67er Rekord C-Limousine der Karosseriebaufirma Karl Deutsch

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Die Karosseriebaufirma Karl Deutsch ist verschwunden, ihre Produkte nicht: Bis Anfang der 70er Jahre schnitten die Kölner Spezialisten diversen Serienautos mit Freude die Dächer ab. So auch der zweitürigen Rekord C Limousine aus dem Jahr 1967. Grund genug für eine Ausfahrt in dem seltenen Massenauto

Der Käufer damals muss ein ganz spezieller Mensch gewesen sein. Nicht etwa, weil er einen Opel kaufte. Davon gab es Ende der 60er Jahre eine ganze Menge. Und auch nicht, weil er einen Rekord C 1700 L mit zwei Türen orderte – auch das war damals keine Besonderheit. Die Fertigung dieses Modells begann am 8. August 1966, die wichtigsten Veränderungen zum Vorgänger waren die Schraubenfeder-Hinterachse, der längere Radstand und natürlich die restlos neue Karosserie. Der Opel wurde zu einem der beliebtesten Autos in Deutschland, auch in einigen Exportmärkten. Und es gab von Anfang an etliche am1014_opel_rekord_02Karosserievarianten: Limousine mit zwei und vier Türen, Kastenwagen mit zwei und vier Türen sowie das Hardtop-Coupé. Nein, was den damaligen Käufer so besonders macht, ist ein ganz bestimmtes Extra – oder besser gesagt, ein fehlender Standard: kein Dach. Das konnte der freundliche Opel-Händler nebenan nur deshalb liefern, weil sich eine Spezialfirma um diesen Spezialwunsch kümmerte: die Karl Deutsch GmbH. Die kaufte von Opel 50 weiße Exemplare der zweitürigen Limousine und erleichterte sie um ihren festen Regenschutz. Die Kleinserie der Deutsch-Rekord begann 1967, mehr als diese 50 Stück sind allerdings nicht entstanden. Kein Wunder: Galt es doch, zu dem Grundpreis von 7.670 Mark (1967) noch rund 4.000 Mark Umbaukosten aufzutreiben. Das konnten sich nicht viele leisten – das dürfte der Hauptgrund sein, warum nur so wenige Exemplare gebaut wurden. Der Erstbesitzer unseres roten Rekord  mit der internen Deutsch-Produktionsnummer 44 hatte jedenfalls die Kohle.

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Die Geschichte der Firma Deutsch begann vielversprechend: Die Karl Deutsch GmbH entwickelte sich aus dem 
bekannten Kutschenbauer 
„Wagenfabrik J.W. Utermöhle GmbH“. Diese Firma hatte Betriebe in Köln und Berlin und war eine der Pioniere im Bau für Autokarosserien, ab 1901 kleidete sie zum Beispiel Horch-Automobile ein. Der Kölner Betriebsleiter Karl Deutsch kaufte den Laden 1913, nannte ihn „Westdeutsches Karosseriewerk“ und gründete drei Jahre später die „Karl Deutsch GmbH“ in Köln-Braunsfeld. Ganz clever, denn zu diesem Zeitpunkt gab es einen zuverlässigen Abnehmer für die Anhänger, die Deutsch zunächst hauptsächlich baute: die Armee.

Als Citroën 1927 in Köln-Poll ein Montagewerk errichtete, ging es mit Deutsch so richtig bergauf. B14-Modelle erhielten von Deutsch Aufbauten als Taxis, Lieferwagen und – Cabriolets. Die waren bald so beliebt, dass sich Deutsch mit offenen Autos einen besonderen Namen machte. Hinzu kam Ford als Kunde: 1932 fuhr der Deutsch-Ford auf den Straßen – ein Modell B, natürlich offen. Die Machthaber fanden in „Ford Rheinland“ einen 
neuen Namen, um aus ihm ein „Deutsches Erzeugnis“ zu machen. Das Rekord-Cabrio gehört heute Opel. Und wir dürfen den 40.000-Euro-Gleiter fahren: Uns empfängt ein weicher Sitz ohne irgendwelche Seitenführungen – Sessel ist die passendere Bezeichnung. Und zwar ohne Kopfstützen. Und auch Gurte suchen wir vergebens, hier darf man noch ungehindert aus dem Auto fliegen. Mit dem Zündschlüssel erwecken wir den Vierzylinder zum Leben, und er flüstert, als wäre er schüchtern. Die Viergangschaltung reagiert butterweich, die Schaltwege sind ellenlang, aber so ein Schaltknüppel auf dem Mitteltunnel galt damals als recht progressiv (das Dreiganggetriebe wurde über eine Lenkradschaltung bedient).

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Das dünne Zweispeichenlenkrad möchte so sanft wie möglich geführt werden, federleicht und somit nicht besonders präzise reagiert die Lenkung. Das ist fast amerikanisch.

Der Aufschnitt allerdings nicht. Den hat Deutsch gemacht – nicht ohne die Karosserie mit ein paar Verstärkungen zu versteifen, schließlich fehlt mit dem Dach ein wichtiges stabilisierendes Teil. Die Schweller sind breiter als in der Serienlimousine, die B-Säulen verstärkt, genauso wie die Bodenbleche unter den Sitzen. Normalerweise befindet sich im Deutsch-Rekord ein Quer-Rohr unter dem Armaturenbrett zur weiteren Festigung, unser Exemplar hat das nicht – niemand weiß, warum das hier so ist.

Trotzdem macht das Auto einen ausreichend stabilen Eindruck. Weil alles so leicht und weich zu bedienen und das Temperament des Oldies durchaus begrenzt ist, kommt gar nicht der Gedanke auf, mit dem Rekord sportlich aufzutreten. Der Deutsch-Opel ist ein Cruiser, in den sogar fünf Erwachsene passen. Die drei im Fond kuscheln auf einer großen Sitzbank, zu zweit allerdings fällt man in Kurven unweigerlich um (die fehlende Sicherheit bei aufgeschnittenen Autos war ein anderer Grund, warum es nicht so viele Fans davon gab). Aber der Auftritt ist es wert. Und sollte das Wetter mal verrückt spielen, ist das Dach zu zweit in wenigen Sekunden befestigt. Normalerweise liegt es unter einer Persenning und fühlt sich da sehr wohl.

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Und was hat der Karl Deutsch GmbH das Genick gebrochen? Wie so oft: neue Ideen anderer. Zum Beispiel die selbsttragende Karosserie. Trotz neuer Konstruktionen wie etwa offene Borgward-Isabella-Modelle

(immerhin rund 1.000 Cabrios wurden es) oder die des Opel Rekord, wurde das Überleben immer problematischer. Als schließlich ein geöffneter Ford Capri ein Flop wurde und ein dickes Spaniengeschäft vermutlich aus politischen Gründen scheiterte, musste Deutsch schließen. 1972 war Schluss.
Geblieben sind ein paar sehr deutsche Wagen…

Technische Daten

Opel Rekord C 1700 L „Deutsch“ Cabriolet
Baujahr: 1967
Motor: Vierzylinder
Hubraum: 1.698 cm3
Leistung: 75 PS bei 5.200/min
Max. Drehmoment: 127 Nm bei 2.700/min
Getriebe: Viergang-Handschalter
Antrieb: Hinterräder
Länge / Breite / Höhe: 4.574 / 1.754 / ca. 1.460 mm
Gewicht: ca. 1.060 Kilo
Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 18 Sek.
Top-Speed: 148 km/h
Preis 1967: ca. 11.670 D-Mark
Wert heute: ca. 40.000,- Euro

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50 Jahre Opel-Design

Mitte 1964 wird das erste Designstudio in Europa eingerichtet, und zwar in Rüsselsheim.
Grund genug für einen Besuch

So schön manche richtig alten Autos auch sind – Designer waren damals nicht am Werk. Es waren eher Grafiker, Künstler, Architekten und manchmal auch Ingenieure, die sich die Formen für Autos bis Mitte vergangenen Jahrhunderts einfallen ließen. Und es dauerte noch lange, bis sich die ersten beiden Design-Mekkas herauskristallisierten: Turin und Detroit. 1956 arbeiteten bereits 1.200 Menschen in der Designabteilung von GM.

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Dank der amerikanischen Führung war Opel im Jahr 1964 laut eigener Aussage das erste deutsche Autounternehmen, das ein „Advanced Design“ einführte. Das erste Ergebnis war der „Experimental GT“, der somit auch als das erste Concept Car eines europäischen Autoherstellers gilt.

Eindrucksvoll hat Opel zum Jubiläum das Obergeschoss des Design-Centers ausstaffiert, als würde in den 60er Jahren gearbeitet:   Neben dem Tonmodell des Experimental GT steht hier das „CD Concept“ von 1969, ein „CD Concept“-Gittermodell, das einen Blick auf die Antriebstechnik und die Innenraumgestaltung erlaubt, den echten „Experimental GT“, den offenen „Aero GT“ von 1969, den Opel GT von 1973, das „Junior Concept“ aus dem Jahr 1983 sowie das „Opel GT2 Concept“ von 1975. Das Auto mit dem sehr geringen Luftwiderstandsbeiwert 0.326 basiert auf der Karosserie der Manta- und Ascona-Baureihe.

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Im Untergeschoss stehen die modernen Studien: „Flextreme Concept“ von 2007, „Rak E Concept“ von 2001, „Rad E Concept“ von 2012, „Adam Rocks Concept“ von 2013 und natürlich das „Monza Concept“, vorgestellt auf der IAA 2013, von dem Opel-Chefdesigner Mark Adams sagt, dass es alle neuen Opel-Modelle beeinflussen wird. Und nebenbei arbeiten die Modelleure, die gut 60 Grad heißes Industrie-Plastilin in drei bis vier Zentimeter Dicke auf Schaumstoffformen auftragen, um es erkalten zu lassen und dann mit der Feinarbeit des Modellierens beginnen zu können. Dabei beachten sie die Design-Philosophie ihres Chefs:  „Deutsche Präzision mit feiner Skulptur. Ich rede dabei nicht von Design-Language, sondern von Design-Philosophie,“ sagt Adams. „Eine Design-Sprache ändert sich alle fünf bis sechs Jahre, die Philosophie dagegen bleibt: Sie wird nur  immer wieder verschieden interpretiert.“

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Text und Fotos: Roland Löwisch