Shop Tour: Hollywood Hot Rods

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In Burbank, einem Stadtteil von Los Angeles, steht in unmittelbarer Nähe des „Golden State Freeway“ eine stuckverzierte kleine Werkstatt aus roten Backsteinen, die aussieht, als wäre sie während eines Wochenendes in den Dreißigerjahren errichtet worden, und die die Zeit fast unverändert überdauert hat.

Kein Zufall, dass Troy Ladd sich gerade dieses Gebäude für seine Firma „Hollywood Hot Rods“, kurz HHR, ausgesucht hat, die Hot Rods und Customs baut und repariert. In genau solchen Hallen arbeiteten früher die Pioniere des Hotroddings und Customizings. Fast genau so sah „Bell Auto Parts“ aus, der erste „Speed Shop“ der Geschichte, aus dem George Wight ab 1928 Teile an die Hotrodder verkaufte. „Shop“ nennen die Amerikaner übrigens sowohl Werkstätten als auch Teileläden. Auch der legendäre „So-Cal Speed Shop“, den Alex Xydias 1946 eröffnete, sah so aus, genau wie die Läden von Ed Iskenderian, dem zigarrerauchenden „cam grinder“ (Nockenwellenschleifer), und Vic Edelbrock, aus dessen kleiner Werkstatt inzwischen ein gewaltiges Imperium geworden ist, das von seinem Sohn Vic Jr. geleitet wird. Auch die alten Werkstätten von George Barris, dem „King of Kustoms“, sahen so aus, und auch der erste „richtige“ Shop von Gene Winfield, nachdem er dem Hühnerstall entwachsen war.

Sicher mehr als 50 verschiedene Firmen hat die Halle in der East Palm Avenue in Burbank im Laufe der Zeit beherbergt und Troy hat sie wirklich mit Bedacht gewählt, denn er sieht sich in der Tradition der alten Hotrodder und Customizer. Er selbst sagt dazu: „Ich mag die traditionelle Ästhetik und das Styling. Aber ich würde nicht sagen, dass wir traditionell sind im Sinne von ‚period-correct’, wie manche anderen ‚hot rod builder’, sondern wir haben noch Raum für Kreativität.“ Was er damit meint, ist, dass seine Autos zwar aussehen, als wären sie in den Fünfzigern gebaut worden, aber durchaus auch versteckte moderne Technik besitzen, wie zum Beispiel Scheibenbremsen, die mit Nachbildungen von gerippten Buick-Bremstrommeln verkleidet sind.

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Im Empfangsraum stehen unter anderem Pokale und dieses 50/51er-Mercury-Custom-Armaturenbrett.

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In den Vitrinen liegen alte „speed parts“ zum Verkauf.

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In der Werkstatt ist es voll. Die unterschiedlichsten Projekte in den unterschiedlichsten Stadien.

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Hier gibt es nagelneue Blechkarossen …

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… auf einer Rahmenlehre modifizierte oder gleich neu gebaute Rahmen …

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… genauso wie angerostete alte Kisten.

Junge Wilde

So Bremsen sind eine tolle Sache. Man hat den coolen Look der Fünfziger ohne die weißen Fingerknöchel beim Fahren … Ein gutes Beispiel für den Stil ist sein eigener 32er Roadster, den er bezeichnenderweise „Respect Tradition“ genannt hat. Der sieht aus, als wäre er etwa 1959 gebaut worden: DuVall-Scheibe, I-Beam-Achse an Hairpins, Stahlfelgen mit Diagonalreifen … Der Motor ist ein alter 392er Hemi, der aus einem Top-Fuel-Dragster stammt. Allerdings hat der versteckte moderne Einspritzdüsen und einen Computer, der alles steuert, genau wie die vorhin schon erwähnten in Trommeln versteckten Scheibenbremsen. „Ein Mix aus traditioneller Form und moderner Funktion“ nennt das Troy.

Troy ist einer der sogenannten „Young Guns“ in der Hot-Rod- und Custom-Szene. „Junge Wilde“ nannte man das im Hollywood der Fünfziger und der Begriff ist wieder modern. Nicht nur für Hollywoodschauspieler wie Chris Pine und im deutschen Fußball, sondern auch für die neue Generation der „hot rod builder“ in den USA. Und alle haben eins gemeinsam, sie bringen frischen Wind in die Sache.

Mit seinen Jeans und T-Shirts sowie seinen Chuck Taylors und etwas „Grease“ im Haar sieht Troy irgendwie aus wie seine Autos: „period-correct“, aber doch mit einem modernen Touch. Aber dahinter steckt viel mehr, als man auf den ersten Blick vermutet. So ist er nicht so jung, wie er aussieht, und er hat ein „business degree“, was etwa unserem Diplomkaufmann entspricht. Kein Wunder, dass der Angestellte der „Pacific Mercantile Bank“, der den 50.000-Dollar-Kredit zur Firmengründung bewilligte, deutlich beeindruckt war von Troys formal perfektem Antrag und dem detaillierten „business plan“, den er dem „jungen Burschen“ in Jeans und T-Shirt so offensichtlich nicht zugetraut hätte. Die $ 50.000 reichten übrigens nicht, Troy investierte auch noch sein „401k“, seine Altersvorsorge.

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Hier wird eine Karosserie aus Einzelteilen gebaut. Das Auto offensichtlich traditionell, der Schlangenrahmen unten ist Hightech.

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Troy (r.) und einer der Jungs machen sich hier offensichtlich gerade „Kopfgedanken“.

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Zur Freude der Nachbarn wird hier auch im Hinterhof gearbeitet.

Planung

Erfolg ist oft kein Zufall. Alles, was Troy macht, ist perfekt überlegt und geplant. Nicht nur das Gebäude, auch der Name Hollywood Hot Rods. Er wollte etwas, das einem irgendwie bekannt vorkommt, das man sich merkt und das auf Anhieb nach den Fünfzigerjahren klingt. Bei mir hat das voll funktioniert … Mitte der Fünfziger gab es „Hollywood Rod & Custom“, der Name inspirierte ihn dann letztendlich zu Hollywood Hot Rods. Obwohl er mal erzählt hat, der Name sei ihm im Traum eingefallen. Und Troy denkt immer noch einen Schritt weiter. Auch für Merchandising ist der Name perfekt. Wer hätte nicht gerne ein T-Shirt mit einem Retro-Schriftzug „Hollywood Hot Rods“ drauf? Bis dahin war es ein langer Weg.

Schon als Kind war Troy autobegeistert. Er wuchs im Orange County bei L.A. auf, wo es mehr als genug Möglichkeiten gab, diese Begeisterung auszuleben. Allerdings war das Leben für ihn und seine alleinerziehende Mutter, die in der „graveyard shift“, der Nachtschicht, in einem Café arbeiten musste, um die Familie durchzubringen, nicht immer einfach. Von seinem Großvater bekam er einen 66er Mustang; da meistens kein Geld für Reparaturen da war, blieb Troy nichts anderes übrig, als das Reparieren selbst zu lernen. „Hilf dir selbst, dann hilft dir der Himmel“, ist ein alter Spruch. Weiß nicht, ob Troy den kennt, aber danach hat er immer gelebt. Schweißen lernte er, indem er sich ein entsprechendes Buch kaufte, ein Schweißgerät mietete und das einfach probierte. Mit Erfolg. Mit 19 hatte er einen 36er Ford, der irgendwie verantwortlich für seinen heutigen Job war. Das war 1989, die „Billet Street Rods“ in monochromen Pastellfarben, mit grauer Tweed-Innenausstattung beherrschten die Szene und Troys – nach heutigen Maßstäben – „traditioneller“ Rod in grauem Primer (Grundierung) kam eher nicht so gut an. Bei manchen Treffen ließ man ihn nicht mal rein. Damals schwor er sich, dass er irgendwann einen eigenen Shop haben und es den ganzen Pfeifen zeigen würde. Hat funktioniert. Die Billet Street Rods sind praktisch ausgestorben, „traditionell“ ist der In-Stil und Troy dicke im Geschäft …

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Chevy Small Block mit Blower, fertig zum Einbau …

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… oder ein bereits eingebauter und abgedeckter Flathead, ebenfalls mit Blower.

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Selbstverständlich gibt es einen eigenen „machine shop“ mit allem, was man so braucht natürlich nur mit alten Maschinen.

Builder of the Year

In rund 100 Artikeln in verschiedenen Zeitschriften sowie auf zahlreichen Titelbildern geht es um HHR bzw. die von ihnen gebauten Autos. Unter anderem sogar in Schweden und Japan – und jetzt auch in Deutschland. 2002 wurde die Firma gegründet, mit einem Mitarbeiter neben Troy. Heute sind es vier und dazu eine nette Dame am Empfang. Keine schnieke Chefsekretärin, sondern eine dicke Negermammi, die richtig nett und natürlich ist. Hätte man früher gesagt. „Eine etwas ältere Afroamerikanerin mit einer leichten Gewichtsbehinderung“ ist heute wohl die „politisch korrekte Terminologie“. Bei HHR geht es überhaupt anders zu als beim dicken, sorry, gewichtsbehinderten Boyd (kennt doch noch jeder aus American Hot Rod?), bei dem Troy übrigens mal gearbeitet hat. Wie in vielen anderen Rod Shops auch, um seine Fähigkeiten zu verbessern. Anders als Boyd kann er es sich allerdings nicht leisten, den ganzen Tag im Büro zu hocken und nur ab und zu mal rauszukommen, mit Klemmbrettern zu werfen und zu schimpfen, dass wieder mal alles nicht fertig ist. Bei HHR gibt es auch keine Spezialisten, jeder kann da alles und auch Troy arbeitet voll mit, genau wie jeder andere in der Firma.

Anders als bei Boyd stimmt hier auch das Arbeitsklima, man merkt sofort, dass die Jungs alle Spaß haben an dem, was sie tun. 2007 wurde Troy als „Trendsetter of the Year“ ausgezeichnet, 2010 sogar als „Builder of the Year“. So richtig auf die Landkarte kamen HHR 2005 durch einen Auftritt in der Fernsehserie „Rides“. Da bauten sie die „Zwillings-Roadster“ für John Riddle, „Big Sister“ und „Little Sister“. Beides 32er Ford Roadster, aber mit komplett unterschiedlicher „Persönlichkeit“. Troys Freundin hatte da einfach mal angerufen und gefragt, ob man interessiert wäre. War man. Vielleicht hat das ja jemand gesehen, bei uns lief das auf DMAX. Es folgten jede Menge anderer Fernsehsendungen wie Hot Rod TV, Car Crazy, American Icon: The Hot Rod oder Ultimate Car Build-Off, um nur ein paar zu nennen. Natürlich spielt auch Troys Persönlichkeit eine große Rolle bei dem Erfolg, das ist fast immer so. Aber in erster Linie waren die tollen Autos, die die Jungs gebaut haben, dafür verantwortlich. Vorneweg natürlich der oben erwähnte „Respect Tradition“, aber auch „Black Widow“, ein 27er Ford Roadster Pick-up. Der ist die 24:1-Version eines Monogram-Modellautos von 1960, das es nie in echt gegeben hat. Oder der Roadster Pick-up, der im Auftrag der Firma Raybestos gebaut und Anfang November auf der SEMA als Promotion verlost wurde.

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Troy mit seinem 32er Roadster „Respect Tradition“.

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Die Innenausstattung ist traditionell, aber trotzdem High-End.

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Die computergesteuerten Einspritzdüsen am ehemaligen Dragster-Motor sind unsichtbar.

Niete und Nieten

Aber der absolute Hammer ist „Platinum Bomb“, ein 32er Roadster im Flugzeug-Stil. „Wenn der Typ, der ein 1943er Lockheed-Flugzeug gebaut hat, sich entschlossen hätte, einen Hot Rod zu bauen, hätte der so aussehen können“, sagt Zach Norman, der Besitzer, dazu. Da es, passend zum Flugzeugthema, jede Menge Niete am Auto gab, haben die Jungs bei HHR extra dafür nieten gelernt. Übrigens: Eine Niete ist ein schlechtes Los oder ein Mensch, der nichts taugt. Das Verbindungselement heißt der Niet, nicht die Niete. Und die Mehrzahl heißt die Niete – und nicht die Nieten, wie fast alle Leute sagen. Und wieder was fürs Leben gelernt. So macht die Autozeitung doch Spaß!

Troy ist ganz sicher keine Niete und hat auch viel Spaß, aber es gibt auch ernste Töne: „Die meisten Leute verstehen nicht, wie viel Hingabe und Leidenschaft man dafür braucht“, sagt er. „Du verkaufst deine Seele dafür. Und du kannst nicht erwarten, dass du dann leben kannst wie ein Rockstar, you know. Das Beängstigende daran ist, dass du das nicht mehr anhalten kannst, wenn die Maschinerie erst mal in Bewegung ist, you know. Das ist das, was mich nachts manchmal nicht schlafen lässt. Weil ich für die ganzen Jungs verantwortlich bin. Und weil ich dieses Gebäude habe. Und die Autos von diesen ganzen Leuten, you know.“ Jedes Mal, wenn ich in den USA bin, mache ich „shop tours“, das heißt, ich besuche einige Werkstätten und sehe mir da alles an. Natürlich auch aus beruflichem Interesse, aber vor allem, weil ich das selber gerne sehen will. Und seit ich das erste Mal da war, steht Hollywood Hot Rods ganz oben auf meiner Liste. Echt cool, was die Jungs da so machen! Hoffentlich noch sehr lange…

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Jeder macht alles. Hier steht Troy an der Werkbank und schleift irgendwas zurecht.

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Konstruktionsarbeiten I: Traditionelle „Banjo“-Hinterachse mit „Quickchange“-Differenzial und Querblattfeder. Der Rahmen ist nagelneu.

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Konstruktionsarbeiten II: Mustang-II-Achse mit Zubehör-Achskörper und „tubular A-arms“ in einem alten Chevy.

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Konstruktionsarbeiten III: Weil Motor, Getriebe und Hinterachse nach der Tieferlegung höher sitzen, musste der Boden umfassend modifiziert werden.

Bilder: Hans Pfeiffer, HHR