Porsche 911 RS 2.7 Coupé – Ein Bürzel für die Ewigkeit

Porsche 911 RS 2.7 Coupé

Mit dem Porsche 911 Carrera RS 2.7 Coupé begann vor über 40 Jahren der Trend zu aerodynamischen Hilfsmitteln bei Straßenautos. Aber nicht nur deshalb ist der Sportwagen heute Kult. Mit einem Exemplar des Porsche-Museums machten wir uns auf die Suche nach mehr Indizien

4,5 ist die Zauberzahl. 4,5 km/h Endgeschwindig­keit mehr. Nicht viel, nach heutigen Maßstäben. Aber viel in der Entwicklung der Autos.

Wir schreiben das Jahr 1972, und weiß der Geier, warum irgendjemand bei Porsche auf die Idee kam, dem neuen Paradepferd zunächst optisch fragwürdige Plastik-Bürzel und -Spoiler anzubauen – da muss wohl jemand über umströmende Luft nachgedacht haben. Im Fokus der Ingenieure war eigentlich nur eine noch leistungsfähigere 911-Version für GT-Rennen, wie die Hauszeitschrift „Christophorus“ im Herbst 1972 wusste. Und der Wagen wurde Kult.

Natürlich sprechen wir hier vom Porsche 911 RS, heute „Entenbürzel-Porsche“ genannt. Das mit 245 km/h schnellste deutsche Auto seiner Zeit. Das erste serienmäßige Straßenauto mit Spoilern. Das erste serienmäßige Straßenauto, das hinten breitere Reifen als vorne erhielt. Der erste Porsche, der den Beinamen „Carrera“ tragen durfte. Und dem eigentlich kein kommerzieller Erfolg zugetraut, sondern der nur als sportliche Notwendigkeit auf Straßen zugelassene  Räder gestellt wurde.

Porsche 911 RS 2.7 Coupé

Da gehört er hin: RS am Start- und Zielhaus der alten Solitude-Rennstrecke

Da gehört er hin: RS am Start- und Zielhaus der alten Solitude-Rennstrecke

Denn die ersten 500 Carrera RS 2.7 Coupé baute Porsche nur deshalb, weil sie als Homologationsmodelle für den Rennsport dienen mussten. Mit einem Verkaufsrenner rechneten die Macher nicht wirklich – bei nur 20 PS mehr, als es der 911 2.4 S aufweisen konnte; dazu magerer ausgestattet, aus Dünnblech und Dünnglas gebaut, mit Dämmung und Komfortfeatures geizend und dann auch noch teurer als alle anderen…

Also muss ja auch noch etwas anderes am RS dran sein. Das lässt sich aber nur erleben – deshalb bitten wir das Porsche-Museum um einen Tag in der Nummer 1548. Die gelbe Leihgabe (immerhin 296 hellgelb lackierte Einheiten konnte Porsche verkaufen, die meisten der insgesamt 1.589 gebauten Exemplare waren allerdings weiß) besitzt das Porsche-Museum erst seit 2011. Es ist ein Touring, im Gegensatz zu den weiteren Varianten Sport und RSR – letzterer war ein fast lupenreines Gruppe-4-Renngerät und dementsprechend auch gleich 25.000 Mark teurer. Im Jahre 2000 wurde unser Test-RS schon einmal bei Porsche restauriert, aber alles ganz klassisch – nie verändert, immer nur mit Porsche-Originalteilen versorgt. Und auch vom Erstbesitzer wurde das Auto so pur wie möglich belassen: Er verzichtete auf Klimaanlage, Schiebedach, elektrische Fensterheber, sogar auf ein Radio. Nur die Sportsitze und die Nebellampe sind Optionen.

Dezenter Hinweis auf den Hubraum

Dezenter Hinweis auf den Hubraum

Ein Grund für feuchte Hände

Ein Grund für feuchte Hände

Die Produktionshistorie des RS ist so interessant wie wechselvoll. Die ersten 500 Touring- und Sport-Modelle liefen zunächst identisch vom Band, damit das Homologationsgewicht niedrig blieb. Dann wurden sie einzeln gewogen und mussten wegen des Bürzels einzeln abgenommen werden. Schließlich wurden sie zurück ins Werk gebracht und je nach Touring- oder Sport-Bestellung spezifiziert: Der Touring bekam durch Optionen etwas mehr Gewicht, der Sport hielt sein Gewicht, bekam aber größere Räder – getreu dem Motto: „Mehr Leistung durch mehr Hubraum minus Gewicht“. Die ersten Exemplare wogen tatsächlich nur 900 Kilo. Erst bei den beiden späteren Serien wurden die Individualisierungen vor der technische Abnahme eingebaut, die Wagen gerieten dementsprechend schwerer.

Porsche ganz klassisch: fünf Rundinstrumente

Porsche ganz klassisch: fünf Rundinstrumente

Egal, welche Perspektive - der RS macht immer eine gute Figur

Egal, welche Perspektive – der RS macht immer eine gute Figur

Am 5. Oktober 1972 konnte die Öffentlichkeit erstmals das neue Porsche Modell anfassen – auf dem Pariser Salon. Die Leistungsdaten waren schon vorher bekannt und machten den Fans seit langem den Mund wässrig. Solange der RS gebaut wurde, verbesserten die Ingenieure ihn. Noch am letzten Fertigungstag änderte das Produktteam die Anschläge der Türen.

Es wäre gelogen, würden wir behaupten, wir hätten keine feuchten Hände gehabt, als uns das Porsche-Museum den Wagen gecheckt, getankt und gewaschen auf den Porsche-Platz 1 in Stuttgart stellte.  Wohl nicht wegen der 210 PS, die damals so solvente wie gestandene Männer zu sabbernden und kratzenden Habenwollen-Männchen mutieren ließen – eher weil der 911 RS heute bei allen Kennern als der Porsche 911 überhaupt gilt. Und weil man ein Viertelmillion Euro teures Konglomerat aus Blech und Plastik gerne auch wieder heil abstellt.

Dezent, aber vorhanden: Spoilerlippe vorne

Dezent, aber vorhanden: Spoilerlippe vorne

Der Außenspiegel steht satt im Wind

Der Außenspiegel steht satt im Wind

Hinweg mit den düsteren Gedanken, Autos müssen nun mal gefahren werden. Der Motor startet mit tiefem Röhren und Spotzen, und wer nicht weiß, was „Spotzen“ ist, sollte sich einfach mal neben einen RS beim Motorstart stellen.

Das vierspeichige Lenkrad wirkt dünn und nah dran an den fünf einzelnen Instrumenten. Der erste Gang lässt sich gut einlegen, den zweiten und dritten müssen wir kurzzeitig suchen. Ab geht es auf die Reste der Solitude-Rennstrecke – im Stuttgarter Raum existiert wohl kein Ort, der besser geeignet ist für ein paar schnelle Fotos mit dem Boliden.

Der beliebteste Aero-Bürzel in der Autowelt: Ist er echt, macht er den Wagen nahezu unbezahlbar

Der beliebteste Aero-Bürzel in der Autowelt: Ist er echt, macht er den Wagen nahezu unbezahlbar

Hier auf der L 1187, die hier auch „Mahdentalstraße“  heißt, wo noch das alte Start- und Zielhaus der Solitude-Rennstrecke steht, lassen wir den Porsche fliegen. Der luftgekühlte Boxer hämmert hinten sein Lied von Kraft und Überlegenheit, als lägen keine 40 Jahre zwischen seinem ersten metallischen Ton und der Neuzeit. Und das, obwohl der Motor in der zehnten Saison seines Lebens auf 2.687 ccm aufgebohrt wurde. Die Bohrung maß jetzt 90 statt 84,5 Millimeter, was aufgrund der Nickel-Siliziumkarbid-Beschichtung der Zylinderwände möglich war. Und weil unser Leih-Schatz ein später Wagen der letzten Serie ist, besitzt er einen Aluminium-Boxer statt einen aus Magnesium. Die waren standfester und konnten für Rennen bis auf drei Liter aufgebohrt werden.

Porsche 911 RS 2.7 Coupé

Ansonsten – bis auf eine leicht verstärkte Kupplung – gleicht das Power-Pack dem des Porsche 911 S. Dass der 2.7-Liter-Boxer an die 20 Liter Sprit auf 100 Kilometer verbrauchte, fiel übrigens erst kurz nach Produktionsende im Juli 1973 nachteilig auf – ab Oktober schockte die erste Ölkrise die bis dato sorglose (Auto fahrende) Menschheit.

Nein, damit hat der 911 RS wahrlich nichts am Zylinder – solange man seine 13 Liter Motoröl verantwortungsvoll warm fährt. Und dann kommt uns der leichte, schlanke und pure 911er so vor, als stelle er wesentlich mehr Kraft zur Verfügung. Keine Servohilfen verwässern die Fahrt, keine Elektronik beschönigt Straßenfehler und fahrerische Unaufmerksamkeiten. Aber je länger wir in den leichten Sitzschalen hocken, umso mehr Vertrauen baut sich auf – gegenseitig. Und uns entgehen nicht die lustvoll-neidisch-bewundernden Blicke von anderen Porsche-Fahrern, die normalerweise stolz in ihren aktuellen Modellen sitzen, aber jetzt gerade von einem Spontantausch träumen.

Porsche 911 RS 2.7 Coupé

Porsche 911 RS 2.7 Coupé

Die Schaltung flutscht nicht so, wie man das bei modernen Porsche gewohnt ist, aber solange der Weg das Ziel und der Kupplungsfuß nicht nervös ist, lässt sich jeder falsche Weg korrigieren. Und überall, wo wir zum Fotografieren anhalten, findet sich jemand, der  irgendwie mit dem RS schon mal zu tun hatte. Und sei es nur geistig, wie der Motorradfahrer an der L 1187, der erzählt, wie oft er sich schon überlegt hat, so ein Auto zu kaufen, oder der Kellner in Berneck, der sich schon als Kind in den Bürzelboxer verliebt hat und das entsprechende Modellauto noch heute besitzt.

Ab 1973 übrigens gab es den kleidsamen Heckdeckel des RS für jeden normalen 911er-Fahrer im Zubehörprogramm, und alle zu kurz gekommenen oder Möchtegern-RS-Fans besorgten sich den Bürzel für die Ewigkeit…

Porsche 911 RS 2.7 Coupé

Informationen Porsche-Museum

Porsche-Platz 1
70435 Stuttgart-Zuffenhausen
www.porsche.com/museum

Porsche 911 RS 2.7 Coupé
Motor: Sechszylinder-Boxer
Hubraum: 2.687 ccm
Leistung: 210 PS bei 6.300/min
Drehmoment: 225 Nm bei 5.100/min
Getriebe: Fünfgang-Schalter
Radstand: 2.271 mm
Länge/Breite/Höhe: 4.147/1.652/1.320 mm
Gewicht: 1.075 kg
Höchstgeschwindigkeit: 245 km/h
Sprint 0-100 km/h: 6,3 s
Preis 1973: 34.000,- Mark

Foto: Roland Löwisch