Willys Americar Coupé 1941 – Quartermiles only

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Was da aus einem einst preiswerten Vorkriegs-Coupé gebaut wurde, lässt sich nur schwer in Worte kleiden: Ein Willys Americar mit Kraft, von der Motorräder träumen können. Allerdings nur für den Drag-Strip

Ein Auto hat normalerweise vier Räder, einen Motor, frisst
Benzin, Diesel oder Strom, hat Platz für mehr als einen Menschen und schleppt auch noch Gepäck. Ja, für die meisten Kraftfahrzeuge auf dem Planeten passen diese groben Muster, und auch beim 1941er Willys Coupé kommt vieles hin. Bei diesem hier allerdings nicht. Dies ist ein Drag-Racer. Keine Straßenzulassung, dafür die perfekte Waffe für die Viertelmeile. Definitiv.
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Patrick Schäfer, 45-jähriger Lackierer in Rodenberg süd-westlich von Hannover, mochte schon immer Autos. Aber nie so, wie sie vom Band kamen – also mögen die Freunde detailgetreuer Originalität jetzt entweder Milde walten lassen oder sechs Seiten weiter blättern. Die Passion lag schon in der Wiege, sein Vater ist Kfz-Elektriker, sein Bruder Kfz-Meister – „Family Business“ eben. Das Benzin im Blut wurde kurz nach dem 18. Geburtstag endgültig gezündet, als Schäfer zusammen mit Klaus Roman zu Dragsterrennen zog und dort seine helfenden Hände an die Beschleunigungsgeschosse legte. Und es gab es kein Zurück.
Eine 82er Corvette C3 wurde dezent verbreitert und schneller gemacht, die nachfolgende C5 blieb auch nicht original. Dann wurde es ein bisschen brutaler: Der Silverado 3500 Heavy Duty war schon eine echte Ansage, aber Schäfers Herz schlug einen stark beschleunigten Takt für die alten Ford Roadster. Die Vorkriegsmodelle, in der Rodder- und Customszene regelrecht vergöttert. Aber krieg mal so eine Karre, das ist gar nicht so einfach.

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Oben saugt er, unten rotzt er. Nicht jeder Asphalt ist den Walzen gewachsen, da reibt schon mal was ab

Patrick musste erst 37 Jahre alt werden, als ihm bei Roman das Willys Coupé die richtigen Knöpfe drückt. Eigentlich will der Rennfahrer das Ding selbst aufbauen – aber wie das im Leben so ist, kommen andere Aufgaben dazwischen. Es existiert nur ein Chromoly-Chassis und eine Karosse, es gibt keine Achsen – aber das Auto könnte Schäfer gefallen. Und die Form sieht ja auch ungefähr aus wie beim Ford. Also schlägt Schäfer mit einem Bündel Geldscheine zu und nagelt sich damit für mehrere Jahre ein Projekt besonderer Güte ans Bein. Der Willys wird vom 30 
Kilometer entfernten Garbsen nach Rodenberg getrailert, dann geht der Wahnsinn los.

Dem originalen Auto sieht man auf den ersten Blick gar nicht an, wozu es heute in den Händen der Schrauber aus der Szene fähig ist. Willys-Overland Motors in Toledo/Ohio hatte mit dem Grundmodell Willys 77 vor allem ein klassisches, konventionelles Automobil auf ein Chassis gestellt, mit einem längs eingebauten, sehr sparsamen 2,4-Liter-Vierzylinder und einem Preis unter 500 US-Dollar, was ihn zum billigsten Wagen auf dem amerikanischen Markt machte. Als Joe Frazer ab 1938 das konkursgebeutelte Unternehmen aufmischte, wurden die Formen der Karossen runder, gefälliger und ein bisschen „fordiger“. Vielleicht gefällt Schäfer das Coupé deshalb so gut?

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Zunächst kam der neue Willys 38 mit raketenähnlichem Kühleremblem in Standard- und Luxusausführung, der Willys 48 aus dem Modelljahr 1939 wurde als „DeLuxe“ und zweitüriger „Speedway“ angeboten. 1940 kam auch ein Kombi dazu. Die Kunden zogen gut mit – als „Americar“ verkaufte sich der preiswerte 1941er Willys mehr als 22.000 Mal. Mit dem 
Kriegsbeitritt der USA 1942 stagnierte staatsübergreifend die gesamte zivile Fahrzeugproduktion zugunsten der Militärmaschinerie. Willys hatte Glück und lieferte den neuen „Jeep“ für die Army, was das Überleben der Marke sicherte – an eine Karriere als Dragsterhersteller dachte man damals allerdings als letztes.

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Alles im Blick und Griff. Und fast alles in Eigenregie selbst gebaut –  Schäfer war da ziemlich kompromisslos Klare matte Formen: Der Willys ist keine „Ratte“, er ist handwerklich perfekt komponiert

Da der originale Vierzylinder des 
Willys auf dem Dragstrip höchstens als Hilfsmotor für den Kühlventilator taugt, fand ein ungleich größerer V8 vorn unter der Haube von Schäfers Schätzchen Platz: ein Chevy-Merlin-Rennblock mit 9,2 Litern Hubraum, komplett überarbeitet und auf den Getriebestrang abgestimmt. Falls der Hubraum allein noch keine Schnappatmung auslöst – das Aggregat leistet nun rund 800 PS, die sich mit Lachgas-Einspritzung kurzfristig auf 1.100 PS strecken lassen. Eine Menge Kraft für ein 70 Jahre altes, kleines Auto. Rahmen, Federbeine und Bremsen wurden in ihren Dimensionen entsprechend angepasst und die gesamte Karosse inklusive des Unterbodens neu lackiert. Die Dimensionen der Reifen lesen sich wie Schreibfehler: Vorne drehen 5,5 Zoll 175/70/15 und hinten 15×15 Zoll 33×22.50-15LT Husa (die sind rund 58 Zentimeter breit).

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Quasi alles an dem Wagen ist größer und stabiler und über die Jahre selbstgebaut. Schäfer hat alle Halterungen und Leitungen sowie den Autometer-Instrumententräger und die Pedale aus Alu gefräst und entweder poliert oder verchromt. Der brachiale Edelstahl-Auspuff ist in 3D-Konturfräsung gebaut worden und hat Elek-troklappen, mit denen man die Abgase für die Show nach vorn umleiten kann – brutal. Seit 2011 ist das Geschoss fertig, aber die Geschichten haben damit eigentlich erst angefangen.
Der allererste öffentliche Test und Start in Hockenheim hat Schäfer mit dem Willys direkt in die Gruppe der Top-Qualifier katapultiert. Geil. Das haben die Jungs dann ordentlich gefeiert, und weil man ihn am Abend in zu guter Laune im Fahrerlager angetroffen hat, wurde er für das Rennen disqualifiziert. Na super – das ging ja gut los. Aber der Willys geht ab wie Sau. Eine schöne Erkenntnis.
Noch vor Ort wurden Schäfer für den Wagen aus dem Stand heraus 60.000 Euro geboten. Das hörte ein Amerikaner am Nachbarstand und erhöhte auf 75.000 Euro. Nun, Patrick Schäfer hat den Willys noch immer, das zeigt schon ein bisschen die Einstellung hinter der vielen Arbeit. Man kann eben nicht alles kaufen.

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Safety first. Wenn nach zehn Sekunden mehr als 200 Sachen drauf sind, muss alles einwandfrei funktionieren

Im zweiten Anlauf auf dem „Jade Race“ bei Wilhelmshaven beschleunigten Patrick und seine Kiste sich wieder im ersten Lauf souverän in die Liga der Top-Qualifier. Im Rennen in der Street-Eliminator-Klasse für prinzipiell straßentaugliche Fahrzeuge erreichte er aber nur den zweiten Platz. Weil er am Ende zu schnell war, gab das Punktabzug (diese Regeln verstehen wohl nur hart gesottene Insider…). In Hildesheim lockerte sich durch Vibrationen ein Federbein, und der aufschaukelnde Willys wäre fast abgeflogen. Schäfer konnte ihn aber einfangen.

Die Krönung erlebte das Team im vergangenen Jahr ebenfalls auf dem „Jade Race“. Wieder in der Top-Quali, na klar. Aber ein hart arbeitender, selbständiger Lackierer baut nach einer langen Arbeitswoche am Wochenende schon mal ein bisschen ab. Und weil die Atmosphäre so angenehm benzingetränkt war, nickte er am Steuer nicht nur weg, sondern schlief tief ein zwischen brüllenden Auspuffrohren und brennendem Gummi. So tief, dass er seinen Renneinsatz stumpf 
verpennte. Aber so ist das dann eben.
Dieses Jahr will Patrick Schäfer es aber ausgeschlafen und nüchtern noch einmal wissen. Auf dem „Jade Race“ im Juli wird er mit dem extra angefertigten Renntrailer und dem Willys darauf auftauchen, gezogen wird das ganze von einem Wohnmobil im amerikanischen Diner-Look. The Show must go on.
Es ist der Kick. Es ist das Adrenalin, wenn er nach vorn schießt und kurz darauf rund 200 km/h drauf hat. Das entschädigt am Wochenende für die ganze harte Arbeitswoche, das ist der Ausgleich zum Job. Das ist unbezahlbar.

Patrick hat übrigens neben dem Willys noch ein neues Projekt am Start, einen 55er Chevy Bel Air, der als Straßendragster umgebaut werden soll. Wenn er erstmal Blut geleckt hat, kann er nicht mehr aufhören. Und es geht ja immer noch ein paar Zehntel schneller…

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TECHNISCHE DATEN
Willys Americar Coupé
Baujahr: 1941
Motor: V8
Hubraum: 9.200 cm3 (560 cui)
Leistung: 588 kW (800 PS) + NOS 300 PS
Max. Drehmoment: ca 1.000 Nm
Getriebe: 400 Automat + Handvorwahl
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4.318/k.A./k.A. mm
Gewicht: 1.320 Kilo
Viertelmeile: 10,0 s
Top-Speed: 210 km/h
Preis 2014: ca 75.000 Euro

Text: Jenz Tanz
Fotos: Kris Karathomas – kick ‚n‘ rush Film Produktion