Alfa Romeo Giulia Limousine – Romeo und die Giulia

1962, also vor genau 50 Jahren, schuf Alfa Romeo mit der Giulia-Limousine den ersten massentauglichen Familiensportwagen, von dem bis heute das Image der Marke lebt. Faszinierende Technik, ein betörender Motorensound und beeindruckende Fahrleistungen kennzeichneten das kantige Kult-Auto. Wir zeigen, worauf Sie bei der heißen italienischen „Bella“ unbedingt achten sollten

Baaaambrabbelbrabbel hier, Üüüüüüüiiiii dort – erinnern Sie sich? In der vergangenen Ausgabe – bei der Kaufberatung der BMW 02-Baureihe – hatten wir die Giulia-Geschichte bereits angekündigt. Das hat seinen Grund: Damals wie heute gehören die beiden Modelle zusammen. Sie sind wie Zwillinge – allerdings wie zweieiige. Denn bei vergleichbaren Leistungsdaten zeichnet den BMW teutonische Solidität aus, während die heißblütige und technisch wesentlich brillantere Giulia durch italienische Nonchalance bei der Verarbeitungsqualität auffällt.

Wir sehen ihn förmlich vor unserem geistigen Auge, den italienischen „Ingegnere“, wie er am Reißbrett steht, stolz und völlig überwältigt von dem technischen Meisterwerk, das er da gezeichnet hat: Einen Vierzylinder-Leichtmetallmotor mit nassen Zylinderlaufbuchsen und fünffach gelagerter Kurbelwelle, mit Querstrom-Zylinderkopf mit halbkugelförmigen Brennräumen und zwei von einer Duplexkette angetriebenen obenliegenden Nockenwellen, beatmet von zwei 40er Weber-, Solex- oder Dell’Orto-Doppelvergasern, je nachdem, was gerade verfügbar war. Es ist übrigens das gleiche Aggregat, das auch im kleinen „Bertone“-Coupé GT und ab 1966 auch im Spider Duetto Dienst tun sollte. Außerdem – man hatte ja nichts anderes – arbeitete es auch noch im Lieferwagen F12, hier allerdings mit einem Einfachvergaser – auf Drehmoment ausgelegt. Ganz neu war das Aggregat indes nicht – das Grundkonzept gab es auch schon bei den Vorläufern der Giulia. Hier wurde es nur technisch weiter verfeinert.


Mit um die hundert PS holte eine Giulia 1600 Super bereits Mitte der 1960er-Jahre die doppelte Literleistung aus dem Motor wie VW sieben Jahre später aus dem 1302 S mit gleichem Hubraum, dem stärksten Serien-Käfer überhaupt. Durchaus standfest übrigens, wenn man das etwas sensible Doppelnockenwellen-Sportaggregat nicht allzu unvernünftig behandelte. Unvernünftig heißt vor allem: Keine Vollgasorgien mit kalter Maschine (die knapp sieben Liter Motorenöl wollen erst warm werden) und die Beachtung einiger weniger, aber wichtiger Wartungsarbeiten und Kontrollen. Dazu zählen neben regelmäßigen Ölwechseln eine korrekte Zündeinstellung ebenso wie die Ventilspielkontrolle und präzise synchronisierte Vergaser, bei denen man überdies auf intakte Gummiflansche achten sollte. Nichts Außergewöhnliches also, womit sich Laufleistungen von 150.000 Kilometern und mehr ohne eine Motor-Revision erreichen lassen sollten.

Was die Fahrleistungen betrifft, sollte man sich keinen Illusionen hingeben – auch wenn die Giulia in den 1960ern- und 70ern für zahlreiche Motorsporterfolge gut war und mit einer Spitze von knapp 180 km/h problemlos Luxuslimousinen vom Schlage eines Opel Kapitän von der linken Autobahnspur verweisen konnte. Das lag nicht zuletzt daran, dass man die kantige Giulia tatsächlich auch im Windkanal konstruiert hatte und sie einen für damalige Verhältnisse herausragenden cw-Wert von 0,34 besaß. Nicht zuletzt ihre Fahrleistungen machten sie auch als Fluchtauto der Rote Armee Fraktion berühmt. Was nichts daran ändert, dass heute jeder Golf TDI Kreise um sie fährt. Trotzdem reicht es immer noch zu mehr als nur Mitschwimmen.

Die bei Sammlern nicht so beliebte Facelift-Version der Giulia mit Kunststoff-Kühlergrill heißt „Nuova Super“ – im Bild als unsportliche 55 PS-Diesel-Variante. Dem Autor ist noch nie eine Diesel-Giulia begegnet

Die bei Sammlern nicht so beliebte Facelift-Version der Giulia mit Kunststoff-Kühlergrill heißt „Nuova Super“ – im Bild als unsportliche 55 PS-Diesel-Variante. Dem Autor ist noch nie eine Diesel-Giulia begegnet

Dabei erzeugt das Aggregat, das unterhalb der Ferrari-Liga auch optisch zu den schönsten Motoren der Automobilgeschichte zählt, ein unvergleichliches Motorengeräusch. Es reicht zunächst vom sanften Blubbern im Leerlauf zum dumpfen, später zornigen Grollen bei Drehzahlen bis 3.000/min. Lässt man den Motor bis an den roten Bereich (rund 6.200/min) drehen, was er betriebswarm problemlos verkraftet, steigert sich die Geräuschkulisse zu einem infernalischen Gebrüll. Insbesondere dann, wenn das bei Alfisti so beliebte „Donnerrohr“ als Auspuff-Endrohr montiert ist, ein grundsätzlich unzulässiges Bauteil, dem der letzte Schalldämpfertopf fehlt. Aufgrund der weiten Verbreitung dieser akustischen Tuningmaßnahme halten aber selbst Polizisten und viele Prüfer bei der amtlichen Hauptuntersuchung das Rohr mittlerweile wohl für ein Serienteil und stoßen sich erfahrungsgemäß nicht mehr daran. Oder sie drücken ein Ohr zu…

Augen öffnen und die Ohren spitzen sollte man, wenn man sich heute ein „Julchen“ zulegen möchte, denn das Spektrum der angebotenen Fahrzeuge reicht von perfekt restauriert oder top-erhalten (sehr, sehr selten) bis zum aufgerüschten und überteuert angebotenen Teileträger. Der größte Teil der Fahrzeuge dürfte irgendwo dazwischen liegen. Viele „Jule“ sind überdies durch (eingetragene und nicht eingetragene) Modifikationen „gesupert“ worden. Tieferlegungen sind mittlerweile ebenso üblich wie superbreite Räder, mit denen sich eine Giulia mit ihrer servolosen Lenkung nicht gerade einfach durchs Stadtgetümmel dirigieren lässt. Einige Fahrzeuge wurden außerdem mit einem Zweiliter-Motor aufgerüstet, was grundsätzlich eintragungsfähig ist, wenn auch die Bremsanlage von diesem Modell übernommen wurde. Und vorzugsweise sollte auch die Hinterachsübersetzung von einem Zweiliter-Fahrzeug gewählt werden. Trotzdem ist man auch schon mit dem 1600er-Motor flott dabei, und selbst mit dem 87 PS-starken 1300er ist das Auto einfacheren zeitgenössischen Mitbewerbern mindestens ebenbürtig. Optisch und vom Sound her nehmen sie sich übrigens alle nichts, weshalb Kaufinteressenten ihren Blick in erster Linie auf die komplex konstruierte Karosserie werfen sollten. Denn Rost ist die wahre Achillesferse bei den Autos.

Einen deutlichen Qualitätssprung nach unten soll es bei Alfa um das Jahr 1973 herum gegeben haben, als im Stammwerk in Arese vermehrt russischer Recycling-Stahl minderer Güte verwendet worden sein soll. Das wirkte sich vor allem bei der facegelifteten Giulia aus, dem Modell mit Kunststoff-Kühlergrill und glatt gebügeltem Heckdeckel. Die in Sammlerkreisen wesentlich weniger beliebte Nuova Super wurde von 1974 bis 1978 angeboten – in Italien sogar wahlweise mit einem 50 PS schwachen Perkins-Dieselmotor. Wie sich so eine Nuova fuhr, möchte man lieber gar nicht erleben, und es gibt wohl auch höchstens noch eine Handvoll davon. Im Gegenzug heißt es nach vier Jahrzehnten natürlich leider ebenso wenig, dass Julchen vor 1973 grundsätzlich besser sein müssen, zumal bei den Modellen bis 1972 mit stehenden Pedalen einige Ersatzteile wesentlich teurer sind.

Und auch Importe aus dem sonnigen Italien lohnen sich kaum noch, nachdem Preisforderungen für die Giulia bis in die Region um Rom herum teilweise sogar höher liegen als für vergleichbare Fahrzeuge in Deutschland. Etwas günstiger scheinen nach wie vor Offerten aus Süditalien zu sein, wobei der mögliche Preisvorteil beim Versuch eines Eigenimports schnell dahinschwindet – insbesondere dann, wenn man sich mehrere Fahrzeuge ansehen möchte und dann auch noch die Fahrtkosten nach Deutschland sowie Kosten für die Ausstellung deutscher Papiere mit einbezieht. Zumal in Italien die 1300er-Modelle wesentlich häufiger zu finden sind. Fazit: Bis heute hat eine Alfa Giulia nichts von ihrer fahrerischen Faszination verloren. Aber verlieren Sie bitte nicht den Verstand, wenn Sie sich eine zulegen möchten, sondern schauen Sie ganz genau hin …

Die Alfa Romeo Giulia im Detail:

Wichtig: Das angeschraubte Blech an der Spritzwand zur Fahrgastzelle sollte vorhanden sein

Wichtig: Das angeschraubte Blech an der Spritzwand zur Fahrgastzelle sollte vorhanden sein

Falze, Ecken, Sicken und Kanten, wohin das Auge blickt: Für den Rost ist das ein gefundenes Fressen, für den Besitzer und Restaurator ein Grauen, da obendrein alles verschweißt ist

Falze, Ecken, Sicken und Kanten, wohin das Auge blickt: Für den Rost ist das ein gefundenes Fressen, für den Besitzer und Restaurator ein Grauen, da obendrein alles verschweißt ist

Kritisch ist auch der Bereich um die Batterieaufnahme herum. Man nimmt sie zur Prüfung lieber heraus

Kritisch ist auch der Bereich um die Batterieaufnahme herum. Man nimmt sie zur Prüfung lieber heraus

Die Kotflügel sind mit den Motor-Stehwänden verschweißt. Das macht ihren Austausch schwierig

Die Kotflügel sind mit den Motor-Stehwänden verschweißt. Das macht ihren Austausch schwierig

Karosserie, Unterboden

Front/Motorraum/Vorderkotflügel:

Die Frontmaske und der gesamte Vorderwagen sollten gründlich auf (schlecht reparierte) Unfallschäden untersucht werden. Reparaturen gestalten sich hier unter anderem schwierig, weil alle Karosserieteile verschweißt sind. Für einige sind zwar Reparaturbleche in unterschiedlichen Qualitäten erhältlich, Instandsetzungsarbeiten erfordern aber stets fortgeschrittene Karosseriebauer-Fähigkeiten. Ernster Rost findet sich häufig in den Winkeln der Frontmaske, der Kotflügelkanten sowie am Anschluss von der Bugschürze zum Querträger (auch dieser selbst ist gründlich auf Durchrostungen zu checken) sowie im Bereich der Lampentöpfe, wenn die Schottbleche in den Radläufen hinter den Scheinwerfern fehlen. Ebenso können die Kotflügelkanten an den Übergängen zu den Stehblechen durchfaulen. Gefährdet ist auch der Spritzwasserbereich zu den A-Säulen hin. Hier ist ab Werk ebenfalls ein Spritzschutzblech montiert, das manchmal fehlt.

Die Nahtstellen im Vorderkotflügel blühen oft auf

Die Nahtstellen im Vorderkotflügel blühen oft auf

Die Windschutzscheibendichtung macht ihrem Namen oft keine Ehre

 

Die Schweller sollten unbedingt auch von unten gründlich untersucht werden

Die Schweller sollten unbedingt auch von unten gründlich untersucht werden

Schweller:

Die Schweller und Einstiege sind wie bei fast allen Fahrzeugen dieser Ära besonders neuralgische Punkte. Bei „Blendern“ wurde hier bereits die dritte Reparaturblechlage drübergebraten, die natürlich wegen Spaltkorrosion ebenfalls in kurzer Zeit weich werden wird. Wie es um diesen Bereich bestellt ist, verraten oft stärkere Spachtelschichten oder dick aufgetragener Steinschlagschutz sowie eingedellte Bereiche um die Wagenheberaufnahmen. Ein sicheres Indiz für nicht ganz sorgfältig ausgeführte Schweller-Reparaturen ist das Fehlen der senkrechten Fugen am Übergang zum Vorderkotflügel bzw. zum hinteren Seitenteil. Durchgegammelte Schweller beeinträchtigen die strukturelle Stabilität der Karosserie nachhaltig, was sich auch in schlecht schließenden Türen äußern kann. Sie sind ein ernster Grund, von einem Kauf Abstand zu nehmen, sonst wird später eine (wirtschaftlich meist unrentable) Vollrestaurierung daraus.

Die wahre Achillesferse sind allerdings die Falzkanten und Türböden, die selten so perfekt erhalten sind wie hier

Türen:

Bei den Türen sind die Türböden sowie die Falzkanten problematisch, wo die Türhäute mit den Türrahmen verbunden sind. Außerdem sind manchmal ausgeschlagene Scharniere und gelegentlich Vibrationsrisse am Übergang der Dreiecksrahmen zur Tür-Außenhaut zu beobachten.

Bei den Kurbelfenstern können die Führungen wegfaulen.

Und wie sieht es mit den Tür-Spaltmaßen aus? Diese hier sind absolut okay, aber da haben wir auch schon anderes erlebt...

Und wie sieht es mit den Tür-Spaltmaßen aus? Diese hier sind absolut okay, aber da haben wir auch schon anderes erlebt…

In dieser Ecke (analog auf der Fahrerseite) gammeln die Bodenwannen meist zuerst durch. Das Blech liegt auf der Außenseite im Spritzbereich der Vorderräder

In dieser Ecke (analog auf der Fahrerseite) gammeln die Bodenwannen meist zuerst durch. Das Blech liegt auf der Außenseite im Spritzbereich der Vorderräder

Hier die neuralgische Ecke der linken Bodenwanne von innen

Sind die vorderen Befestigungen der Hinterachsstrebe losgerostet, wird es richtig gefährlich

Sind die vorderen Befestigungen der Hinterachsstrebe losgerostet, wird es richtig gefährlich

Bodenwannen:

Korrosion an den Bodenwannen hängt vor allem mit Staunässe zusammen, die sich innen unter den Teppichen und Dämmmatten sammelt. Besonders gefährdet sind hier die vorderen äußeren Ecken im Fahrer- und Beifahrer-Fußraum, wo die Wannen durch Spritzwasserbeschuss von den Vorderrädern im Regelfall zuerst durchrosten.

Das Gepäckabteil reicht durchaus für normales Urlaubsgepäck…

…man tut jedoch gut daran, die Gummimatten im Kofferraum hochzunehmen und die Übergänge vom Kofferraumboden zu den Seitenwändem und den Radläufen sowie zum Heckabschlussblech auf Unfallschäden und Korrosion zu untersuchen

… sowie an den doppellagigen Kanten des Kofferraumdeckels

Neuralgische Rostherde finden sich oft auch an den Falzen der Heckschürze…

Auch ein Blick an die Tankklappe lohnt sich: Ist hier der große Gummitrichter um den Tank-Einlauf intakt?

Nicht nur zwischen Tank und Seitenwand lässt sich Korrosion schwierig entdecken (und beseitigen)

Heckbereich:

Eine leichte „Bananenform“ hat die Alfa Giulia in der Silhouette von Haus aus. Ist allerdings mal ein nachfolgendes Auto ins Heck gebrettert, biegt sich die „Banane“ ab den hinteren Radläufen unverhältnismäßig stark nach unten durch. Fast immer finden sich dann auch im Kofferraum Knitterfalten an den Radhäusern. Am Kofferraum selbst gibt es auch häufiger Rost, und zwar im Bereich rings um die Kofferraumdichtung, seitlich am Kofferraumboden und ganz besonders an der Reserveradwanne.

An den hinteren Radläufen bildet sich oft Rost bis zur hinteren Türkante. Unfallwagen gehen hier „in die Breite“

Einer der schönsten Motoren unterhalb der Ferrari-Liga – es muss nicht immer ein Zweiliter sein …

Wird der Giulia zu warm, ist oft der Kühler verkalkt

Wird der Giulia zu warm, ist oft der Kühler verkalkt

Etwas Schwitzfeuchtigkeit an der Stirnseite des Motors ist normal

Motor und Peripherie

Motorspezifisches und die Bedeutung des Warmfahrens:

Der legendäre Doppelnockenwellenmotor, der in der Giulia mit Hubräumen von 1,3 bis 1,6 Litern, im Spider und dem Bertone GT auch mit 1.750 und 2.000 Kubik (in der großen „Berlina“ sogar nur mit den letztgenannten Motoren) damals in sämtlichen Alfa-Modellen zum Einsatz kam, weist alle Merkmale des klassischen Sportmotorenbaus auf. Außer den zwei oben liegenden Nockenwellen (wenig Masse im eigentlichen Ventiltrieb) sind dies die Verwendung von Leichtmetall für das gesamte Gehäuse und den Zylinderkopf, die Flachstromführung der Ansaug- und Abgase, zwei 40er-Doppelvergaser, halbkugelförmige Brennräume mit zentral liegenden Gleitfunken-Zündkerzen und viele Details mehr. Nach eigenen Erfahrungen sind die Restbestände der nicht mehr neu produzierten Golden Lodge-Kerzen heute nicht mehr uneingeschränkt zu empfehlen. Es gibt – von Alfa Romeo allerdings nicht offiziell freigegebene – Alternativen von NGK.

Dazu kommt ein angesichts der Motorgröße geradezu irrwitziges Ölvolumen von 6,7 Litern, das sorgfältig warm gefahren werden muss, bevor man dem Motor Leistung abfordern darf. Wer die Probe machen will, kann nach zehn Kilometern Fahrstrecke mal an die Ölwanne der Gulia fassen. Sie ist dann bestenfalls handwarm, das Öl noch längst nicht voll schmierfähig. Ein Ölthermometer ist dennoch verzichtbar, das serienmäßige Öldruckinstrument tut’s auch. Normalerweise zeigt es bei kalter Maschine im Leerlauf 4 bar an und steigt bei erhöhter Drehzahl nur wenig höher. Sinkt der Öldruck im Leerlauf (und nur dann!) auf Werte um 0,5 bis 1 bar ab, ist das Aggregat betriebswarm. Doch das Öldruckinstrument verrät noch mehr: Steigt es bei warmer Maschine und höherer Drehzahl nicht mindestens auf 3,5 bar an, sind die Kurbelwellenlager oder zumindest die Ölpumpe verschlissen, bestenfalls sind Öldruckgeber oder Instrument defekt. Eine Reparatur endet meist in einer kompletten Motorüberholung, für die zwischen 3.000,- und 5.000,- Euro zu veranschlagen sind. Eine Überholung wird durch die auswechselbaren Zylinderlaufbuchsen wesentlich erleichtert. Erbarmungslose Kalt-Vollgastreter schaffen es allerdings, den Motor innerhalb von 30.000 Kilometern hinzurichten.

Die 1300er Motoren mit 89 PS sind zwar drehfreudig, klingen genauso toll und sehen so gut aus wie „die Großen“, und die Kraft reicht auf jeden Fall auch zum Mitschwimmen im heutigen Straßenverkehr, aber man macht damit nicht mehr die Pace. Mit dem 1600er (103 PS) ist eine Giulia sehr ordentlich motorisiert, 2,0-Liter-Umbauten sind nicht unbedingt schöner zu fahren.

Ein Ölwannenschutz ist auf jeden Fall bei tiefergelegten Giulias sinnvoll, kann aber auch bei Standard-Fahrwerken die Wanne retten

Ölverlust:

Man kann es drehen und wenden wie man will: Spätestens nach 100.000 Kilometern leckt fast jeder Alfa-Motor und oft auch das Getriebe. Kleinere Undichtigkeiten treten aber mitunter auch bei überholten Motoren schon nach 20.000 Kilometern wieder auf. Unter uns: Wenn die Maschine sonst intakt ist und das Öl nicht literweise verliert, sollte man versuchen, mit diesem Mangel zu leben (und beim Parken vielleicht eine Pappe unterzulegen, die man natürlich ordentlich entsorgt…)

Wartungsstau:

Ein durchgehend abgestempeltes Service-Scheckheft wird man heute bei keiner Giulia mehr finden. Das ist auch nicht weiter tragisch, wenn trotzdem wesentliche Arbeiten wie der Ölwechsel (alle 6.000 km) oder die Ventilspielkontrolle (alle 20.000 Kilometer) durchgeführt wurden. Die Einstellung des Ventilspiels ist übrigens aufwändig und nur ambitionierten Hobbyschraubern zu empfehlen. Die Justage erfolgt über kleine Plättchen in passender Stärke, die erst nach Demontage der Nockenwellen und der Stößelbecher gewechselt werden können. Neben einem Fühlerlehrensatz ist für diese feinmechanische Arbeit eine Mikrometer-Messuhr erforderlich.

Unsere Giulia arbeitet mit zwei Weber-Doppelvergasern. Alternativ waren je nach Modell auch Solex- oder Dell’Orto-Doppelvergaser eingebaut. Die Gummiflansche, mit denen die Vergaser an der Ansaugbrücke montiert sind, sind Verschleißteile.

Vergaserflansche:

Nach einigen Jahren werden regelmäßig die Vergaser-Gummiflansche für den Anschluss an den Zylinderkopf porös. Der Motor zieht dann Nebenluft und läuft wegen der Gemischabmagerung holprig. Zum Testen hebt man die ganze Vergaserbatterie bei laufendem Motor vorsichtig etwas an und drückt sie ebenso vorsichtig wieder leicht herunter. Ändert sich die Drehzahl stark, ist der Austausch fällig. Unterlässt man das, drohen verbrannte Auslassventile oder ein Loch im Kolben.

Kompressionsdruck:

Vor jedem Giulia-Kauf sollte der Kompressionsdruck der einzelnen Zylinder gemessen werden, um vorgenannte Schäden oder auch den Verschleiß der Kolbenringe zu entdecken. Abweichungen von mehr als 2 bar zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert sind nicht in Ordnung.

Neben schlecht synchronisierten Vergasern sind ausgeschlagene Verteilerwellen eine häufige Ursache für unrunden Motorlauf

Verteiler:

Einige Fahrzeuge wurden inzwischen mit einer kontaktlosen Zündanlage (da gibt es auch Nachrüstlösungen für den Original-Verteiler) ausgestattet. Sie machen eine Kontrolle des Zündzeitpunkts eigentlich überflüssig. Allerdings funktionieren sie nur dann ordentlich, wenn die Verteilerwelle nicht ausgeschlagen ist (häufiger Mangel). Über die ebenfalls seit einiger Zeit erhältlichen Verteiler mit einstellbaren Zündkurven herrschen in der Alfisti-Szene sehr verschiedene Ansichten. Einige Fahrer sind damit sehr zufrieden, andere sagen, dass keine der vorgeschlagenen Einstellungen wirklich gut funktioniert.

Fehlt das Hitzeabschirmblech überm Auspufftopf, werden die Füße weichgekocht

Trompete von Jericho: Das mittlerweile meist geduldete „Donnerrohr“ ohne Endtopf

Die originalen Gusskrümmer neigen zur Rissbildung. Und wo wir gerade dabei sind: Die Gummi-Motorlager (weiter unten im Bild) sollten ebenfalls auf Rissbildung hin geprüft werden

Auspuffanlage:

Die originalen Gusskrümmer der Alfa-Motoren neigen zur Rissbildung und zur Undichtigkeit an den Hosenrohr-Flanschen, die mit einer Kupferdichtung ausgestattet sind. Die übrige Auspuffanlage weist eine durchschnittliche Haltbarkeit auf, Ersatz ist bei freien Händlern (noch) erschwinglich.

Kopfdichtung:

Gelegentlich gehen die Zylinderkopfdichtungen kaputt, was auch auf mangelndes Warmfahren zurückzuführen sein kann (Zylinderkopfverspannungen). Bei den Motor-Ersatzteilen im freien Handel gibt es große Qualitätsunterschiede. Erfahrene Alfa-Schrauber verbauen anstelle einer billigen No-name-Kopfdichtung nur Markendichtungen von Reinz, die Kolben- und Zylindersätze von Borgo genießen nicht denselben guten Ruf wie die von Mahle. Faire Händler und Werkstätten klären über die Unterschiede auf.

Regelmäßige Ölstandskontrollen und turnusmäßige Getriebeölwechsel erhalten den Schaltboxen ein langes Leben – die empfindliche Synchronisation des 2. Ganges einmal ausgenommen. Ansonsten werden Motoren und Getriebe oft undicht

Getriebe, Kraftübertragung

Getriebe:

Eine defekte Synchronisation des zweiten Ganges ist leider fast schon normal – außer bei frisch überholten Getrieben. Sonst sind die serienmäßigen Fünfganggetriebe (!) standfest und ein Vergnügen zu schalten, solange genügend Öl vorhanden ist. Da dies allerdings oft „ungefragt entweicht“, ist eine regelmäßige Ölstandskontrolle wichtig.

Die Kupplungsnehmerzylinder werden auch öfter undicht, oder defekte Manschetten verursachen „Leertritte“ anstatt zu trennen

Nicht nur das Mittellager der Kardanwelle ist ein Verschleißartikel, auch die Kreuzgelenke selbst…

…sowie die Hardyscheibe geht mit den Jahren kaputt. Ersatzteile sind jedoch zu vertretbaren Preisen verfügbar, der Austausch kein Hexenwerk

Kardanwelle mit Lagern:

Die Giulia hat eine zweigeteilte Kardanwelle mit Mittellager und Hardyscheibe. Alle Komponenten können verschleißen, was sich unter anderem in „rubbeligen“ Vibrationen während der Fahrt äußern kann.

Die Differentiale neigen mit dem Alter zur Inkontinenz und zum Singen

Wenn die Gummi-Metallager der Hinterachsstreben verschlissen sind, wird das Fahrverhalten schwammig

Die Fangbänder der Hinterachse sind oft verschlissen

Es ist zwar „nur“ eine Starrachse, aber die ist mit einem Reaktionsdreieck und mit Schraubenfedern durchaus gut zu handeln

Hinterachse:

Die starre Hinterachse ist recht robust, verliert aber bei fortgeschrittenem Alter ebenfalls Öl und kann zu jaulen beginnen. Ersatzteile für eine Überholung (Tellerrad/Triebling) sind schwierig zu bekommen, billiger sind gebrauchte Hinterachsen.

Scheibenbremsen rundum waren bei der Giulia fast von Beginn an Standard. Gelegentlich gammeln die Sättel fest

Ersatzteile wie Hauptbremszylinder (und rechts der Kupplungsgeberzylinder) sind für die Modelle mit hängenden Pedalen einfacher und günstiger erhältlich

Fahrwerk, Lenkung, Bremsen

Bremsanlage:

Nur in den ersten Baujahren der Alfa Giulia gab es Modelle mit sehr aufwändigen Trommelbremsen vorn (mit den einfach wirkenden Radzylindern) und hinten, alle anderen haben rundherum Scheibenbremsen – ein weiteres Indiz für die absolut hochkarätige Sportwagentechnik. Die Bremssättel (früher war Girling Erstausrüster, später ATE) gehen manchmal fest, insbesondere bei sehr wenig bewegten Fahrzeugen.

Hochwertige Bilstein-Stoßdämpfer sorgen auch beim Serienfahrwerk für etwas strafferes Fahrgefühl

Stoßdämpfer/Radaufhängungsteile:

Viele Giulias wurden inzwischen tiefer gelegt, zudem auch noch mit Gasdruckdämpfern und Breitreifen ausgerüstet. Man tut sich damit nicht unbedingt einen Gefallen, denn der Fahrkomfort leidet erheblich, und auch die übrigen Fahrwerksteile und die Karosserie werden höher beansprucht.

Lenkgetriebe sind oft undicht, und die Befestigung an der Karosserie kann einreißen …

… und auf der Beifahrerseite kann der Umlenkhebel verschleißen – dieser hier ist neu!

Lenkgetriebe, Umlenkhebel, Spurstangen:

Eigentlich lässt sich eine Alfa Giulia auch im Vergleich zu aktuellen Autos sehr sportlich bewegen und sehr gezielt zum „Kurven räubern“ verwenden, wenn man sich daran gewöhnt hat, dass die Karosserie auf der Hinterachse konstruktiv bedingt seitlich etwas hin und her schwingt. An der guten Bodenhaftung ändert dies jedoch nichts. Eine schwammige Lenkung und Poltergeräusche sind oft ein Zeichen für ausgeschlagene Spurstangenköpfe oder einen ausgeschlagenen Umlenkhebel. Mit dem Kauf eines Reparatursatzes ist es nicht getan, die Reparatur ist aufwändig und Werkstattsache.

Fahrwerksbuchsen:

Sowohl Vorder- als auch Hinterachse sind mit zahlreichen Buchsen versehen, von denen einige (Querlenker an der Vorderachse) noch geschmiert werden müssen. Verschleiß duldet hier aus Sicherheitsgründen keinen Aufschub. Tritt das seitliche Schwingen an der Hinterachse überdeutlich auf, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gummi-Metalllager der Achsaufhängung verschlissen.

Der cremefarbene Dachhimmel ist häufig von starken braunen Wasserflecken gezeichnet

Sitze mit Echtlederbezügen – wie hier – sind eher die Ausnahme, allerdings entscheiden sich bei einer Sanierung der Innenausstattung viele Giulia-Besitzer für das edle Naturmaterial…

…hinten sind noch die originalen Kunstlederpolster eingebaut, deren Nähte allmählich aufreißen. Die Beinfreiheit ist übrigens hinten nicht überragend

Nachgerüstet: Dreipunktgurte hinten…

…mit elegant versteckten Gurtrollen im Kofferraum

Innenraum, Elektrik, Sonstiges

Innenausstattung:

Ersatzbeschaffung ist eigentlich kein Problem. Auch wenn der Kunststoff der Seriensitze schnell altert und reißt, gibt es fähige Sattlerbetriebe, die einem für einen Fixpreis neu zugekaufte Bezüge montieren. Schwieriger ist es mit Armaturentafeln, deren Kunststoff versprödet und zur Rissbildung neigt.

Spaghetti grande confusione: Hier hat wirklich niemand eingebrochen! Bis auf den nachgerüsteten vorgeschriebenen Warnblinkerschalter und die für dieses Modell falsche Lenksäule (normalerweise sitzt das Zündschloss links) sieht es unter dem Armaturenbrett schon ab Werk so wild aus …

Die Tachos gehen oft schamlos vor. Diese Giulia rennt nach Instrument bis 200 km/h – GPS-gemessen sind’s dann doch „nur“ 180

… aber die appetitliche Optik des Armaturenbretts mit Echtholz macht sofort alles vergessen. In der Giulia Limousine ist das Lenkrad entweder aus schwarzem Kunststoff oder aus Holzimitat. Hier ist ein minimal kleineres Echtholz-Lenkrad aus dem GT Bertone eingebaut.

Wassertemperatur und Öldruck werden auf Zusatzinstrumenten in der Mittelkonsole angezeigt

Herrlich unergonomisch: Schalter für Wischer, Heizgebläse und die Instrumentenbeleuchtung befinden sich auf der Mittelkonsole, wo sie eigentlich niemand vermuten würde

Elektrik / Schalter:

Schon die serienmäßige Elektrik unterm Armaturenbrett sieht wüst aus. Schlimmer wird’s, wenn da von Heimwerkern noch eine Stereo-Anlage dazu montiert wird. Trotzdem sind echte Elektrik-Defekte eher selten.

TECHNISCHE DATEN

ALFA ROMEO GIULIA (Limousine)
Baujahr: 1962-1978
Motor: Vierzylinder-Reihenmotor
Hubraum: 1.290 oder 1.570 ccm
Leistung: 57 bis 82 kW
Max. Drehmoment: k. A.
Getriebe: Fünfgang-Handschaltung
Antrieb: Hinterrad
Länge/Breite/Höhe: 4.140/1.560/1.430 mm
Gewicht: 1.000 / 1.040 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 16 s / 12 s
Preis: DM 11.990 (Giulia 1600 Bj. 1973)

Text und Fotos: Martin Henze