SWINGING SIXTIES: 1969er MGC Roadster vs 1966er Corvette C2 Sting Ray

Der Zeitgeist der 60er ist schwer zu fassen. Kultur, Politik, Mode – alles stand Kopf, in England, in Deutschland, überall. Was aus dieser Zeit überlebt hat, ist auf alle Fälle eines: unverwechselbar. Wir checken, was ein britischer Exzentriker der uramerikanischen 60er-Ikone entgegenzusetzen hat

Nicht nur die alten 68er haben es in sich, das gesamte Jahrzehnt ist voll mit Umbrüchen, Aufbrüchen, Neuordnungen und neuem Denken. Studentenbewegung, Kubakrise, Friedensbewegung, Mauerbau, schrille Muster, Miniröcke – den verstaubten Ansichten des Establishments ging es gehörig ans Leder. Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht nicht mehr ganz so verwunderlich, dass die Queen 1969 ihrem Sohn zum 21. Geburtstag keinen Rolls, Range oder Rover schenkte, sondern einen MGC GT. „Shocking.“ Auch wenn man Königin Elizabeth bei aller Wertschätzung kaum unterstellen mag, dass sie jemals Testberichte über Autos gelesen hat: Mit dem kleinen Sportwagen für Charles traf sie ins Schwarze. Zumindest bei den Kritikern.

Kaum jemand hatte einen MGC GT auf dem Zettel – träger Motor, überfordertes Fahrwerk, chronisches Untersteuern, steifes Handling und viel zu wenig Temperament. Mit dem langhubigen Reihensechser unter der aufgeblähten Motorhaube, der mit dem Triebwerk verwandt ist, das bereits im Austin-Healey 3000 MK III arbeitete, sei kein Blumentopf zu gewinnen, so die vernichtende Kritik für die Macher aus Abingdon.

Dass es noch heute gerade für den MGC weltweit eine eingeschworene Fangemeinde gibt, zeigt, dass nicht alle dieser Meinung waren. Verglichen mit seinen Zeitgenossen ist der MGC mit seiner leichten, selbsttragenden Karosserie sehr modern, auch was den Fahrkomfort betrifft. Der Buchstabensalat bedarf einiger Erklärung: Der MGB war ein Roadster von MG, „Morris Garages“, den die MG-Division von BMC, der British Motor Corporation, 1962 als Nachfolger des MGA herausbrachte. BMC steht für eine Menge britischer Traditionsmarken: Austin, Morris, MG, Austin-Healey, Vanden Plas, Riley, Wolseley und natürlich Mini. Der MGB hatte einen Vierzylinder-Reihenmotor, der von ihm abgeleitete MGC einen Sechszylinder-Reihenmotor, in den 70ern gabs noch einen MGB GT V8. Insgesamt wurden vom MGB, MGC und MGB GT V8 in 18 Jahren 523.836 Exemplare hergestellt. Die Optik wurde nur sehr dezent modifiziert, über die gesamte Bauzeit war der 1,8-l-Vierzylinder-Langhuber der BMC-B-Serie erhältlich. Die von 1967 bis 1969 als „MGC“ genau 9.002-mal produzierten Sechszylindermodelle mit 2,9 Litern, 147 PS und deutlich selbstbewussterem Auftritt sind eine echte Rarität.

Und heute, knapp 50 Jahre nach der Einführung des „C“, fällt es leicht, diesem mit großer Begeisterung zu begegnen. Zumal es sich beim unserem Fotomodell um eine perfekt restaurierte Beauty handelt. Der kleine Rechtslenker schiebt mit 230 Nm mächtig nach vorne, die vier Gänge schalten locker durch und erst bei 193 km/h ist Schluss. Nix mit bockigem Handling, überfordertem Fahrwerk oder zu wenig Temperament, die Hauptgründe für die einst schlechte Bewertung sind heute durch bessere Reifen und kleine Veränderungen am Fahrwerk kein Thema mehr. Der Kleine geht ab wie Schmitz´ Katze und macht richtig Spaß. Untersteuern? „So what.“ Wers kann, der kanns, wer auf alpinen Pässen Spaß haben will, sollte sich vielleicht keinen MGC zulegen, dafür ist der Kraftaufwand am Lenkrad doch zu heftig. Den Gasstoß beim Runterschalten beantwortet der C mit typischem Röhren, Fahrtwind braust über die Frontscheibe direkt in die Frisur, die Sonne glitzert in der langen Buckelhaube. Nach etlichen Spielchen mit der Vette ist der anfängliche Verdruss, im nichtssagenderen der beiden Cabrios zu sitzen, verraucht. Mag die Vette auch mehr Sex-Appeal haben: Der C bewegt sich in der gleichen Liga, bietet dem American Dream tapfer Paroli und mutiert binnen Minuten zum Darling. Der 69er C-Roadster hat übrigens eine illustre Geschichte: Als ziviles Polizeifahrzeug stand er einst in Diensten der britischen Metropolitan Police und brachte Verkehrs- und sonstige Sünder in Greater London zur Strecke. Die pfiffigen Bobbies setzten nicht umsonst auf den unauffälligen, spurtstarken Sportwagen: Würden Sie darin die grüne Minna erkennen? Eben

Kurz bevor der seltene Engländer endgültig zum Favoriten wird, wirft die knallgelbe Vette nochmal ihr Potenzial in den Ring. Und dann ist alles wie immer. Du näherst dich den schwellenden Formen. Du wirst eins mit dem Cockpit. Du hast dieses unbeschreibliche Kribbeln, wenn der V8 zum Leben erwacht: Der alte Rochen hat auch mit 51 Jahren auf dem Buckel nichts von seinem Biss verloren. Die Corvette, die Antwort auf die boomenden europäischen Sportwagen der Sechziger, lebt noch immer und ist heute – in ihrer siebten Generation mit mittlerweile 647 PS – ein Urmeter amerikanischen Sportwagenbaus. Die C2 Sting Ray von 1966 ist ein Hingucker, ein Head-Turner, eine Adrenalinpumpe erster Güte.

 

Der weitgehend unangetastete Vertreter der zweiten Vette-Generation ist in einem hervorragenden Zustand. Kein Rost, kein Gammel, vier gefügige Gänge, um die volle Wucht des 5,7-Liter-V8 zu beherrschen: An dieser Beauty hätten auch die Reichen und Schönen der hippielastigen Sechziger ihre Freude gehabt. Das dynamische Frontmotor-Design, ein Drehmoment wie ein Frachtkahn, ein dumpf bollerndes Herz und das Interieur in cleanem Schwarz garantieren dem sexy Cabrio den ganz großen Auftritt, egal, wo es auftaucht.

Der Sting Ray ist nicht mehr so kurvig wie die C1, er zeigt eine klare Keilform, Klappscheinwerfer und der seitliche Karosserieknick auf Höhe der Radhäuser betonen die flache Kontur. Wenn man so will – die C1 ist die sexy Lady, die C2 der maskuline Macho mit allerhand kernigen Attributen. Der über die Motorhaube verlaufende Mittelsteg wurde verbreitert, aus drei Lüftungsschlitzen an den vorderen Kotflügeln wurden fünf.

Die C2 ist die erste Corvette ohne starre Hinterachse; hinten kommt eine Einzelradaufhängung zum Einsatz. Auch das Cockpit geizt nicht mit Reizen, die Karosserie schmiegt sich um die Schultern, durchkomponierte Instrumententräger, ein griffiges rotes Lenkrad und der knackig-kurze Schalthebel mit Kugelknauf sind typisch für die amerikanische Roadster-Architektur.

Die C2 beschleunigt gewaltig, der V8 agiert ungeheuer elastisch und bringt fast ab Standgas spürbaren Wumms. Der bassige Ami-Sound, der aus den beiden Auspuffrohren brüllt, sträubt die Nackenhaare, das Konzert ist mit dem Gasfuß beliebig zu beeinflussen und wirkt nie aufdringlich. Kenner genießen den Kraftaufwand für die reichlich maskuline Lenkung, die beim Reißen und Zerren den ganzen Mann fordert. Einmal in Fahrt, schwelgt man in souveräner Lässigkeit, spürt die Power in allen Poren und sonnt sich unter den den schwärmenden Blicken beeindruckter Passanten.

So lässt sich die Frage, ob dem britischen Urgestein oder dem amerikanischen Lifestyle der Vorzug zu geben ist, ganz einfach beantworten: beiden. Die Sonne putzen lässt sich mit britischem Understatement genau so gut wie mit lautem Amistyle. Die beiden im Doppelpack – besser gehts nicht. Und das Beste, wie immer zum Schluss: Beide sind käuflich.

Vielen Dank an Coast Classics für die Bereitstellung der Fahrzeuge.

www.coast-classics.com

Autor: Marco Wendlandt- Fotos: Nico Meiringer
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