Black Beauty: Lamborghini Countach LP 400 S von Fritz Lay

375 Pferdchen unter der Haube und die schwarze Seele nach außen getragen – dieser Lamborghini Countach LP 400 S ist ein so wunderbares wie böööööses Tier. Vor allem, wenn statt des serienmäßigen Vierliters der 4,8-Liter-V12 des Nachfolgers unter der Haube steckt

Wenn Fritz Lay den Motor startet, bebt Barmstedt. Zum Glück kennt man sich hier in dem Schleswig-Holsteinischen Nest – und die kleine Supercarsammlung des Gastronoms. Aber die Einwohner schauen trotzdem alle, wenn er mal wieder einen Ausflug macht. Besonders, wenn er mit seinem tiefschwarzen Lamborghini Countach 400 S das Grundstück verlässt. Spotzelnd, rasselnd – oder wie beschreibt man das, wenn sechs Weber-Doppelvergaser zwölf mächtige Zylinder mit Hochoktanigem nachdrücklich zwangsversorgen?

„Schon immer wollte ich einen Lamborghini Countach haben,“ erinnert sich Lay, aber die erste Begegnung war enttäuschend: Er kaufte sich vor vielen Jahren einen aus der ersten Serie. Sehr rau, recht schmal – „der entsprach dann doch nicht meinen Vorstellungen.“ 1998 hatte er die Chance, einen tiefschwarzen Wagen der zweiten Serie zu erstehen. Der unterscheidet sich vom Ur-Stier eigentlich nur in seitlichen Anbauteilen, einem Frontspoiler, Fünflochfelgen und einem geänderten Fahrwerk. Lay war happy und entschied sich, Black Beauty zu behalten. Zumal das Auto, Baujahr 1979, vom Werk nach zwei Jahren vom serienmäßigen Vierliter-Zwölfzylinder befreit wurde und der 4,8-Liter-Zwölfer des Nachfolgers eingesetzt wurde. Die Kraft ist mit 375 PS ist die gleiche, der größere Hubraum war den schärferen Abgasgesetzen in den USA geschuldet. Ein besonderes Kaufargument: Das Auto besitzt die seltene Lamborghini-eigene Hifi-Anlage. Unterm Dach hängt das Bedienteil mit dem Kassetteneinschub (Lay: „Herrlich spacig…“), links und rechts neben den Flügeltüren wurden die Lautsprecher reingepresst – das Metallgehäuse, in denen die Speaker stecken, wirken handgebogen und roh beschnitten, als hätte sich hier ein ungeduldiger Lehrling daran versucht und nicht ein Supercarhersteller.

Überhaupt: Die Formen des Countach (sprich: Kuhntahsch – aus dem Piemontesischen, steht ungefähr für „wow“, was wiederum mit „fantastisch“ oder „unübertroffen“ übersetzt werden könnte) sind bemerkenswert, wohin man auch schaut – von wie zufällig über kubistisch bis sensationell. Die Grundform stammt von Marcello Gandini, damals Designer bei Nuccio Bertone. Er schuf eine ultramoderne, spektakuläre und aggressive Form.  Und er nutzte zwangsweise jede Möglichkeit, den Fahrtwind zur Motorkühlung zu verwenden. Das gesamte Heck ab Ende der Fahrgastzelle scheint aus Öffnungen mit Lamellen zu bestehen, damit der riesige Mittelmotor atmen kann. Selbst an den Fahrzeugseiten sind zwei große Lufteinlässe, die gleichzeitig noch die Türschlösser mit Druck-Knopf beinhalten sowie – ganz weit hinten im Inneren – auf jeder Seite einen Tanköffnung mit Deckel für die beiden Kraftstofftanks.

Die vielen Lufteinlässe aber sorgten schon damals für einen miserablen Luftwiderstandsbeiwert von 0,42 – Rennfahrer Bob Wallace sprach einst von einer „Aerodynamik wie ein Scheunentor“.  Und auch die Insassen hatten nicht viel von der Motorkühlung – im Gegenteil: Sonne, Motor und Getriebe heizen noch heute mächtig ein. Da helfen auch nicht die per Fensterkurbel zu öffnenden Seitenscheiben, denn die kann man wegen der krassen Karosserieform nur einen kleinen Spalt weit öffnen.

Sind die „Bananensitze“ noch recht bequem, ist es das Einsteigen nicht. So schön auch die Flügeltüren in den Himmel ragen, so sehr muss man sich noch immer untern drunter durchschlängeln, um sich zu setzen. Der Rest ist Schweigen, denn der Sound des Motors lässt schon bei wenigen Drehzahlen keine normalen Gespräche zu. Der Beifahrer kann sich nur noch mit den Füßen auf einer massiven Metallstange abstützen und die so lautstarke wie heftige Beschleunigung genießen.

Dennoch ist Fritz Lay mit seinem Exemplar ein bisschen gereist – zumindest bis Süddeutschland. Eigentlich das Pilotieren des Countach ist gar nicht so schwer: Die offene Schaltkulisse des Fünfganggetriebes verhindert Fehlschaltungen, das Kupplungspedal wehrt sich nicht so vehement gegen Arbeit wie bei anderen Boliden. Allerding ist das Rangieren ohne Servohilfe auch wegen der fetten Semislicks (305er hinten und 235er vorne, jeweils auf 15-Zoll-Campagnolo-Alus) recht anspruchsvoll. „Das größte Problem aber ist die fehlende Sicht zur Seite und nach hinten,“ sagt Lay, „da bleibt man in der Stadt doch lieber auf der sicheren rechten Fahrbahn…“. Da werden tote Winkel zu toten Flächen, und trotz nur gut vier Metern Länge ist die ganze Konstruktion total unübersichtlich. Und niemand möchte den 600.000-Euro-Keil – eine Schätzung von Lay, denn gehandelt wird diese Serie kaum – in irgendeiner Art und Weise verformen.

Was garantiert süchtig macht, ist der Motor und sein Sound. Dafür war der Ingenieur Paolo Stanzani verantwortlich. Er baute den V12 längs zur Fahrtrichtung ein, deswegen erhielt das Auto die Bezeichnung LP für Longitudinale Posteriore. 1971 wurde der Countach als Rohdiamant erstmals präsentiert, und zwar auf der Genfer Salon als LP 500. Erst 1974 begann die Produktion, dann als LP 400 – Der Vierlitermotor statt des geplanten Fünfliters war eine Folge von ewiger Geldknappheit der Firma und von vielen kleinen Problemchen, die die Gesamtkonstruktion mit sich brachte.

Das Fahrwerk war zeitgemäß modern: Die Räder sind einzeln aufgehängt, wie sich das zu jener Zeit bei einem Sportwagen der obersten Klasse gehört. 1978 folgte die überarbeitete Version wie das Exemplar von Lay. Bis zum Auftritt von Porsche 959 und Ferrari F40 in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bleibt der Countach mit fast 300 km/h das schnellste Serienauto. Lay ist selbst schon 280 km/h mit seinem Schätzchen gefahren – „aber da fühlt man sich nicht mehr wirklich wohl…“ Eine Autozeitschrift schrieb trotzdem: „Der Countach ist größer als das Leben selbst. Er ist das Testament für den Erfolg des Lamborghini-Konzeptes und des Bertone-Designs. Er ist so etwas wie ein Wunder…“

Der Countach musste am 4. Juli 1990 nach vier Serien und ein paar Sonderlingen Platz für den Diablo machen. Die schwarze Schönheit von Lay muss solch ein Ende nicht fürchten: Nach 22 Jahren im Besitz darf er auch noch weitere Jahre durch Schleswig-Holstein düsen. Solange sein Eigner ein- und aussteigen kann und Spaß daran hat…

Technische Daten Lamborghini Countach LP 400 S (Special)

Baujahr: 1979/1981
Motor: V12
Hubraum: 4754 ccm
Leistung: 275 kW (375 PS) bei 8.000/min
Max. Drehmoment: 410 Nm bei 4.500/min
Getriebe: Fünfgang Handschalter
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4.140/1.890/1.070 mm
Gewicht: 1.365 Kilo
Sprint 0-100 km/h: 6,8 Sek.
Top-Speed: 293 km/h
Preis 1990: 244.500 Mark

Text und Fotos: Roland Löwisch

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