Mit Mark fünf sind Sie dabei

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Er heißt Continental Mark V, ist fast sechs Meter lang und füllt sieben Liter Hubraum mit Benzin. Trotzdem passen in das Coupé bequem nur zwei erwachsene Menschen hinein. Die haben jedoch eine Menge Spaß – zumindest bis zur nächsten Kurve oder Tankstelle: Besuch bei einem der letzten herrlich überheblichen Full-Size-Dinosaurier

Der Tyrannosaurus Rex war ein wahrhaft großer Fleisch- und Aasfresser, stark und Ehrfurcht einflößend. Er stapfte durch die Wälder und fraß, was sich ihm in den Weg stellte. Keine Menschen, denn die gab’s in der jüngsten Stufe der Oberkreide noch nicht. Aber hätte es sie gegeben – sie wären mächtig beeindruckt gewesen.

Die Chance, aus dem Staunen nicht mehr heraus zu kommen, bewahrten sich die Menschen bis letztmalig 1966. Da zogen erste Exemplare des Continental Mark III ähnlich erhaben durch den urbanen Dschungel. Sie waren ungefähr so groß wie ein T-Rex und fraßen ähnliche Mengen wie er – allerdings in Form von kleinen Schalentieren und Muscheln, die zuvor jahrmillionenlang unter dem Druck der Gesteinsschichten verbrachten, dann als schwarze Brühe nach oben gepumpt und aufwändig zu etwas raffiniert wurden, was man anzünden kann: Benzin.

Die Namensgebung ist typisch amerikanisch und deswegen mehr als verwirrend: Die Continental Division war von 1955 bis 1960 eine eigenständige Ford-Konzerntochter und bot den Continental Mark V als hochwertiges Luxusfahrzeug an. Das hier vorgestellte Modell wurde von der Lincoln-Mercury-Division der Ford Motor Company gebaut, aber nicht als Lincoln Continental in den Annalen geführt, denn der Lincoln Continental lag seit 1961 unterhalb der Continental-Mark-Serie und hatte technisch mit ihr nichts zu tun. Als Hommage der damaligen Luxuskarossen trug er demnach nur die Modellbezeichnung „Continental Mark V“ als Nachfolger der Mark-III und -IV-Modelle.

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Diese automobilen Dinos waren die Antwort der Ford Motor Company auf den gerade erfolgreich vorgestellten Cadillac Eldorado und wollten vor allem groß und luxuriös sein. Und groß. Und luxuriös. Vor allem aber groß. Naja, auch luxuriös. Allein die Motorhaube war mit 1,80 Metern Länge nur geringfügig kürzer als ein moderner Smart. Beide Fahrzeuge boten zwei Personen einigermaßen Platz, jedes auf seine Weise, die Insassen des Continental aber verspürten dabei diese Ehrfurcht, wie der T-Rex sie ausstrahlen konnte. Allein schon deshalb, weil eine tiefe Erkenntnis ein paar Minuten braucht, bis sie sich in Hirn und Herz voll entfaltet.

Hirn: Du sitzt in einem unfassbar großen Pkw, vielleicht in dem größten, in dem du jemals gesessen hast. Wie kann es sein, dass es hier drin nur unwesentlich mehr Platz als im Smart gibt? Ist das einer der Gründe, warum so etwas ausgestorben ist? Wir werden es erkunden. Herz: Erweck mal das Triebwerk zum Leben, leg mit dem Hebel am Lenkrad die Fahrstufe ein und lass dieses lange Ding losgleiten. Und denk nicht so viel nach.

Man ist sich heute nicht ganz sicher, ob nun vor zig Millionen Jahren ein Meteorit eingeschlagen ist, eine Eiszeit kam oder die großen Viecher einfach alles aufgefressen haben. Jedenfalls waren die Dinos plötzlich weg. Und was da gegen Ende der Kreidezeit passierte, wiederholte sich Anfang der 70er Jahre ähnlich: Die erste große Ölkrise. In Nordamerika, was nicht für seine ökonomischen Kleinwagen bekannt war, erlegten sich alle Hersteller Sparzwänge auf, weil plötzlich niemand mehr den Durst der dicken „Gas Guzzler“ akzeptierte: Dank OPEC verdoppelte sich der Preis für einen Liter Kraftstoff.