Chevrolet Camaro 1968 vs Chevrolet Camaro 2017

Mit fettem V8 und bulliger Karosserie ist der Chevrolet Camaro ein klassisches Pony mit ziemlich viel Sportsgeist und grundsolidem Wesen. Ein Traum, der auch im Alltag rockt und nicht nur für Schönwettertrips taugt. Ob es der pure 68er oder ein vollgepacktes Anniversary-Modell sein soll, ist Geschmackssache. Die Performance stimmt bei beiden.

Manche Geschichten haben was von Hollywood. Nicht immer glitzernd, aber anrührend. Wie die von Jasmin. Wenn die 27-Jährige mit ihrem 456-PS-Camaro durch Hamburgs Straßen rauscht, reißt es die Köpfe herum und die Mutmaßungen stehen den Passanten quasi ins Gesicht geschrieben. „So ne junge Deern in so ner Machokarre? Die fährt wohl Papas Geld spazieren …“ oder „da hat der  Lover wohl ordentlich was springen lassen …“ Richtig? Nicht richtig. Die letzten zehn Jahre der jungen Frau am Steuer bieten zwar mehr Stoff für die Filmindustrie, als ein Mensch vertragen kann, aber trotzdem möchte man nicht mit ihr tauschen. Um es kurz zu machen: Unfall, endlose Reha, externes Abitur, Fernstudium, Dauerschleife bei den Ärzten. Bis man herausfand, dass die Ursache für das Nicht-Heilenwollen ganz woanders lag, war viel Wasser die Elbe hinunter geflossen. Jasmin kämpfte, baute auf ihren unerschütterlichen Optimismus und schwor sich: Wenn ich hier heil rauskomme, fahre ich mein Traumauto.

Und das war nicht der CLA AMG vor der Tür, sondern ein Camaro in Vollfettstufe mit 6,2-Liter-V8-Muss-ich-haben-Motor und der 50th-Anniversary-Volle-Hütte-  Komplettausstattung. 456 PS, 618 Nm, cooler Sound, keine Kompromisse. Ermutigt durch Eltern und Freunde, die alle der Ansicht waren, das Auto habe sie sich wirklich verdient, begann Jasmin gezielt zu suchen. Die Anniversary-Version musste es sein, da sie auf kein einziges Feature verzichten wollte, was Sicherheit, Komfort und Bedienbarkeit anging. Nach fünf Monaten Suche fand die Hamburgerin ihren Traum vor drei Jahren in Berlin, Vorbesitzer ein braver Finanzbeamter, dem der böse Muscles wohl doch etwas zu heftig war. Ein Monat alt, gerade mal 290 km auf der Uhr: Auf der Heimreise nach Hamburg fuhr Jasmin ihren Camaro erst mal richtig ein. Nach der ersten Fahrt wusste  sie: Alles richtig gemacht. „Der Achtzylinder ist der Hammer“, ist sie geflasht, „die Kraft von frei saugenden 6,2 Liter Hubraum muss man einfach mal erlebt haben. Und die Akustik macht süchtig: Aus dem Drehzahlkeller auf über 6.000 Umdrehungen, das ist schon ein Urzeitmonster. Ich genieße es, wer fragt da schon nach dem Verbrauch?“

Jasmin jedenfalls nicht. Ihre Brötchen verdient sie als freischaffende Künstlerin: Sie entwirft Handtaschen. Jede ein Unikat aus abgedrehten Materialien, in ungewöhnlichen Formen. Die Damen der Hamburger Gesellschaft sind verrückt nach ihren Kreationen, mittlerweile hat Jasmin ein exklusives Atelier und sechs Sattler, die ihre Ideen umsetzen …

Beim Shooting mit Wasfys 68er Camaro RS wird sie fast ein wenig wehmütig: „Wunderschön, gigantisches Auto, gigantischer Sound. Aber trotz allem würde ich nie tauschen. Allein mit der manuellen Schaltung im Stadtverkehr klarzukommen, übersteigt meine Kräfte. Da ist mir die Automatik lieber, ich fahre schließlich jeden Tag und fühle mich mit all den Features meiner 50th Edition besser aufgehoben.“ Das sieht Wasfy Taha, Architekt bei Querkopf Architekten und Eigner des 68ers, ganz anders. Ein Auto der Jetzt-Zeit kommt für den Kreativen nicht in Frage, „die gehen mir auf die Nerven“. Einzige Ausnahme: Ein Smart für die Stadt oder wenn der Klassiker mal kaputt ist. Autoaffin war Wasfy schon immer.  Mit 18 nahm er eine marode Mercedes-Heckflosse auseinander und baute sie neu auf, mit 20 war es ein Motorrad, dann folgten diverse Gastspiele auf der Rennstrecke, bis der erste Ami ins Haus kam, ein 67er Camaro, allerdings kein RS, den er eigentlich wollte.

Vor zwei Jahren schlug Wasfys Stunde, der 396 Rally Sport war genau das, was er suchte. Angenehmes Beiwerk: Der 396 war kein 396, sondern ein 454. Ein fetter 7,4-Liter-Bigblock füllt das Motorabteil und verkörpert alles, was Wasfy wollte: Ein cooles Auto abseits vom Mainstream, bloß keine Spießerkarre, die jeder hat. „Ich wollte schon immer das, was alle anderen nicht haben“, so Wasfys kategorischer Imperativ, „schon gar keine Allerwelts-Angeberkiste.“ Er erfreut sich seines Alt-68ers, ist überhaupt nicht auf die Meinung anderer aus, rennt aber überall offene Türen ein. Die Daumen der Passanten gehen nach oben, an der Ampel erntet er beifälliges Nicken, seine Kunden sind begeistert und selbst Radfahrer erweisen dem 52 Jahre alten Camaro ihre Reverenz. „Einer ist mir mal hinterhergejagt“, grinst Wasfy, „nur um mir zu sagen, völlig aus der Puste zu sagen, wie toll er das Auto findet.“
Plüschige Sitzbänke und ausladende, chrombeplankte Flanken sind nicht sein Ding. Tiefe Einzelsitze, sachliche Armaturen und schnörkellose Linien – so soll es sein. Einziges Zugeständnis: Racing Stripes und ein verchromtes Zeichen für den RS – soviel Kult muss sein. Und natürlich der Big Block unter der Haube. Im Stand blubbert der V8 geruhsam vor sich hin, doch das Brüllen beim Kick aufs Gaspedal zeigt: Dieses Pony ist nicht kastriert! Es entfaltet keine Leistung, es lässt sie explodieren. Infernalisch. Animalisch. Saugeil! Wasfy weiß, was er an seinem Klassiker hat. Er schätzt den Luxus, ein solches Geschoss zu besitzen, er genießt jeden Kilometer und verzichtet auch mal, wenn die Spritpreise wieder gen Himmel klettern. Um so unbeschreiblich schöner ist es, wenns wieder losgeht.

Träume von einem anderen Klassiker? „Nö“, meint Wasfy lakonisch, „ich bin zufrieden mit meinem RS, ich bin dankbar, dass ich ihn habe und glücklich, wenn ich die Kohle zum Tanken habe. Mehr brauch ich nicht.“ Jasmins Volle-Hütte-Anniversary? „Nichts für mich“, winkt er ab, „da sitzen oft genug Leute drin, mit denen ich nicht in eine Schublade gesteckt werden möchte.“ Der Mann mit den klaren Prinzipien hat übrigens auch eine Familie, die voll hinter seinem Individualistenhobby steht. Spätesten wenn der 4-jährige Sohnemann stilvoll mit dem Klassiker am Kindergarten eingesammelt wird, kommt Begeisterung auf. „Toll, Papa is mit dem Camaro da!“ kräht er beglückt, und wenn mal wieder alle Welt Vater und Sohn im coolen Kita-Taxi zuwinkt, ist der Kleine zutiefst beeindruckt. „Papa, ist das auch ein Freund von dir?“ Wenn das nicht Grund genug ist, einen Klassiker zu fahren …

Instagram: https://www.instagram.com/jk.hamburg/

Technische Daten

Chevrolet Camaro RS

Baujahr: 1968
Motor: V8
Hubraum: 454 cui/ 7.400 cm3
Leistung: 328 kW/469 PS
Beschleunigung: 0-100 km/h in 4,7 s
Vmax: 250 km/h
Drehmoment: 704 Nm bei 3.700/min
Antrieb: Hinterräder
L/B/H: 4.689/1.842/1.295 mm
Getriebe: 4-Gg. manuell
Gewicht: 1.420 kg
Preis: k.A.

Chevrolet Camaro 50th Anniversary

Baujahr: 12/2017
Motor: V8
Hubraum: 6.162 cm3
Leistung: 333 kW / 453 PS
Beschleunigung: 0-100 km/h in 4,4 s
Vmax: 290 km/h
Drehmoment: 617 Nm
Antrieb: Hinterräder
L/B/H: 4.784 x 1.880 x 1.340 mm
Getriebe: 8-Gg. Aut.
Gewicht: 1.659 kg
Grundpreis 2017: 53.500 EUR

 Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Sven Krieger

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