einem mächtigen Ford-V8 zu bestücken. So machten sich insgesamt 20 Mann daran, zunächst den Apollo 3500GT für International Motor Cars in Kalifornien zu bauen, kurz darauf aber unter eigenem Namen den Italo-Amerikaner. Ihr Vorbild: die englisch-amerikanische Ehe im TVR Griffith. Denn der New Yorker Jack Griffith pflanzte dort munter Ford-V8-Motoren in die filigranen Engländer.

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Türkis ist nicht jedermanns Sache – zum knallgelb der Außenhaut passt es aber perfekt in die schrillen Jahre.

Das erste Modell hieß Intermeccanica Omega, als noch kein Opel so genannt wurde. 1967 folgte der Torino, eine Hommage an den neuen Firmenstandort Turin. Nach 45 Exemplaren intervenierte Ford allerdings dagegen, weil die Amis ein Copyright auf den Namen angemeldet hatten. 1968 änderte Intermeccanica – fast trotzig – den Namen in „Italia“.

Man erzählt sich, der feinsinnige italienische Bertone-Designer Franco Scaglione habe höchstselbst Hand an das Design des Italia gelegt. Wie auch immer – irgendwer hat bei Ferrari geklaut. Besonders die Front erinnert stark an einen 500 Superfast, die Seitenlinie an einen Miura und das Heck an Alfa. Dennoch ist die klassische Linie eines offenen Sportwagens entstanden – und obwohl unser Test-Exemplar vom niedersächsischen Oldie-Spezialisten Steenbuck mit seinem Knallgelb aussieht, als trüge es eine Kunststoffkarosserie, ist sie aus makellosem Blech.

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Innen sieht alles etwas gebastelt aus – aber mit dem Stolz eines italienischen Autoherstellers.

So exotisch die Form des Italia, der Blick unter die lange Haube offenbart US-Massenware: Intermeccanica hat nicht eine Schraube geändert beim Mustang-V8 mit 4,7 Kubikzentimetern Hubraum und 250 PS. Die hatten keine Mühe mit dem nur 1.240 Kilo schwerem Wagen, trotzdem gönnte Intermeccanica ihm bald darauf einen Fünfliter und schließlich den 310 PS starken 5,7-Liter-Ford-Motor. Der katapultierte dann den Sportwagen auf mehr als 222 km/h, der Sprint auf 100 km/h war in 6,5 Sekunden vorgesehen.

So steigen wir denn ehrfurchtsvoll ein in das seltene Teil, vom Italia sollen nur 411 Stück (als Coupé und Cabriolet) gebaut worden sein. Tief fallen wir in die gemütlichen Sitze, nachdem wir das Dach schnell und einfach per Hand nach hinten geklappt haben. Die dazugehörige Persenning scheint in der tschechischen Sammlung, wo der Wagen die vergangenen zehn Jahre verbracht hat, eingelaufen zu sein – sie passt nicht ganz über das Gestänge. Wir lassen das Zerren und starten lieber den großen Motor. Langsam erwacht das Mustang-Aggregat zum Leben, blubbernd und spotzend wie eh und jeh. Ein bisschen rühren im unpräzisen 4-Gang-Mustang-Getriebe, und wir rollen vom Hof.

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Fast amerikanisch weich trägt uns der Intermeccanica Italia vom Juni 1968 über die Landstraßen bei Lübberstedt in die Tiefen der Lüneburger Heide, sich zeittypisch verwindend. Vorne hängen die Räder an Querlenkern und Schraubenfedern, hinten wird die Mustang-Antriebs-Starrachse durch Längslenker, Schraubenfedern und Panhardstab geführt. Das sind bewährte Bauteile, dennoch probieren wir nicht aus, das Höchsttempo zu erreichen, hängen doch unsere sensiblen Hintern nur ein paar Zentimeter über dem Asphalt – und Intermeccanica war nicht gerade berühmt für exakte Arbeit. Immerhin wurde 1970 gemessen, dass der vierte Gang beim großen Motor den Tempobereich von 22 bis 220 km/h abdeckt – das heißt: der optimale Wagen für Schaltfaule.

Die großen Speichenräder übrigens, die für den Wagen etwas überdimensioniert scheinen und Pneus der Größe 205/70 R15 tragen, hat sich wohl ein späterer Besitzer draufschrauben lassen. Sie hinterließen bereits leichte Schabspuren an den Innenkotflügeln. Schöner ist das Ersatzrad im großen Kofferraum – es trägt das klassische Mustang-Design.

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Das Dach ist knapp geschnitten und lässt sich sekundenschnell herunterklappen. Gehalten wird es nur durch zwei zarte Bügel.

Tatsächlich sieht man auch im Innenraum, dass hier in den Schubladen anderer Hersteller kräftig geräubert wurde. Alles wirkt ein bisschen Kitcar-mäßig – was aber auch den Charme des hausgemachten Beaus ausmacht. Immerhin fahren die Fenster elektrisch hoch und runter, manchmal allerdings in Zeitlupentempo. Dennoch ist nichts verwohnt in dem Auto: Die schrille Türkis-Lederausstattung innen ist pikobello, das Armaturenbrett gesund. Nicht umsonst hat der technische Prüfer dem Wagen eine glatte 2 attestiert.

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Wunderbar schlicht und symmetrisch: das Heck des Italia.

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Vorne arbeitet ein Mustang-V8 mit leichter Rauchentwicklung beim Kaltstart.

Übrigens: Intermeccanica gibt es heute noch. Die Firma siedelte 1975 um nach San Bernardino, USA, später nach Vancouver, Kanada. Bis heute produziert sie unter der Regie von Frank Reisners ältestem Sohn Henry hauptsächlich Porsche-Replikas.

Wer 86.000,- Euro für Steenbucks echten, knapp 50.000 Meilen gelaufenen Intermeccanica Italia übrig hat und sich den schrägen Italiener sichert, weiß zwar nie, wie lange das Auto hält und wer es reparieren kann. Aber er kann sich der ungeteilten Aufmerksamkeit aller Auto-Afficinados sicher sein. Und den fragenden Gesichtern: „Interme-was???“

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Intermeccanica Italia Cabriolet
Motor: 4,7-Liter V8
Leistung: 184 kW (250 PS)
Kraftübertragung: Viergang-Schaltung
Länge/Breite/Höhe: 4.521/1.676/1.270 mm
Radstand: 2.489 mm
Gewicht: 1.240 kg
Gebaute Stückzahl: ca. 411
Bauzeit: 1968 bis 1973
Preis heute: 86.000,- Euro

Wir danken Steenbuck-Automobiles für die Leihgabe des Intermeccanica Italia www.steenbuck-automobiles.de

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Bilder: Andreas Aepler