Ford F-100 Ranger XLT 1973

Das F-Ding von Ford ist seit 38 Jahren der meistverkaufte Pickup der USA und mit insgesamt 38 Millionen verkauften Exemplaren hinter dem Toyota Corolla das meistverkaufte Auto der Welt. Das offene Geheimnis: massenproduzierte große Ladeflächen mit vielen Ausstattungsoptionen

Nordamerika – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 1948, und dies sind nicht die Abenteuer des Raumschiffs „USS Enterprise“, sondern die Alltagsgeschichten von Maisfarmern, Weizenbauern und Rinderzüchtern. Vorbei die Zeiten, wo Kleinlaster auf dem Chassis von Pkw gebaut werden. Vorbei sind Krieg und Entbehrung, es geht wieder voran.

Und wie man das von den Staaten so kennt, ist auch gleich alles ein bisschen größer als im jetzt wieder beschaulichen Rest der Welt. Na gut, es ist auch mehr Fläche da, die es zu bewirtschaften gilt – da braucht man einen zuverlässigen, richtig dimensionierten Lastenträger. Die Ford Motor Company beginnt mit der Produktion des späteren Erfolgs-Pick-ups F-1 in ihren 16 amerikanischen Werken und bietet ihn in acht verschiedenen Varianten (F-1 bis F-8) an, mit chronologisch aufsteigendem zulässigen Gesamtgewicht. Reihensechser und V8-Motoren von 3,5 bis 5,5 Liter Hubraum sind in der Lage, so ziemlich alles zu transportieren oder zu ziehen was man auf der Ranch eben so transportieren oder ziehen muss.

Ford entwickelt den robusten Kleinlaster konsequent und kontinuierlich weiter – bis zur heutigen 13. Generation. Und Ford macht jeweils alles genau so, wie es die Bürger vom Ranger bis zum Highschoolabsolventen haben wollen – hauptsächlich erstmal die US-typische Vielfalt an Optionen bei Ausstattung und Karosserieform (man kann dem gemeinen US-Amerikaner definitiv auch einen Haufen Schrott verkaufen, solange man ihm die Möglichkeit gibt, diesen Haufen nach seinen Wünschen konfigurieren zu können). Es gibt erschiedene Zuladungen und Anhängerlasten, Kabinengrößen und Radstände. In den 60er Jahren wird die Produktion erstmals auf ausländische Werke in Cuautitlán (Mexiko) und Oakville (Kanada) ausgeweitet. Der 1953 in F-100 umbenannte Alleskönner bekommt nun eine optionale Doppelkabine und die Möglichkeit, einen riesigen Wohnwagenaufbau zu tragen. Die eckiger werdenden Pickups wachsen in ihren Dimensionen und Motoren. Ab 1967 gibt es die Luxusversion „Ranger“, und die 6. Generation schafft 1976 den Titel des „meistverkauften Pickups der USA“. Und das gilt bis heute.

Rüdiger Timm aus Helmste ist weder Farmer noch Cowboy. Aber das Prinzip des großen Autos mit offener Ladefläche fand er schon immer gut, aber was da so in Germany angeboten wurde, passte ihm nicht. Das kniff unter den Achseln wie ein viel zu enges Feinripp-Hemd. Nach ein paar Stöbereien im Internet stieß er 2011 auf den blauen F-100 Ranger der 6. Generation. Er hatte keine Ahnung von Amis und war auch erst zwei oder drei Mal auf US-Car-Treffen, aber der große lange Laster packte ihn. Sein Freund Ingo bot fachmännischen Rat und bei Bedarf eine Hebebühne, und so luden die Jungs ihre Frauen ein und fuhren in ein Dörfchen bei Kassel, wo der Lastesel feilgeboten wurde – das Auto mit dem F-Wort.

Erster Lack, keine Durchrostungen und nur ein einziger Vorbesitzer aus Texas (Yiiihaaaaa….). Dem alten Mann hatten die Angehörigen, verängstigte Fußgänger und der örtliche Sherriff ans Herz gelegt, sich endlich von dem großen Wagen zu trennen, bevor noch etwas passiert. Der Ford kam nach Deutschland, samt seiner luxuriösen „Ranger“-Ausstattung mit Klimaanlage und flauschigen Teppichen, und das auch noch als „XLT“. Das bedeutete: Mehr groß geht nicht. Kantig, chromig, in gutem Zustand und mit einer Ladefläche, die ein halbes Maisfeld beherbergen könnte. Eben unendliche Weiten.

Obendrauf (im wörtlichen Sinne) sollte es noch den sehr seltenen originalen Camperaufsatz geben, also ein geschlossenes Dach für die Ladefläche. Im Handumdrehen wird so aus dem Laster ein überdachter Partysaal mit Platz für gefühlte 50 Personen samt Kegelbahn. Passt.

Timm machte die Papiere und die roten Nummern klar, man einigte sich auf einen Preis und er ließ sich nicht nehmen (blauäugig wie der Lack) den Truck auf eigener Achse die 360 Kilometer bis in den Norden zu fahren. Was er auch nicht bereuen musste. Das erste Mal unterwegs mit einem Oldtimer, das erste Mal überhaupt mit einem sehr anders geschmiedeten Amerikaner – Spuren des Lächelns zeichnen noch heute sein Gesicht. Und der Spritverbrauch? Na klar, ein 5,9-Liter-V8-Benziner in einem fast zwei Tonnen schweren Truck mit dem cw-Wert eines Mähdreschers möchte gefüttert werden. Das ist nun mal so, Dieselmotoren waren bei Ford schon immer ausschließlich den „Heavy Duty“-Versionen vorbehalten.

Egal, der Ranger erfreute sich gleich zweier gefräßiger 65-Liter-Tanks und machte bis vor die Tür keine Sperenzchen. Aber danach: Der Anlasser verabschiedete sich seufzend in den Erstausrüsterhimmel, aber das spornte Rüdiger Timm nur noch weiter an. Sein Truck hatte es den weiten Weg aus Texas bis in den Norden Deutschlands geschafft. Jetzt gab er auf, weil er einen neuen Besitzer hatte, der sich um ihn kümmern konnte.

Und der kümmerte sich dann auch. Die nächsten zwei Jahre hat Timm einige Dichtungen ausgetauscht und die Stoßdämpfer und Bremsen erneuert. Normaler Verschleiß eines Kleinlasters, der immerhin schon mehr als 40 Jahre auf der anderen Seite des großen Teichs unterwegs war. Für die Abdichtung der Kurbelwelle mit neuen Simmerringen kam der ganze Motor raus (das geht ja bei diesen Dimensionen einfach). Er wurde gleich komplett neu abgedichtet und mit einer neuen Kupplung bestückt. Dann war Ruhe. Die Karosserie zeigte sich in einem tadellosen ungeschweißten Zustand, alle Zierleisten waren da wo sie hingehören und der Erstlack war lediglich von der Sonne oberflächlich ein bisschen verbrannt. Aber das sieht ehrlich gesagt ziemlich gut aus.

Zwischen den Arbeiten besuchte Timm nun auch regelmäßig US-Car-Treffen, knüpfte Kontakte und fand neue Freunde mit der gleichen Macke. Auf der gewaltigen Ladefläche immer dabei waren obligatorisch die Kühltasche, der Grill und Campingstühle, aber später auch das, was ein Ranger so an Bord hat: Eichenpfähle und Stacheldraht für Weidezäune, einen Spaten, einen Sattel und ein bisschen Werkzeug – man weiß ja nie, welche Wiese man kurz mal neu einzäunen muss. Aus der Träumerei wurde ein Hobby, und was für ein cooles. Yiiihaaaa.

In dem sauberen, aufgeräumten und erstaunlich bequemen Innenraum legt Rüdiger Timm mit der Handschaltung am Lenkrad den ersten von drei Gängen ein. Der F-100 grummelt bescheiden los. Wenn man sich umguckt, dominieren großzügiges Holzfurnier, blauer Kunststoff und schmale Chromleisten. Für einen Truck ist auch im Innenraum viel Platz und viel Komfort – in einem wesentlich jüngeren Golf Caddy zerschellt man bei jeder Bodenwelle mit dem Kopf am Dach oder der Frontscheibe, falls man sich nicht schon den Magen wegen der kauernden Sitzposition verrenkt hat.

Die knubbelige Motorhaube reicht weit nach vorne und ist für sich genommen schon wuchtiger als ein kompletter Ford Transit. Kein Wunder, da muss ja auch ein dicker V8 drunter passen. Der arbeitet dort mechanisch präzise und kraftvoll klappernd vor sich hin.

Der Blick aus der großen Heckscheibe gleicht dem eines Kapitäns von der Kommandobrücke seines Supertankers. Irgendwo da ganz weit hinten ist die stabile Heckklappe zu sehen, nachfolgende Autos erkennt man maximal mit einem Fernglas, obwohl sie direkt hinter dem Ford fahren: nordamerikanische Dimensionen. In Deutschland selten und auffällig, in den truckverliebten USA völlig normal. Auch die aktuellen Modelle brechen noch immer alle Rekorde, der F-350 kann bis zu 2.600 Kilo zuladen, bis zu 8.700 Kilo ziehen und verbraucht je nach Motorisierung mit bis zu 6,6 Metern Länge auch gern seine 20 Liter. Well guys, that’s America.

Parkplätze findet man in der Stadt mit dem Ranger XLT von Rüdiger Timm keine, aber wer will denn da hin? Draußen auf dem Land ist Platz, da gehören die beiden hin. Da ist das Leben echt und ehrlich. Howdy Partner, lass uns noch ein paar Rinder treiben…

Rüdiger Timm dankt seiner Frau Angela, dass Sie ihm dieses Hobby gönnt und seinem Kuppel Ingo, der mit seinem Geschick und seiner Hebebühne so einiges möglich gemacht hat.

FORD F100 Ranger XLT
Baujahr: 1973
Motor: V8
Hubraum: 5.900 ccm (360 cui)
Leistung: 107 kW (145 PS)
Max. Drehmoment: k.A.
Getriebe: Dreigang-Handschalter
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 5.560/2.010/1.720 mm
Leergewicht: 1.870 Kilo
Beschleunigung 0-100 km/h: k.A.
Top Speed: 140 km/h


Text und Fotos: Jens Tanz