Space, Grace and Pace: Jaguar MK 2 Beacham 1997

Platz, Anmut und Tempo – diese drei charakteristischen Elemente eines klassischen Jaguars können leiden, wenn Katzen alt werden. Ein promovierter Mediziner in Australien hat deshalb vor Jahrzehnten damit begonnen, alte Jaguars komplett mit neuer Technik aufzubauen. So ein „Beacham“ ist das Blech gewordene automobile Begehren

Very british“ – ohne viel Gewese lüftet Heimo Schäfer die weiche Plane. Während andere ihre teuren Klassiker wie eine offen am Handgelenk getragene Breitling prominent vor der Eisdiele parken, bleibt der 70-Jährige aus der Nähe von Karlsruhe lieber im Hintergrund und erfreut sich des Wissens um die Präsenz von seltenem Hightech. Dieses Verhalten teilt er mit seinem Jaguar MK 2, der unter der Plane auftaucht. Der zeigt nämlich auch nicht allen auf den ersten Blick, was er eigentlich drauf hat. Und was drinnen ist.

Dabei wäre der dunkelblau glänzende Brite der oberen Mittelklasse schon im Originalzustand ein wundervolles, ein wertvolles und ein reizvolles Oldtimerobjekt. Zehn Jahre lang, zwischen 1959 und 1969, bauten die Männer in Coventry Sportlimousinen mit viel Platz, viel Flair und einem Sportwagenmotor. William Lyons, der Gründer der Marke, philosophierte gern darüber, dass ein Automobil das nächste zu einem Lebewesen sei, was man produzieren könne. Was die Hitzköpfigkeit, die Zickigkeit und die fast schon weibliche Unberechenbarkeit seiner Fahrzeuge betrifft, nimmt man ihm das ohne Nachfrage ab.

Der MK 2 war mit bis zu 220 PS ein Kandidat für die linke Spur und galt zwischenzeitlich in den braven 60ern als der schnellste Serien-Viertürer der Welt. Mit dem Erwerb des ältesten britischen Automobilbauers Daimler Motor Co. im Jahr 1960 konnte Jaguar auf weitere Produktionskapazitäten ausweichen und startete in goldene Zeiten. Die über 200 km/h schnelle Katze wurde auf der Insel sehr gern von kriminellen Mitbürgern als uneinholbarer, geräumiger Fluchtwagen genutzt – deshalb sah sich die britische Autobahnpolizei gezwungen, ebenfalls auf das Modell umzusteigen. Mit den herkömmlichen Dienstfahrzeugen, meist alte Rover, kam man nicht mehr hinterher.

Als im Herbst 1968 der XJ vorgestellt wurde und Jaguars Limousinenangebot sich auf diese eine Oberklasse reduzierte, lief die Produktion des MK 2 aus. Bis 1969 wurden rund 90.000 Fahrzeuge ausgeliefert. Und sie alle sind heute rund 50 Jahre alt – da muss man nicht unbedingt ein Brite sein, um langsam Arthrose und Gicht im Gebälk zu spüren.

Grund genug für den australischen Medizinstudenten Greg Beacham, in den 80er-Jahren neben seinem Studium klassische Jaguars und Rolls-Royce zu restaurieren und mit neuen Bauteilen auf einen besseren mechanischen Standard zu heben. Ab 1988 hängte der dann bereits promovierte Herr Dr. Beacham die klassische Medizin an den Nagel und widmete sich auch beruflich seinen automobilen Patienten. Über die Jahre hatte er sich ein meisterhaftes Können und Fachwissen angeeignet und begann, vollständig gestrippte Rohkarossen als Neuwagen aufzubauen. Hierbei griff er auf nicht originale, aber ausgereifte neue Komponenten zurück. Und was nicht zu bekommen war, stellte er nach und nach selbst her. Sein Ruf eilte ihm in die ganze Welt voraus, und seit den 90ern exportierte der Mann von Down Under ins United Kingdom, nach Japan und auf den europäischen Kontinent.

Die Firma CarPoint in Karlsruhe, damals noch spezialisierter Anbieter für Ersatzteile von klassischen Briten, gab 1997 einen neu aufgebauten MK II bei Beacham in Auftrag. Für sehr, sehr viel Geld. Dafür gab es einen damals 30 Jahre alten Neuwagen mit allerfeinster Technik: Unter der Haube der komplett rostfreien und konservierten Karosserie arbeitet ein Vierliter-Reihensechser aus dem XJ mit elektronischer Lucas-Zündung und entfesselt 255 PS, die er auf die vierstufige BorgWarner-Automatik drückt. Die alte Starrachse wich einer modernen Pendelachse, an der XJ6-Zahnstangenlenkung dreht man über das Moto-Lita-Lenkrad mit neuer Servounterstützung, und die Fuhre wird von einer rundherum größeren und verbesserten Bremsanlage gestoppt. Für das kommode Gefühl in der neuen Technik sorgen beheizte Ledersitze aus dem Vanden Plas, eine Walnussholzausstattung und in Leder eingefasste Teppiche. Eine neue Klimaanlage mit verbesserter Heizung und Lüftung und Colorglas mit beheizter Heckscheibe runden das Lounge-Gefühl ab.

Und er riecht sogar wie ein Neuwagen. Fast schon reflexartig nimmt man zunächst hinten Platz – so ein Juwel selbst zu fahren, gehört sich nicht. Während wir elegant in den makellosen Ledersitzen fläzen und neugierig an den vielen Tischchen, Hebelchen und Fensterchen kurbeln und klappen, startet Heimo Schäfer den Sechszylinder, legt die Fahrstufe ein und chauffiert das Team ein wenig durch seine Stadt. Das Unikat hat wegen des kompletten Umbaus seine eigene Fahrgestellnummer bekommen und ist somit ein offizieller Neuwagen von 1997.

Das ist zwar auch schon wieder fast 20 Jahre her, aber in diesen zwei Dekaden wurde dem hochpreisigen Exoten eine Menge Liebe und Pflege zuteil. Es hat sich gelohnt. Immerhin muss man für rollfähige Restaurationsprojekte dieses Modells auch schon rund 10.000 Euro investieren, und wer einmal einen ganzen Korb an klassischen Ersatzteilen beim Katzenhändler geordert hat, weiß, warum Beacham die Komponenten lieber selbst produziert. Wenn man überhaupt noch etwas bekommt, ist es meistens teurer als das halbe Auto. Miau.

Innen stimmt einfach alles. Die vielen Rundinstrumente wirken wie das Cockpit eines Kleinflugzeugs. Die vielen kleinen Knöpfe stehen brav in einer Reihe mit dem Zigarettenanzünder und dem Zündschloss wie die Palastwache in London, alles ist mit hochglänzendem Walnussholz vertäfelt oder in filigranen Chrom und Edelstahl eingefasst. Man möchte fast von traditioneller Handwerkskunst sprechen, einige Ecken in diesem Auto erinnern eher an eine elegante Kutsche als an ein Kraftfahrzeug. Das Daimler-Radio bleibt aus. Der Katzensechszylinder schnurrt so leise und zufrieden – mehr braucht man nicht.

Gibt es eine Steigerung von „einzigartig“? Klar: „Beacham“.

TECHNISCHE DATEN

Jaguar MK II Beacham

Baujahr: 1997
Motor: Reihensechszylinder
Hubraum: 3.980 ccm
Leistung: 187 kW (255 PS) bei 4.800/min
Max. Drehmoment: 375 Nm bei 4.000/min
Getriebe: Viergang-Automatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4.572/1.702/1.473 mm
Leergewicht: 1.540 kg
Beschleunigung 0–100 km/h: 7,2 s
Top-Speed: 210 km/h
Wert: k. A.

 

Text und Fotos: Jens Tanz

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