Land Rover Defender – Der Letzte seiner Art

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Die schlechte Nachricht vorweg: Der kultige Land Rover Defender wird sterben – die Produktion endet wohl 2015. Diverse EU-Vorschriften bereiten ihm den Tod. Die gute Nachricht: Angeblich haben trotz rauer Einsatzbedingungen noch drei Viertel aller seit 1948 gebauten Exemplare bis heute überlebt. Auf die Rote Liste für Artenschutz muss der Landy deshalb also nicht. Und noch kann man ihn ja neu kaufen. Sollte man das tun?

Ein Neuwagentest in der TRÄUME WAGEN? Ja und nein. Zwar hat unser Land Rover Defender seine Erstzulassung aus 2013 und erst 3.000 Kilometer auf dem Zähler, trotzdem ist er im Grunde seines Leiterrahmens der womöglich letzte Oldtimer, den man heute noch neu erwerben kann.

Kommen Sie uns jetzt nicht mit den retro-gestylten Neuauflagen von Klassikern wie dem Beetle, dem aktuellen Mini oder dem Fiat 500. Die haben mit ihren Ahnen nur noch optische Zitate gemeinsam – in Wahrheit sind es Neuwagen, wie das meiste andere auch, was aktuell in Großserie von den Bändern läuft. Den T2-Bulli, sagen Sie? Den bekommen Sie allerdings nur als „Bückware“ über Dunkelgrau-Importe und mit diversen Ausnahmegenehmigungen für die Zulassung. Am Ende bleibt nur der gute alte „Landy“, der seit 1989 in Abgrenzung zur damals um den „Discovery“ erweiterten Modellpalette „Defender“ heißt.

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Am Heck ist das Ersatzrad noch erlaubt, bei Neuwagen nicht mehr auf der Motorhaube

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Unser Referenzfahrzeug hatte die „Heavy-Duty“-Stahlfelgen drauf

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Fürs Grobe gemacht: Auch der moderne Defender fährt mit Ihnen über Stock und Stein

 

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Übersichtlich: Geschwindigkeit, Wegstrecke, Wassertemperatur und Tankfüllstand braucht der Landy, der Drehzahlmesser ist schon ein verzichtbares Gimmick …

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Schlichte Stoffsitze vorne und hinten gehen im Landy völlig in Ordnung, die hinteren lassen sich beim 90er-Radstand nur durch die Hecktür „entern“ und für eine größere Ladefläche seitlich wegklappen

„Defender“ heißt auf Deutsch „Verteidiger“, und damit kann beim Landy ja eigentlich nur die Verteidigung des Konzepts gegen jedwede Modernismen gemeint sein. Das gelingt dem Landy hervorragend (der Spitzname „Landy“ passt übrigens genau genommen auch nur auf das Original, den Defender). Dieser Urtyp aller Geländewagen ist so erfrischend urtümlich geblieben, dass man ihn üblicherweise nicht trotz seiner Schrullen, sondern gerade wegen dieser kauft. Und Schrullen hat auch das 2013er-Modell einige.

Das beginnt bereits vor dem Einsteigen: Erinnern Sie sich noch an Wegfahrsperren, Zentralverriegelungen und Alarmanlagen, die gesondert vom Schlüssel zu bedienen waren? Das war Ende der 1980er in Mode. Gibt’s nicht mehr? Gibt’s doch noch. Beim Landy nämlich. Was wegen Fehlbedienung durch den unkundigen Tester dazu führte, dass unser Testwagen beim Öffnen der Fahrertür auf dem Hof der Hamburger Land Rover und Jaguar-Vertretung Krüll mit lautem Gehupe unschicklich die distinguierte hanseatische Ruhe störte. Wie peinlich. Durch wildes Gedrücke auf die Tasten der Fernbedienung ließ sich das Malheur nach zehn langen Sekunden beenden. Zum Glück blieb dies mein einziger Fauxpas mit dem Wagen.

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Permanenter Allradantrieb und zwölf Vorwärtsgänge, wenn man die Verdopplung durch die Geländeuntersetzung berücksichtigt

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Etwas Luxus: El. Fensterheber vorn, el. Sitz- und Windschutzscheibenheizung sowie ein Bluetooth-fähiges Alpine-Autoradio im klassischen DIN-Format

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2007 entfielen die Belüftungsklappen unterhalb der Windschutzscheibe – und damit eine der Quellen für Wassereinbruch in den Innenraum. Die Frontscheibe ist auch nur noch angedeutet klappbar

Natürlich existieren auch andere Details, die an dem Landy vorgestrig und manchmal auch etwas roh wirken – die ringsum plane Verglasung beispielsweise, reihenweise offen liegende Schraubenköpfe im Innenraum und außen aufgesetzte Türscharniere, das Fehlen von Airbags, sogar ABS ist nur optional erhältlich. So etwas findet man sonst nur noch bei Baumaschinen. Ebenso übrigens wie die zahlreichen miteinander vernieteten Karosseriebleche aus Aluminium oder Stahl, die fast alle ab Werk so wellig sind wie die Nordsee vor Brighton bei Wind. Und ebenso wenig wie man einen Bagger oder Radlader mit Luxus-Extras ausstatten würde, braucht der Landy Ledersitze oder Aluräder – obwohl man beides bekommt, wenn man unbedingt möchte. Doch selbst wenn es ganz gut aussieht, bleibt es nur ein ziemlich hilfloser Versuch, dem Wagen aktuellen SUV-Appeal zu verleihen. Ein Range Rover (der klar nach solchen Attributen verlangt) wird trotzdem nicht daraus, erst recht kein Porsche Cayenne. Soll ja auch nicht.

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Ein großes „Schmuggelfach“ auf dem Mitteltunnel

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Nüchtern wie aus einem 70er-Jahre-Volvo: Das Armaturenbrett. Airbags? Auch 2013 Fehlanzeige

 

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Erstaunlicherweise macht der „Naturbursche“ Defender auch in den Boutiquenmeilen unserer Großstädte eine gute Figur

Vom Porsche trennt den Landy übrigens weit mehr als nur ein paar Augen und Händen schmeichelnde Komfortzutaten – vor allem natürlich die Fahrleistungen. Zwar ist der aktuelle Defender mit der einzigen noch lieferbaren Motorisierung – einem 2,2 l-Vierzylinder Diesel mit 122 PS – schneller als jemals zuvor, woran das lang übersetzte Sechsganggetriebe seinen Anteil hat, aber auch damit ist bei 145 km/h Schluss und nicht erst bei weit über 200. So schnell möchte man mit dem Landy auch gar nicht fahren, einerseits wegen der schon bei der jetzigen Vmax sehr vernehmlichen Geräuschkulisse, die maßgeblich vom knurrigen Selbstzünder herrührt und andererseits wegen des ruppigen Fahrwerks mit den zwei Starrachsen, die seit Einführung der vierten Serie (1983) immerhin schraubengefedert sind.

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Zeitgeistiges Panorama-Fenster beim Station Wagon

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Aufgesetzte Tür- und Haubenscharniere. Wo gibt’s die sonst noch?

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ABS ist noch immer ein aufpreispflichtiges Extra

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Rauer Geselle: Der 2,2-Liter-Vierzylinder-Diesel ist eine Ford-Entwicklung. Er macht akustisch keinen Hehl daraus, wo die Kraft herkommt, ist aber durchzugsstark, relativ sparsam und sauber (EU 5)

Eines der zentralen Unterscheidungsmerkmale zwischen den unterschiedlichen Versionen ist der Radstand, der einige Jahre vor Einführung des Namens Defender auch den Typ bezeichnete. Es gab den 90er, den 110er, den 130er und in Südafrika auch eine „Stretch“-Ausführung, den 147er. Die Zahlen geben jeweils den gerundeten Radstand in Zoll an (beispielsweise sind es beim 90er genaugenommen 93 Zoll, beim 130er 127 Zoll). Auf Basis dieser verschiedenen Chassis waren und sind diverse unterschiedliche Aufbauvarianten erhältlich, vom Station Wagen über Soft- und Hardtop-Ausführungen, vom Pick-up (auch in einer High Capacity-Ausführung sowie mit Crew Cab) bis hin zu unzähligen Sonderaufbauten für spezielle Einsatzzwecke. Heute werden in Deutschland noch der 90er (als Dreitürer Station Wagon mit vier Sitzplätzen) sowie der 110er (als Fünftürer Station Wagon mit fünf beziehungsweise sieben Sitzplätzen) lieferbar.

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Arbeitstiere unter sich…

Ein Arbeitstier ist der Land Rover dabei geblieben, daran hat sich seit 1948 nichts geändert. Nach wie vor legen viele Landy-Eigner auf Daten wie Nutzlast, Anhängelast, Wattiefe, Verschränkungs- und Böschungswinkel mehr Wert als auf die Beschleunigung oder eben auch die Höchstgeschwindigkeit, und beim Zubehör liegen der „Dachgarten“ fürs Expeditionsgepäck und eine Seilwinde höher im Kurs als eine elektrische Sitzverstellung mit Memoryfunktion, ein Spurhalteassistent oder ein Tempomat mit Abstandsradar. Gut so, denn solche Spielereien werden ja ohnehin nicht angeboten. Immerhin sind auf Wunsch elektrische Fensterheber und eine Klimaanlage erhältlich, und die kurze Liaison mit Ford als Konzernmutter hat dazu beigetragen, dass das „Winterkomfortpaket“ außer der Sitzheizung auch eine elektrisch beheizbare Frontscheibe umfasst.

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Noch mal Luxus: Oben rechts ist der Klimakompressor im Bild

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Bei Fehldruck „hup!“: Gesonderter Sender der Zentralverriegelung mit Alarmanlage

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Kein Unfallschaden: Die vernieteten Karosseriebleche sind werksseitig so „wellaform“

Mit diesen Eigenschaften bleibt der Land Rover der ideale Begleiter für die Sahara-Durchquerung ebenso wie für Pferdeliebhaber, die häufiger auf matschigem Terrain mit schweren Anhängern rangieren müssen. Mit seiner enormen Anhängelast von 3.500 Kilo (gebremst) und seinem permanenten Allradantrieb sowie dem Sechsganggetriebe, dessen Gangzahl durch eine Geländeuntersetzung verdoppelt wird, hat er einige Alleinstellungsmerkmale, auf die auch Einsatzkräfte von Rettungsdiensten und Katastrophenschutz rings um den Globus ungern verzichten wollen werden. Es wird schwierig sein, einen würdigen Nachfolger für das kultige Multitalent zu kreieren. Freuen wir uns in diesem Zusammenhang mal lieber nicht auf 2015, sondern weinen ein paar Krokodilstränen wie seinerzeit bei „Daktari“, wo ein Land Rover die automobile Hauptrolle spielte – und pflegen die bis dahin produzierten Landys liebevoll weiter, damit wir noch ein paar Jahrzehnte etwas davon haben. Oder kaufen schnell noch einen dieser letzten neu erhältlichen Oldtimer – bei 26.690,- Euro geht der Spaß los (Softtop-Modell). Für das Geld restaurieren Sie keinen alten in den Neuzustand…

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Höhenverstellbare Anhängerkupplung: Zieht 3.5 Tonnen(gebremst)

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Bei gebrauchten Landys mitunter kritisch: An den Aufnahmepunkten der Alu-Karosserie am stählernen Leiterrahmen droht Kontaktkorrosion

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Die Handbremse wirkt beim Landy auf die Kardanwelle

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Ebenfalls Oldtimer- beziehungsweise briten-typisch: 3.000 Kilometer auf dem Tacho sind für einen Landy längst kein Grund mehr, völlig öldicht zu bleiben…

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Beinahe modern: Scheibenbremsen rundum und Schraubenfedern. Nur die Starrachsen hinten und vorn verraten ihre Anleihen im Nutzfahrzeugbau

Typische Mängel des Land Rover Defender

Da der Land Rover Defender ausgesprochen robust, zuverlässig und ausgereift ist, wird er nur sehr selten von Totalausfällen der Technik heimgesucht. Trotzdem konnten einige Detailmängel über die Jahrzehnte offensichtlich nie ganz abgestellt werden. Dazu zählen häufige Undichtigkeiten der Karosserie (Wassereinbruch), Öl-Leckagen im Antriebsbereich sowie Kontaktkorrosion an den Stellen, wo Aluminium-Karosseriebleche mit Stahlteilen verbunden sind. Das ist insbesondere beim Gebrauchtkauf zu beachten und kann langfristig nur durch eine gründliche Versiegelung der Blechteile mit stark kriechenden Korrosionsschutzmitteln in Schach gehalten werden.

TECHNISCHE DATEN

Land Rover Defender 
(Referenzfahrzeug)
Baujahr: 2013
Motor: 4-Zyl. Turbodiesel mit Common Rail-Direkteinspritzung
Hubraum: 2.198 ccm
Leistung: 122 PS / 3.500 U/min
Max. Drehmoment: 360 Nm / 2.000 U/min
Getriebe: 6-Gang Handschaltung plus Untersetzung (insgesamt 12 Gänge)
Antrieb: Permanenter Allradantrieb
Länge/Breite/Höhe: 5.283 / 1.948 / 1.351 cm
Gewicht: 1.887 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 15,8 s
Top-Speed: 144 km/h
Preis/Wert: NP ab 28.890,- EUR ohne Extras 
Wir danken der Jaguar / Land Rover-Niederlassung Krüll in Hamburg Bahrenfeld für die Überlassung des Referenzfahrzeugs