Duo Infernale: Mit Walter Röhrl im Porsche 911 Turbo am Hockenheimring

Es sind schon alle Geschichten geschrieben über den höllischen Ur-Turbo? Nicht, wenn Walter Röhrl am Steuer sitzt. Wir nehmen bei der Präsentation der siebten Generation des Porsche 911 Turbo die Gelegenheit wahr, mit ihm den Hockenheimring zu genießen

Es müssen schon viele glückliche Umstände zusammenkommen, wenn man mit dem besten Autofahrer der Welt als Chauffeur in dem meistdiskutiertesten Powercar der Welt über eine Formel-1-Piste düsen darf. Porsche ermöglicht es im Rahmen der Präsentation des neuen 911 Turbo und das Museum hat von jeder Turbo-Generation ein Exemplar mitgebracht. Klar, dass wir Röhrl in den „Witwenmacher“ bitten, wie der Porsche 930 einst genannt wurde aufgrund seiner zumindest in Laienhänden fast schon bösen Fahreigenschaften.

Inzwischen ist das Museumsstück von 1975 wunderbar warm, und Röhrl gibt Gas. Der Rücken drückt gegen die Sitzlehne, aber der gefürchtete Schlag durch Einsetzen des Turboladers bei etwa 4000 Umdrehungen bleibt aus. Wo ist also das so gefürchtete abgrundtiefe Turboloch? „Geht auch ohne,“ sagt Röhrl, „musst eben nicht so viel Gas geben nach der Kurve.“ Wobei „nicht so viel“ bei ihm etwas anderes bedeutet als bei Normalfahrern. 

„Nicht so viel“ war allerdings nicht der Anspruch, als Porsche den Ur-Turbo auf die Räder stellte. Die Geschichte der Typnummer 930 begann eher mit einer Frechheit: Just zu Zeiten der ersten Ölkrise entwickelten die Ingenieure von Porsche ein Auto, das unverschämt schnell, durstig und teuer war – den Turbo. Dabei nutzten sie das leistungssteigernde Patent von Alfred Büchi aus dem Jahr 1905. Der Schweizer erfand die Turbine, die – durch den Strom der Abgase angetrieben – reichlich Frischluft mit Überdruck in die Brennräume schaufelt. Mehr Luft heißt bessere Verbrennung, also mehr Leistung.

Im Oktober 1974 präsentierte Porsche ihr damals jüngstes Sportgerät – mit noch mehr Kraft als beim Carrera 2.7 RS und zu einem weit höheren Preis, nämlich gut 65.000 Mark. Herzstück war ein Dreiliter-Sechszylinder-Boxer, der 260 PS leistete und den Wagen in 6,5 Sekunden sprinten ließ. Ab März 1975 wurde das Modell mit einer breiten Karosserie und einem für diese Zeiten enorm großen Heckspoiler ausgeliefert. Zunächst gab es den Wagen nur als Coupé. 1976 erhielt der „Turbo“, wie er bald schlicht genannt wurde, 16-Zoll-Räder (bislang 15 Zoll) und Servobremsen. Bis 1977 entschieden sich 3227 mutige Käufer für den Turbo.

Mit der „K-Serie“ im Juli 1977 erhielt der Turbo einen 3.3-Liter-Sechszylinder. Mit dem neuen Motor und seinen nun 300 PS verbesserten sich die Fahrleistungen nochmals (Sprint nun in 5,5 Sekunden, Top-Tempo 260 km/h). Im Heckspoiler saß jetzt ein integrierter Ladeluftkühler. Im August 1979 erhielt der Turbo eine Zweirohr-Auspuffanlage zur besseren Geräuschdämmung. Ab Februar 1987 bis 1989 war der 930-Turbo dann endlich erstmals auch als Cabrio und als Targa erhältlich. Dem Fahrer standen allerdings erst im letzten Baujahr fünf statt vier Gänge zur Verfügung. Von 1978 bis 1989 wurden 17.425 Turbos verkauft – ein enormer Erfolg für ein so teures Auto. Zum Schluss kostete er übrigens – als teureres Cabriolet – happige 160.900 Mark.

Seine erste physische Begegnung mit dem Porsche 930 datiert Röhrl auf das Jahr 1978 – damals kaufte er sich ein 3.3-Liter-Modell. „Ich hatte so viel gehört über die problematischen Fahreigenschaften und ich wollte einfach wissen, ob ich mit dem Auto zurechtkomme,“ erinnert er sich. „Es gab vorher kein Auto, vor dem ich Respekt oder Angst hatte – hinterher allerdings auch nicht. Denn dieser etwas störrische Bursche konnte mich auch nicht aus der Ruhe bringen.“ Er testete den Boliden sogar extra bei Regen (was er sonst mit Privatautos nie tut) – „aber ich hatte alles im Griff.“

Im Ur-Turbo ist Röhrl übrigens nie Rennen gefahren – im Nachfolger dagegen schon. Im 964 Turbo 3.6 musste er in Watkins Glen und Atlanta zweimal Hans-Joachim Stuck ersetzen, und durch eine fast schon blockierende Fahrweise (vor allem in der trichterförmigen Einfahrt zum Infield in Atlanta) mit dem unterlegenen Auto sicherte er für Porsche die Markenmeisterschaft.

Sein Lieblings-Turbo aber ist – „abgesehen stets vom neuesten Modell“ – der Typ 993, also die dritte Generation. Das liegt unter anderem daran, dass der erste Allrad-Turbo seinen Serienantrieb Röhrl zu verdanken hat. „Ich hab‘ damals gesagt: ‚Ein Auto mit mehr als 400 PS ohne Allradantrieb? Seid ihr verrückt???‘“ Die Verantwortlichen hörten auf den Rallye-King, und so gab der Turbo seine Kraft an alle vier Räder ab. Was bis heute so ist.

Sorry, wir schweifen ab. Wir sind inzwischen auf der Abkühlungsrunde, und Röhrl hatte sichtlich Spaß im 930. Bei Tempo 100 dirigiert Röhrl den Wagen nur mit dem rechten Daumen, und wir sind positiv erstaunt, wie gut wir uns haben unterhalten können, denn selbst bei Vollgas hat der Boxer nicht die Akustik dominiert.

Walter Röhrl schält sich so elegant, wie er eingestiegen ist, aus dem alten 911, schaut sich nochmal den Motor an und schüttelt den Kopf über die riesige unförmige Klimaanlage im Heck. Dann steigt er in seinen 992-Turbo und fährt nach Hause. Und wir hoffen, ihn spätestens bei der achten Generation wieder zu treffen. Egal, in welchem Turbo wir uns dann von ihm begeistern lassen…

Technische Daten

Porsche 911 Turbo (Typ 930)

Modelljahr: 1975
Motor: Sechszylinder-Boxer, Turbolader
Hubraum: 2.994 ccm
Leistung: 260 PS
Getriebe: Viergang-Handschalter
Antrieb: Hinterräder
Gewicht: 1.195 Kilo
Sprint 0-100 km/h: 5,4 Sek.
Top-Speed: 250 km/h
Preis 1975: 65.800 Mark

Text: Roland Löwisch, Fotos: Porsche, Löwisch

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