Dodge Polara

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Details auf den ersten und zweiten Blick. Pfeilspitzen und Embleme fügen sich perfekt in ein Gesamtkunstwerk ein

Der Breitbandtacho geht bis 120 Meilen – das fährt der Kahn sogar annähernd, aber für Straßenrennen wurde er eigentlich nicht konstruiert. Das hatte man damals den Brüdern mit den größeren Motoren überlassen. Während im ungern, aber oft verglichenen Fairlane maximal 4,3 Liter röchelten, gab es für den Dodge auf Wunsch Benzinvernichter hoch bis 6,8 Liter – das reichte, um auch in der werbeträchtigen NASCAR-Serie ganz vorn die Runden mit abzuspulen.

Die originalen 51.000 Meilen auf dem Meilenzähler berichten von kleinen Ausritten in die nächste Stadt, zu den Nachbarn oder abends mal zum Karten oder Scrabble spielen bei Thelma und Molly in Lakewood Hills. Große Reisen hat die alte Dame in den 50 Jahren nicht unternommen. Vielleicht hat sie an milden Sommerabenden noch eine Zigarette geraucht, natürlich mit offenem Fenster, während die Innenbeleuchtung die Szene in gedimmtes, warmes Licht tauchte. Der Aschenbecher ist jedenfalls nicht mehr jungfräulich.

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Das amerikanische Wort „Trunk“ für den Kofferraum weckt hier komische Assoziationen. Es klingt gefühlt mehr nach „Grotte“ oder „Mülleimer“, wenn man ganz blümerant unterwegs ist auch nach dem Milchmischgetränk, was es damals in der großen Pause in Schoko und Banane gab. Aber nicht nach Kofferraum, der sich erst aufschließen lässt, wenn das Typenschild auf dem Deckel beiseite geschoben wird. Liebenswert. Hier im Dodge Polara herrscht nahezu penible Ordnung. Ein 50 Jahre alter Weißwand-Diagonalreifen – der erste noch – und das dazugehörige Werkzeug, sonst nichts.

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Innen auf dem Deckel klebt noch eine originale Gebrauchsanweisung der Utensilien. Es sieht so aus, als sei die niemals nötig gewesen. Trotz des raumökonomisch ungünstig platzierten Reserverades bietet dieser Trunk mehr Platz als der Mehrzweck-Veranstaltungsraum im Vereinsheim der regionalen Schützengilde und ist auch nicht so schlimm vertäfelt. Hier lagerten wohl einst Körbe voller Kartoffeln und Mais vom Markt, vielleicht mal eine Rinderhälfte und was man sonst noch so auf der Farm verdrückte. Als der metallene Deckel sich mit einem satten *klonk* wieder schließt, fällt ausnahmsweise ein leichtes Blubbern auf, was aus dem einzigen kleinen Auspuff unten rechts herauskommt. Ah. 03-dodge-polara-details-07 Man hört ihn also doch, den V8, aber nur wenn man sein Ohr auf den Auspuff legt. Und das tut man im Allgemeinen eher selten.
Die alte Dame gibt es nicht mehr, ihr Vermächtnis rollt aber dezent elegant wie am ersten Tag damals 1964 durch die Ländereien, wenn auch jetzt in Norddeutschland. Martin Thies, der diesen seltenen Wagen aus erster Hand aus den USA importierte, cruist mit uns auf Halbgas durch Felder und schmale Straßen, wie es einst wohl die Lady gemacht hat. Kein Herrenfahrer mit Lederhandschuhen, sondern ein bodenständiger Norddeutscher mit Lederjacke und Benzin im Blut. Der ausgebildete Landwirt kennt sich mit amerikanischen Klassikern bestens aus und schätzt gerade deshalb dieses vergessene Relikt, was unter keinem guten Stern gebaut wurde. Den Polara gab es als Modell noch bis 1974, dann lief er noch vier Jahre lang recht unspektakulär als „Monaco“ weiter und wurde vom erfolglosen St.Regis ersetzt. Fast konsequent.

Die einen werden zu Klassikern, weil oder obwohl sie technische Vollkatastrophen sind, die anderen punkten mit ihren zeitlosen Karossen (meistens aus England oder Italien) und ganz andere erlangen Kult-Status wegen ihrer Knubbeligkeit oder gar ihrer absonderlichen Formen. Der Dodge Polara hat nichts von alledem.

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Er ist in seiner Form unaufgeregt und schlicht, ist technisch ausgereift und leicht zu reparieren und bekommt den „Kult“-Stempel allein deshalb schon nicht, weil ihn fast niemand kennt. Das macht ihn aber zu einem begehrten Objekt für Cruiser weit weg von dem, was die Masse heute fahren will. Und er hat einen riesengroßen Haben-Will-Faktor: Er ist treu. Treuer als so mancher Ehepartner über die Jahre. Er kommt überall mit hin, ohne zu meckern. Er ist bescheiden, und obwohl er ein bisschen raucht und trinkt, wahrt er immer seine Manieren. Er ist die ganz alte Schule.

Vielleicht hat die alte Dame ihm deshalb 50 Jahre lang die Treue erwidert. So lange wird wohl kaum einer von uns jemals mit einem Auto verbunden sein.

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TECHNISCHE DATEN
Dodge Polara
2-Door Hardtop
Baujahr: 1964
Motor: V8
Hubraum: 5.210 cm3 (318 cui)
Leistung: 171 kW (233 PS)
Max. Drehmoment: 461 Nm bei 2.400/min
Getriebe: Dreigang-Automatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 5.329/1.905/1.320 mm
Leergewicht: 1.570 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 8,5 Sek.
Top-Speed: 187 km/h
Preis/Wert: k.A.