Taunus Transit 1962

Bulli über alles? Der Ford Taunus Transit hat schon als FK 1000 genau genommen die gleichen Gene, fuhr dem VW aber zeitlebens hinterher. Trotzdem mauserte er sich in den 50er Jahren zum flotten, komfortablen Alleskönner mit Potenzial auf einer Ladefläche, die nicht durch einen Heckmotor begrenzt wurde. Und das kann sowohl Kofferkuli als auch Gästebett sein

Der Kasten mit den vier Rädern steht da vor den teuren Häusern an der Alster irgendwie falsch, aber auch ein bisschen richtig. Alt ist er. Und klingt doch so vertraut, nach Feuerwehrball und Kinderfest oder wo sonst noch ein alter Transit seine unkatalysierten Abgase durch den langen seitlichen Auspuff in die Welt geblasen hatte. Die gibt es noch? Ja, und noch nicht mal sehr wenige von ihnen. Ein Taunus? Ein Transit? Ein FK? Ja was denn nun, das verwirrt alles ein bisschen. Also fangen wir mal vorn an:

Alfred Haesner hatte gute Jahre. Der promovierte Ingenieur erschuf den unsterblichen Bulli in Wolfsburg, aber dann wechselte er in den frühen 50er Jahren nach Köln. Vom veralteten Heckmotorkonzept hielt man am Rhein rein gar nichts, ein Motor hatte vorn zu sein und der Antrieb gefälligst hinten. Punkt. Haesner schneiderte also wie befohlen einen knuffigen, handlichen Kleinlaster mit einer Tonne Nutzlast, der 1953 als FK 1000 (für Ford Köln) in die Auftragsbücher notiert wurde.

Der weit vor der Vorderachse liegende Motor, das robuste und reichlich überdimensionierte Fahrwerk und der Heckantrieb ließen einen fast unbegrenzten Spielraum für die Karosseriebauer offen. Dem FK konnte man so gut wie jeden Nutzen auf die Hinterachse schneidern, von der Pritsche über den Kasten bis zum Gerätehaus oder Wohncontainer. Der Haken – die flotte Kiste war unbeladen quasi nicht beherrschbar, im Winter bestand regelrecht Lebensgefahr. Oder Gelächtergarantie, wenn der Hintern abhob und erst die Achse, dann der Fahrer durchdrehte. Deshalb wanderte der kompakte Vierzylinder schon zwei Jahre nach Produktionsbeginn unter einen großen Klappdeckel zwischen Fahrer und Beifahrer – hinter die Vorderachse. Das funktionierte. Die Vorstufe zum Transaxle Transporter Transit wurde der Presse mit einer besseren Erreichbarkeit des Motors verkauft, die das auch innovationshungrig schluckte. Tatsächlich war es nun möglich, auf der Autobahn während der Fahrt aus der Kabine heraus den Vergaser einzustellen, die Zündkerzen zu wechseln oder poröse Benzinleitungen zu flicken. Ohne dass man anhalten musste. Was für eine sagenhafte Zeitersparnis.

Hatte man sich erstmal an den latenten Benzingeruch zwischen den Vordersitzen gewöhnt, wurde man schnell Freund mit dem Triebwerk, das drehfreudig direkt nebenan unter dem grauen Deckel vor sich hinarbeitete. Die neue Wirtschafstwundergeneration von Kleintransportern in Deutschland hatte ihren unangefochtenen König gefunden: Der krawallige Käfermotor im VW T1 mühte sich mit mageren 25 PS ab, der Tempo Matador hatte nur ein PS mehr und der DKW Schnelllaster kröpelte sich mit 22 PS ab. Der FK 1000 schaffte fast 100 km/h, war damit tatsächlich ein zeitgenössischer Kandidat für die linke Spur und wurde im Volksmund schnell der „Renntransporter“ genannt.

Merken Sie was? Je mehr man aufzählt, desto weniger wird ersichtlich, warum Volkswagen rund 1,8 Millionen Bullis absetzte und Ford in einem ähnlichen Zeitraum „nur“ etwas mehr als 255.000 Transporter. Dabei war der hübsch designte „Eilfrachter“ auch im Inneren ein Freund mit wahrer Größe. Das Cockpit lieh er sich vom Taunus 12M, und auf den Sitzen saß man für einen Transporter verhältnismäßig kommod. In einer Zeit, wo der Fahrer sich dem Kleintransporter anzupassen hatte und nicht umgekehrt punktete Ford mit Übersichtlichkeit und recht guter Beinfreiheit, auch wenn man zwischen dem Gaspedal und der Bremse mit dem rechten Fuß nennenswerte Höhenunterschiede bewältigen musste. Aber man gewöhnt sich bekanntlich an alles, und an den FK 1000 sogar sehr schnell.

Als man sich von der LKW- und Omnibus-Produktion der Rhein/Ruhr Serien Anfang der 60er verabschiedete rückte man auch mit dem hauseigenen Kleintransporter namentlich näher an die PKW Palette. Aus dem FK wurde der Taunus Transit, und es gab sogar ein Konkurrenzfahrzeug zum „Samba Bus“ mit kleinen Fensterchen im Dach. Der Ford Transit Panorama zielte mit acht Sitzen, großen Fensterflächen und rundlichen Fensterchen im Dachgenau auf die Zielgruppe der Samba-Bulli-Käufer. Hatte Haesner mit seiner Volkswagen-Erstentwicklung einen heute mit bis zu 100.000 Euro gehandelten Kult-Meilenstein geschaffen, ist das damals von der Heilbronner Firma Drautz zum Luxusbus umgebaute Transporterchen fast in Vergessenheit geraten. Im Vergleich zum normalen T1 ist der erste Transit zumindest als Kastenwagen heute durchaus bezahlbar, und weil die Rennsemmel wegen ihrer Geschwindigkeit in unzähligen Hallen von ländlichen freiwilligen Feuerwehren als Gerätewagen bis heute überlebt hat ist die aktuelle Ersatzteilversorgung mehr als gut.

So ein Blickfang ohne viele Fenster lässt sich auch geschäftlich nutzen. Die Wirkung als Werbeträger ist phänomenal – deshalb fiel uns auch zuerst der Aufdruck für’s Hotel Noge auf Sylt auf, bevor im Hamburger Abendlicht die Besonderheit des Modells klar wurde. Sven Hillie, Chef der Hamburger Werbeagentur H4, hat den alten Kölner Kasten gerade unter seiner Fittische, weil das Salz der Nordseeluft eine Kante der kleinen Stoßstange angefressen hat. Das soll fachmännisch behoben werden. Dieser kleine optische Makel ändert aber nichts an der Alltagstauglichkeit des Kleintransporters, und was mal da ist soll auch bewegt werden. Hillie lenkt den tatsächlich immer leicht nach Sprit duftenden Taunus durch die wühlige Hamburger Innenstadt und parkt das blaue Wunder provokant direkt vor dem renommierten Hotel Vier Jahreszeiten an der Binnenalster. Natürlich nur für unsere Fotos. Und für einen kleinen Moment können die schwarzen Bentleys und S-Klassen einpacken, der krawallige Kölner klaut ihnen selbstbewusst die Show.

Natürlich ist der Renntransporter nicht nur als Werbeträger unterwegs, die beiden Betreiber des kleinen, wundervollen Haus Noge auf Sylt nutzen den Wagen durchaus auch für Touren mit ihren Gästen über die Insel, als Gepäcktransporter oder, wenn mal wieder alles, aber auch wirklich der allerletzte Winkel des gemütlichen Hauses ausgebucht ist und der Besuch trotzdem bleiben will – als Gästebett. Im dunklen Kasten lässt es sich super knacken. Wer es ausdrücklich wünscht, kann es sich statt in einem kurzfristig als Ersatz gebuchten anderen Hotel eine Nacht hinten auf dem kommoden Einzelbett in dem Ford bequem machen. Und am nächsten Tag ist ja vielleicht auch wieder ein Zimmer frei geworden. So läuft das in Norddeutschland.

Hand drauf, Schatz ich schlaf im Auto.

Aus heutiger Sicht sind die Transporter aus den 50ern ein echtes Stück Arbeit, will man sie zügig bewegen. Der Ford, auch wenn er Vorreiter eines besseren Standards in der Fahrerkabine und der Motorisierung war, macht da keine Ausnahme. Aber alles ist relativ, zumindest steigt man nach 20 Kilometern nicht schweißgebadet und mit mehreren Nahtoderfahrungen aus. Die simple, robuste Technik ist auch heute noch sehr zuverlässig, aber nur wenn der Transporter nicht die meiste Zeit seines Lebens in einer beheizten Halle vor sich hingestanden und auf den nächsten hektisch gefahrenen Einsatz gewartet hat. Bei diesen Exemplaren wundert man sich dann doch recht häufig, welche Schläuche und Dichtungen das Zeitliche segnen, wenn sie mal länger als 10 Minuten Kaltlaufphase zum Einsatzort beansprucht werden. Aber das steht ja quasi im Prospekt, und dann noch nicht mal im Kleingedruckten.

Der FK 1000, aus dem der Taunus Transit entstand, markierte den Beginn einer ruhmreichen Karriere und den Grundstein für Europas meistverkauften Transporter. Nur damals, da hatte einfach der T1 einen besseren Start. Der treue Werbeträger von Haus Noge wird bald wieder zurück reisen in die Dünenlandschaft an der Nordsee. Und wenn das Salz ihn nicht auffrisst, wird man ihn dort auch noch in 50 Jahren über die Insel fahren sehen. Und vielleicht schlafen Sie ja eines Nachts mal drin?

Ford Taunus Transit
Baujahr: 1962
Motor: Vierzylinder, Rehe
Hubraum: 1498 ccm
Leistung:  40 kW (55 PS) bei 4250 U/min
Max. Drehmoment: 111 Nm bei 2400/min
Getriebe: Viergang Schaltgetriebe
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4300/1740/1965 mm
Leergewicht:  1090 kg
Wert: ca. 12.000 Euro

Text und Fotos: Jens Tanz