Family Affair – 50 Jahre Porsche 914

50 Jahre Porsche 914: Zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen der Mittelmotorsportler nur ein Stiefkind war. 2020 schnappten wir uns zur Feier des Tages ein besonderes Exemplar vom Porsche-Museum – Ferdinand Piëchs Versuchsträger mit Achtzylinder-Boxer

Es wäre vermessen, zu behaupten, dieses spezielle Auto wäre ein Flop gewesen, nur weil es – vor unserer Ausfahrt – gerade mal 2049 gelaufene Kilometer auf dem Tacho anzeigt. Und genauso übermütig wäre es, Ferdinand Piëch nachzusagen, er sei damals mit der Ausführung seines Auftrages nicht zufrieden gewesen. Der lautete ungefähr: Liebe Ingenieure und Mechaniker, pflanzt doch bitte mal den Achtzylinder-Boxer aus dem Porsche 908 in einen 914, passt alles soweit es geht an und macht das Auto zulassungsfähig. Tatsächlich wird ein umgebauter 914 S mit der Fahrgestellnummer 914111 am 10. September 1969 formell als Typ 918 mit dem Kennzeichen S-P 7700 zugelassen.

Typ 918? Fangen wir doch erstmal ein paar Nummern kleiner an – zum Beispiel mit dem 50. Geburtstag der Basis, dem Typ 914 im Jahr 1969. Schon dessen Leben war nicht ganz einfach (siehe Kasten Seite xxx), aber das von Piëchs Achtzylinder erst recht nicht. Und wir nutzen hier vor unserer Ausfahrt mal die Gelegenheit, mit einigen falschen Informationen aufzuräumen, die schon lange durch die 914-Gemeinden und deren Peripherien herumgeistern.

Richtig ist: Es gibt zwei vom Werk umgebaute 914 mit 908-Achtzylindermotor. Einen bekam Ferdinand Piëch, der andere ging an Ferry Porsche. Porsche Exemplar ist etwas komfortabler aufgebaut, sein 908 ist die Vergaserversion. Extra für dieses Auto haben die Verantwortlichen eine Betriebsanleitung erstellt, die auch für die Piëch-Version gilt. Da ist zum Beispiel festgehalten, dass blaue Rauchwolken beim Start durchaus üblich und nicht Besorgnis erregend sind. Piëchs gutes Stück hat eine Einspritzanlage. Falsch ist, dass beide Wagen unterschiedlich stark waren und bis zu 300 PS hatten. Beide sind mit 260 PS gut ausgerüstet, bei Piëchs rotem Auto bestens belegt im Kfz-Brief mit der Nummer 37314086.

Außerdem wird kolportiert, dass Piëch sich nicht mit Produkten von der Stange abgab und deswegen einen ganz besonders 914 für sich präferierte. Das können wir zwar nicht restlos entkräften, aber die Existenz seines 918 sind auch zwei anderen Gründen zu verdanken: Erstens sollten Vic Elfort und Co. bei der Targa Florio 1969 damit möglichst inkognito die Strecke inspizieren können, zweitens war laut altgedienten Porscheanern beim 914 irgendwann eine ganze Modellreihe angedacht, und zwar über 916 bis zum 918.

Wir können es vorwegnehmen: Das mit dem Targa-Florio-Training hat nicht wirklich geklappt. Ob das an der unharmonischen Auslegung lag oder daran, dass das mit dem inkognito nicht funktionierte, wissen wir nicht. Sicher ist: Der 918 war und ist nur auf den ersten Blick einem 914 ähnlich – der eineinhalbte entlarvt eine Menge Änderungen. Die unübliche Motorisierung erkennt man am breiten Lufteinlass vorne mit Ölkühler dahinter und der Serviceklappe hinter dem Targabügel, die doppelt so breit ist wie die bei den braven Brüdern. Die Kotflügel sind ausgestellt, wirken aber längst nicht so aufgepumpt wie die GT-Anbauteile, die Porsche zwölfmal selber in 914 eingebaut hat und danach 300 Mal als Kit verkaufte.

Einzigartig die Blinkergläser vorne – sie sind vier Zentimeter länger als normal und anders geformt. Die Kotflügel sind fest verschweißt und besitzen keine Keder. Das Targadach ist fest verschraubt (beim Porsche-918 verschweißt) und wohl das einzige 914-Targadach, das Regenrinnen trägt. Auffällig neben den großen Alu-Stoßfängern auch die beiden sehr breiten Klappscheinwerferabdeckungen – dort befinden sich je zwei statt normalerweise nur ein Scheinwerfer darunter. Die werden durch Ziehen des Lichtknopfes im Innenraum aktiviert, können aber auch bei offener Frontklappe ausgefahren werden. Dafür wurde damals ein Schubabschalter-Schalter vom F-Modell eingebaut.

Unter dem Blechkleid geht’s weiter: Der 914/8 ist ausgerüstet mit einer kompletten Feuerlöschanlage, die von innen bedient werden kann. Im Bug befindet sich neben dem Falt-Ersatzrad aus dem Porsche 917 eine Domstrebe über recht grob verschweißte Federbeindomen. Sie zieht sich auch über den großen 100-Liter-Tank. Das Fahrwerk wurde verstärkt, Distanzscheiben vergrößern die Spur – vorne auf 1386, hinten auf 1480 Millimeter. Die Scheibenbremsen rundum sind etwas modifiziert: Die 911-S-Bremssättel wurden verbreitet, damit die Belaggröße wachsen kann. Innen ist die Lederabdeckung hinter den Sitzen abbau- und die dahinter liegende Trennwand abschraubbar, falls man von dieser Seite an den Motor gelangen muss, um zum Beispiel den Zündzeitpunkt einzustellen.

Ein eigenes Kapitel schreibt das Fünfganggetriebe, das sich die 918 mit den elf gebauten 916 teilen.  Oder besser gesagt: das Schaltgestänge dafür.  Normalerweise führt das Gestänge direkt nach hinten zum Getriebe. Wegen des Rennmotors vor der Vorderachse mussten die Erbauer das Gestänge aber über zwei Wellen am Motor vorbeiführen – was den Schaltvorgang problematisch machte, sobald nur ein kleines bisschen Spiel auftrat. Und genau das ist auch heute noch das Problem – obwohl das Getriebe überarbeitet wurde.

Womit wir endlich beim Fahren sind. Das Fazit zuerst: Es ist ein brutales Biest, diese Kiste. Sie will hart angefasst werden in fast allem, was man macht. Besonders das Anfahren ist ein Vabanquespiel: Erstmal den Schaltknüppel in die untere Ebene drücken, dann nach links hinten führen und festhalten. Mit Glück ist dann der erste Gang gewählt. Danach probieren, den Druckpunkt des Gaspedals dosieren. Das brettharte Bauteil weigert sich zunächst schlicht, gedrückt zu werden – man hat das Gefühl, das Scharnier des stehenden Pedals könnte mal einen Liter Öl gebrauchen. Doch daran liegt es nicht, sondern an den Schiebereglern, die statt Drosselklappen im Motor arbeiten. Die verändern wegen des Ansaugsoges nur ungern ihre Position. Und wenn doch, ist das Ergebnis ein ungewollt brachialer Gasstoß.

Fährt das Auto endlich, sorgen eben jene Regler für Stottern im unteren Drehzahlbereich (allerdings mag der Rennmotor seine Leistung sowieso erst ab etwa 4000 Umdrehungen zu entfalten) und für wildes Spotzen bei der Gaswegnahme. Zudem scheint man zu spüren, dass der ursprünglich 350 PS starke 908-Dreiliter viel seiner Kraft in Energie vernichtenden Auspufftöpfen verliert. Tatsächlich führt nur ein Endröhrchen ins Freie.

Aber der 918 stürmt nach vorne, wenn erstmal Drehzahl und eine Gerade anliegt. Die Beschleunigung ist ab 4000 Umdrehungen fast erschreckend, und schon bei 5000 brüllt das Competition-Aggregat, als würde es um Platzierungen gehen – einst konnte man 8000 Umdrehungen ausreizen, was wir uns heute verkneifen. By the way: Das im Kfz-Brief angegebene Standgeräusch von 84 dB (A) glauben wir sofort, aber dass der gleiche Wert beim Fahren gelten soll, wagen wir zu bezweifeln – entweder war der Zulasser taub oder ein guter Freund des Hauses…

Und so düsen wir durch die Gegend, versuchen den Stopp oder den Schiebebetrieb zu vermeiden, betrauern das meckernde Differenzial in Kreisverkehren, klammern uns wegen fehlendem Seitenhalt der Sitze an die Innenverkleidung und beneiden nicht Vic Elfort und Co., denen es damals noch nicht mal korrekt registrierten Versuchswagen nicht anders ergangen sein dürfte.

Was 1969 anscheinend überhaupt nichts ausmachte: Im Endklassement belegten die Plätze 1 bis 4 jeweils ein Porsche 908.

Technische Daten

 VW-Porsche 918

Baujahr: 1969
Motor: Achtzylinder-Boxer
Hubraum: 2996 ccm
Leistung: 260 PS bei 7500/min
Max. Drehmoment: k.A.
Getriebe: Fünfgang-Handschalter
Antrieb: Hinterräder
Gewicht: 1150 Kilo
Länge/Breite/Höhe: 3985/1650/1240 mm
Sprint 0-100 km/h: k.A.
Vmax: ca. 250 km/h
Preis/Wert: k.A.

Das leidvolle Leben den Typs 914

Der Porsche 914 hatte es nie leicht ­ – was an den Eltern VW und Porsche lag. Solange der 914 auf dem Markt war, haben ihn die Porsche-Fans nie als echtes Kind „ihres“ Herstellers akzeptiert. Dabei begann die Story erfolgversprechend: Sowohl Porsche als auch VW fanden Ende der 1960er Jahre in Studien heraus, dass ein neuer Sportwagen erst recht Chancen auf dem Markt hätte, würde er den Motor vor der Hinterachse tragen. Da lag eine Entwicklungsgemeinschaft nahe – zumal es sowieso schon einen Vertrag zur Zusammenarbeit gab. Ferry Porsche und VW-Direktor Heinrich Nordhoff einigten sich per Handschlag auf eine Projektverteilung. Als Nordhoff 1968 überraschend verstarb, drohte das Projekt zu kippen. Mit dem neuen Geschäftsführer von VW, Kurt Lotz, erarbeitete Ferry Porsche eine Lösung: Beide Unternehmen gründeten die VW-Porsche Vertriebsgesellschaft. Diese vermarktete das Projekt auf dem europäischen Markt als VW-Porsche. Das Ergebnis: der VW-Porsche 914 – der erste deutsche serienmäßige Mittelmotorsportwagen.

Der 914 sollte besonders haltbar sein und trotz Targa-Dach besonders steif. Der Überrollbügel ist an dem Ganzstahlrahmen angeschweißt, das normalerweise abnehmbare Dach besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Es wird durch vier Halterungen fixiert und kann auf einer Ablage hinten klapperfrei verstaut werden. Zwei Kofferräume bieten 370 Liter Volumen. Für gute Verzögerung sorgen vier Scheibenbremsen.  Hinten arbeitet eine Schräglenkerachse, das Getriebe hat fünf Gänge. Ab Anfang 1970 konnte man auch eine Sportomatic (Halbautomatik) bekommen. Cool: Zwischen die beiden Passagiere passt kurzzeitig noch ein dritter.

Erhältlich war in zwei Versionen: als 914 mit Vierzylindermotor von Volkswagen und als 914/6 mit einem Sechszylinder von Porsche. Das VW-Triebwerk war eine komplette Neuentwicklung und der erste Serien-Einspritzmotor der Marke. Aus 1,7 Litern Hubraum entwickelt das Aggregat 80 PS bei 4.900/min. Damit sprintet der 914 in 13 Sekunden auf Tempo 100 und erreichte 177 km/h. Der Porsche-Sechszylinder im 914/6 stammt dagegen aus dem 911 T und ist mit obenliegenden Nockenwellen, Dreifachvergasern und Hochleistungs-Kondensatorzündung als Sportmotor ausgerüstet. Der Zweiliter-Boxer kommt auf 110 PS bei 5.800/min und ist damit nicht nur wesentlich stärker, sondern auch drehfreudiger als der VW-Motor. Mit einem Trockengewicht von 900 (914) und 940 Kilogramm (914/6) verfügt das Modell über ein ausgesprochen vorteilhaftes Leistungsgewicht. Der serienmäßige 914/6 ist vom Vierzylinder nur durch seine Felgen zu unterscheiden.

Der Sechser hatte es letztlich noch schwerer als der 914 – dabei konnte er mehr als ein 911er, der den gleichen Luftwiderstandsbeiwert besitzt: Mit 210 km/h Spitze ist er schneller als der 911 T mit 125 PS aus 2,2 Litern Hubraum. Aber der 911 kostete nur 999 Mark mehr als der 914/6 – schlecht für den starken Mittelmotorsportler. In den Jahren 1969 bis 1972 wurde er nur 3338 mal gebaut.

Der 914 rollt zwischen 1969 und 1975 gut 115.000 Mal vom Band Exemplare gebautals reiner Porsche ohne den VW-Namenszusatz vermarktet wurde und 1970 zum „Importauto des Jahres“ gewählt wurde. Er gehörte zu den meistverkauften Sportwagen der Welt. In den USA Versuchsweise wurden elf „916“ mit Sechszylindermotoren aus den damals stärksten aktuellen Modellen 911 S und Carrera 911 RS mit 190 PS und 210 PS bestückt und für motorsportliche Einsätze optimiert.

Auch der 914 hinterlässt Spuren auch im Motorsport: Ein Dreifachsieg beim Marathon de la Route 1970 auf dem Nürburgring wird zum größten Erfolg der 914-Werkswagen. Die Sechszylinderversion startet in den USA erfolgreich in verschiedenen Rennserien und fährt im Kundenmotorsportmehrere Klassensiege ein. In Europa gewinnt 1970 ein 914/6 GT vom Team Sonauto die GT-Klasse in Le Mans.

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Mario Kopp und Manuel Frey

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