Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 (W116) – Benchmark

Als der Mercedes 450 SEL „Sechspunktneun“ 1975 als Krönung der Baureihe W116 auf den Markt kam, war das wie ein Donnerhall. Allerdings ein gut gedämpfter. Denn die repräsentative Limousine mit ihren 286 PS verkörpert pures Understatement, ist dafür jedoch gespickt mit allen technischen Finessen, die man sich damals nur wünschen konnte. Nicht nur die sollten intakt sein, wenn man sich heute für das noble Powerpaket aus Stuttgart interessiert

Mireille Mathieu, der zierliche „Spatz von Avignon“, hatte einen. Reinhard Mey, der sanfte Barde, ebenfalls. Das ist verbrieft. Auch eilige Großindustrielle oder Fernsehstars schenkten ihn sich damals selbst, den Mercedes 450 SEL 6.9, das leistungs- und ausstattungsmäßige Spitzenmodell der etwas barocken S-Klasse W116.

Sein Erscheinen wurde damals lange erwartet, denn der „Sechsneuner“ hatte einen legitimen Vorgänger, den 300 SEL 6.3 der S-Klasse W108/109, deren Produktion mit dem Modellwechsel bereits im Herbst 1972 ausgelaufen war. Einige Versuchsfahrzeuge waren auch schon lange unterwegs. Aber nach der Ölkrise und dem damit in breiten Bevölkerungsschichten erwachten Bewusstsein um schwindende Ressourcen bewies Mercedes so viel Fingerspitzengefühl, mit der Markteinführung der luxuriösen „Vollfettstufe“ der S-Klasse zu warten, bis der akute Nachrichtenwert der Krise vorüber war.

Im September 1975 war es dann so weit, und wie sein Vorläufer, der „Sechspunktdrei“, stellte nun auch der „Sechsneuner“ wieder die „Benchmark“ des deutschen Automobilbaus dar. Und zwar nicht nur wegen der enormen Leistung, sondern auch wegen der opulenten Ausstattungsmerkmale, die insbesondere im Fall des 450 SEL 6.9 mit einigen echten Innovationen aufwartete. Der alte wie der neue „Sechspunkt…“ trugen übrigens den sagenhaften Achtzylinder-Typ „M100“ unter der Haube, der seit 1964 das Ober-Flaggschiff der Marke, den Mercedes 600, antrieb – im „Sechsneuner“ allerdings in einer durch Hubraumvergrößerung auf unverschämte knapp sieben Liter kräftig aufgepowerten Version. Satte 286 Pferdestärken und das bislang höchste Drehmoment eines deutschen Serienmotors von 540 Nm bei 3.000/min sorgten für 
Fahrleistungen, die sich mit dem Urmeter der deutschen Sportwagen, dem Porsche 911, durchaus messen konnten. Tatsächlich lag der 911 Carrera 3,0 des gleichen Baujahres in der Beschleunigung mit 8,0 Sekunden von 0 auf 100 km/h gleichauf, wenn man fairerweise die Automatik- (beim Porsche Sportomatik) Varianten vergleicht. Denn den Benz gab es nicht mit Handschaltung, der Elfer mit 2,7-Liter-Motor war sogar eine Sekunde langsamer, und in der Spitzengeschwindigkeit lag auch der Carrera-Elfer mit dem dicken Mercedes mit 230 km/h gleichauf.

Im Limousinensektor gab es weit und breit nichts, was diese Pace auch nur ansatzweise mitgehen konnte. Solche Werte mögen heute, wo man mit einem Diesel-Golf genauso schnell unterwegs sein kann, wenig beeindruckend wirken – vor knapp 40 Jahren waren sie die Spitze des Universums und brachten Knaben allein beim Lesen der technischen Daten zu ehrfürchtigem Staunen. Und gestandene Männer zu der Aussage, dass man für den Wagen einen reifen Gasfuß benötigen würde.

Das stimmt auch heute noch bedingt – womit wir beim Fahrerlebnis wären, das ein „Sechsneuner“ in der Jetztzeit beschert. Die ersten Eindrücke nach dem Umstieg aus dem eigenen 124er Benz mit Vierzylinder-Benziner entstehen natürlich schon beim Einsteigen in die schnelle S-Klasse. Der allererste: Alles fühlt sich nochmals wesentlich wertiger an, das beginnt bereits mit den herrlichen verchromten Schlaufen-Türgriffen und dem satten Schließgeräusch, wenn die schweren Portale ins Schloss fallen. Die Sitze fühlen sich auch noch sofamäßiger an als das Seriengestühl in meinem Alltags-„Schwellenklassiker“, das Platzangebot in der S-Klasse ist erwartungsgemäß verschwenderisch und nicht mit dem W124 zu vergleichen.

Der zweite Eindruck vermittelt dann schon das Gefühl tiefer Vertrautheit. Der Dreh-Lichtschalter sitzt an der gleichen Stelle, über den Dreh-Blinkerhebel lässt sich damals ebenfalls schon der Scheibenwischer betätigen, der Automatik-Wählhebel wird ebenfalls durch die typische mäandrierende Kulisse gefädelt. Und sogar der Hebel für den serienmäßigen Tempomaten (!) ist der gleiche wie beim Youngster der 1990er Jahre.

„So, Herr Schneider, Ihre Limousine steht bereit …“

Sobald das Triebwerk gestartet wird, endet die Vergleichbarkeit mit dem W124 allerdings. Der Achtzylinder mit Trockensumpfschmierung (13 Liter Ölinhalt) säuselt sanft vor sich hin, wie es sich für einen Mercedes geziemt. Auf die kapriziöse Achtstempel-Einspritzpumpe des 600ers hat man hier zugunsten einer preiswerteren K-Jetronic verzichtet. Das schadet nicht, denn im Gegensatz zur Repräsentationslimousine 600, die häufig nur auf kurzen Strecken benötigt wird, ist der Sechsneuner zum zügigen Durchmessen langer Distanzen gebaut.

Ein Spritverbrauch jenseits der 20-Liter-Marke durfte und darf damalige wie heutige Besitzer dabei nicht schocken, sonst ist der Wagen ohnehin nichts für sie. Hinzu kommen überdurchschnittlich hohe Wartungskosten und Ersatzteilpreise.

Beim Cruisen durch die Stadt fällt auf, dass auch die Langsamfahrt eine passende Gangart für den Wagen ist. Mir fällt dazu spontan der Werbespruch „Zu wissen, es ist Platin“ ein. Auch wenn man sich gerade mit Polos und Pandas durch die City staut, ist es jederzeit ein erhabenes Gefühl, das Gaspedal zur souveränen Fortbewegung maximal einen Zentimeter weit durchtreten zu müssen, wo der Kleinwagen neben einem schon alle Register ziehen muss.

Wer es mit dem Understatement auf die Spitze treiben wollte, konnte aus der für dieses Modell überschaubaren Sonderausstattungsliste die kostenfreien Optionen 260 und 261 dazu buchen – „Wegfall Typenkennzeichen Heckdeckel“ und „Wegfall Hubraumzahl Heckdeckel“.

Um mit diesem Benz etwas mehr aufzufallen, kann man – wie der Neuwagenkäufer unseres Referenzfahrzeugs aus dem Bestand des Hamburger Klassikerhändlers Mirbach – eine Außenlackierung im zeitgeistigen Metalliclack „Ikonengold“ ordern und mit einer Individualausstattung „schwarzes Vinyldach“ noch einen draufsetzen. Heute wirkt gerade das an diesem Wagen herrlich schrill.

Ebenfalls auffallen kann man, wenn man bei freier Bahn durch einen kurzen Kickdown „das böse Tier“ im Benz erweckt. Da drehen sich schon einige Passanten um, wenn die Motorhaube des Oldies mit dem guten Stern dann leicht nach oben weist und man mit sanfter Macht in die Polster gedrückt wird. Während sich also der Mercedes mit seinen beinahe zwei Tonnen Lebendgewicht anschickt, „mach 1“ zu erreichen, wird der Motor zu keiner Zeit unangenehm laut. Er entfaltet lediglich ein dumpfes Grollen, das beinahe vom unflätigen Schlürfen der Kraftstoffpumpen übertönt wird, die den 96-Liter-Tank in Windeseile leersaufen.

Plötzlicher Vollgaseinsatz ist auch der Betriebszustand, der bei fahrassistenzverwöhnten Neuzeit-Piloten kritisch enden kann, denn ein heckgetriebenes Auto der gewichtsmäßigen Kleinlasterklasse kann auch mit einem erstklassigen Fahrwerk eine tückische Eigendynamik entfalten.

Für optimalen Federungskomfort ohne Handlingnachteile wurde der „Sechsneuner“ übrigens serienmäßig mit einer Hydropneumatik ähnlich der der großen Citroën-Modelle ausgestattet. Doch zum Glück stammt dieser Technik- und Power-Overkill aus Stuttgart, was für hohe Qualität bürgt und eine verhältnismäßig gute Ersatzteilsituation sichert, auch wenn es hier längst nicht mehr alles aus dem Katalog neu gibt.

Und so kann einen ein ungepflegter 6,9er auch locker in den Ruin treiben. Vor allem der Ersatz für die zahlreichen Komfort-Features und für Dinge, die im gewöhnlichen Aftermarket-Handel nicht erhältlich sind, werden mit Gold aufgewogen. So kostet eine Wasserpumpe im Austausch um die 1.000,- Euro, die Reifen pro Stück rund 500,-, eine Teil-Auspuffanlage mehr als 600,- Euro und für die Komplettrevision des Motors werden auch schon mal 20.000 Euro aufgerufen. Einige wenige Basis-Verschleißteile wie Bremsscheiben hinten, die man noch im gewöhnlichen Ersatzteilhandel bekommt, sind mit gut 30 Euro allerdings auch nicht teurer als dasselbe Teil für einen aktuellen Kleinwagen.

Leider spielt auch beim Luxusliner Sechspunktneun das Thema Korrosion eine wesentliche Rolle, worauf wir in der nachfolgenden Detailbetrachtung näher eingehen werden.

Weshalb denn nun ein Sechsneuner? Natürlich kann man auch mit einem „gewöhnlichen“ Mercedes 450 SEL der Baureihe W116 glücklich werden. Der war 1975 neu mit 44.444,40 Mark ziemlich genau 15.000 Mark (oder ungefähr den Gegenwert eines 200er-Strichachter-Benz) billiger. Aber was soll man machen, wenn man frei nach Oscar Wilde einen ganz einfachen Geschmack hat – „einfach nur das Beste“?

Schlechte Haubenpassungen und schief sitzende Stoßstangen sind ein Indiz für Unfallschäden. Unter den dünnen Zierleisten über Scheinwerfern und Blinkern keimt gern der Rost

Der Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 im Detail

Karosserie, Unterboden

Front, Motorraum, 
Vorderkotflügel

Auch eine ehemalige Luxuslimousine wie der 450 SEL 6.9 hat Ende der 1980er Jahre mal ein Preistief durchschritten, das ihn theoretisch auch für jobbende Studenten erschwinglich machte. Den meisten fehlte dann allerdings das Geld für vernünftigen Werterhalt und die Wartung. Andere Fahrzeuge dieses Typs waren einfach auch nur bei Wind und Wetter viel unterwegs. Und weil der Baureihe keine überdurchschnittliche Korrosionsvorsorge zuteil wurde, gehört eine gründliche Inspektion auf Rostschäden ebenso wie ein Check auf (schlecht reparierte) Unfallschäden zum Pflichtprogramm.

Der am rechten Radhaus sitzende Trockensumpftank neigt zu Durchrostungen

An der Nahtstelle der Bugschürze zum Kotflügel gammelt’s ebenfalls häufig

Am linken Seitenteil kommt es zu Kontaktkorrosion zwischen dem Alugehäuse des Steuergeräts und der seitlichen Schottwand. Kuschelig warm oder sicher bremsen? Die Option 228 „Standheizung“ war nicht in Kombination mit dem sonst erhältlichen ABS lieferbar

Verdächtige Anzeichen für einen größeren Frontschaden in der Vorgeschichte sind zum Beispiel „Knitterfalten“ an den normalerweise glatten Außenseiten der Längsträger. Ungleichmäßige Spaltmaße zwischen Hauben, Türen und Kotflügeln können, müssen aber kein Indiz für Karambolagen sein. Da die originalen Kotflügel oft um die Scheinwerfer herum, aber auch im Bereich der Anschraubkanten und der A-Säule gammeln (auf Blasenbildung achten), wurden sie oft durch nachgefertigte Kotflügel ersetzt, die bisweilen eine schlechte Passgenauigkeit aufweisen. Im Motorraum finden sich noch weitere korrosionsgefährdete Stellen, beispielsweise die Oberseiten der Längsträger zur Spritzwand hin, auf denen Wasser stehen bleiben kann, aber auch die Ecken zur A-Säule hin, wo es Wasserabläufe gibt, die häufig von Laub verstopft sind.

Schweller

Der klassische Bereich für Durchrostungen bei allen Autos dieser Ära sind die Schweller, da bildet auch der Sechsneuner keine Ausnahme. Selbst bei sonst guten Autos präsentiert sich die Blechpartie unter den Türen oft entweder als Schweizer Käse oder als „Zwiebel“, wenn bereits die x-te Reparaturblechlage über den Rost gebraten wurde.

Unter der serienmäßigen Schweller-Blende sitzt oft ein Blender, denn damit lassen sich Pfuschreparaturen an den Einstiegen gut kaschieren…

…der Bereich um die besonders korrosionsanfälligen Wagenheberaufnahmen ist allerdings trotzdem gut einsehbar

Kaum weniger schlimm sind die immer noch anzutreffenden Prestolith-Flickschustereien an diesen tragenden Teilen, die sich durch eine Klopfprobe entlarven lassen. Im Übrigen können die Schweller durch vorsichtiges Aufbocken mit dem serienmäßigen Wagenheber im Einsteck-Rohr auf Stabilität getestet werden. Wenn die Rohre nicht mehr zu finden sind (weil bei der Blechreparatur ersatzlos gestrichen), weiß man immerhin gleich, woran man ist. Der Wagenhebertest sollte nur mit ausdrücklichem Einverständnis des aktuellen Eigentümers erfolgen und sofort abgebrochen werden, wenn sich die Wagenheberaufnahme unter Knirschen hebt. Dann ist nämlich die gesamte Struktur geschwächt und man muss sich ernsthaft fragen, ob man sich einen solchen Patienten noch antun möchte. Am Ende wird daraus eventuell eine ungeplante Vollrestaurierung.

Die Türen sind nicht übermäßig rostanfällig, solange die Ablauflöcher frei sind. Die Türböden sollten trotzdem genau inspiziert werden

Hängen die Türen? Dann wurde der Schmierdienst der Scharniere vernachlässigt

Gleichmäßige Türspaltmaße sind ebenfalls ein wichtiges Kriterium für einen guten Kauf

Türen

Etwas bücken sollte man sich, um die Türböden nicht nur zu befühlen, sondern auch zu betrachten, denn speziell an den Falzkanten lauert häufig der „Gilb“. Die Reparatur ist aufwändig. Manchmal ist es da sinnvoller, eine rostfreie gebrauchte Tür einzubauen.

Bodenwannen

Die Bodenwannen rosten entweder von außen nach innen durch (dann meist zuerst vorne links und rechts an den Übergängen zu den Radhäusern) – manchmal aber auch umgekehrt von innen nach außen. Zum Beispiel dann, wenn Wasser ins Auto gelaufen ist, was im Verborgenen für ein Feuchtraumbiotop sorgt. Deshalb heißt es vor dem Kauf: Unbedingt Teppiche und Dämmmatten hochnehmen und den Boden soweit möglich gründlich untersuchen.

Korrosion an den Bodenwannen kommt oft nicht nur von unten, sondern von innen, wenn sich unter den dicken Dämmmatten ein Feuchtbiotop gebildet hat – und dann beginnt es meist vorne

Heckbereich, 
hintere Radläufe

Äußerlich gut sichtbar ist Blasenwurf an den hinteren Radlaufkanten, eine mit Prestolith nachmodellierte Radlaufkante zeigt sich durch Magnetprobe sowie durch ihre konturarme Formgebung (was am besten im Vergleich zu einem intakten Auto auffällt). Die meisten für diese Partien erhältlichen Reparaturbleche sind von der Passgenauigkeit her nicht das Gelbe vom Ei. Ansonsten sind die seitlichen „Taschen“ am Kofferraum und die Heckschürze rostgefährdet.

Bei Letzterer sind unterhalb der Stoßstange oft auch Beulen nach einem Heckschaden zu erkennen. Den Kofferraum sollte man unbedingt auch von innen inspizieren (Bodenmatte hochnehmen, Reserverad herausnehmen), denn da lauert manche weitere Überraschung, insbesondere in den Bereichen der Hinterachsaufnahme. Ist dieser Hilfsrahmen durchgerottet, was sich besser noch von unten prüfen lässt, kann die gesamte Achse seitlich „wandern“, was sich in einem absolut kritischen Geradeauslauf ausdrückt und spätestens bei der nächsten Hauptuntersuchung die sofortige Stilllegung noch auf dem Hof des Prüfers nach sich zieht. Hier sollten gleich auch die bogenförmigen Träger gecheckt werden, die oberhalb der Achswellen an den Innenseiten der Radkästen sitzen.

Rostschäden an den hinteren Radlaufkanten wird oft mit schlecht passenden Reparaturblechen oder mit Spachtelmasse begegnet

Die rostgefährdeten seitlichen „Taschen“, die Reserveradwanne und das Heckabschlussblech sollten vom Kofferraum aus …

… aber auch von unten untersucht werden

Durchrostungen an den Hinterachsaufnahmen und den Schweller-Endspitzen innen sind aufwändig zu beseitigen, denn dazu muss die Hinterachse demontiert werden

Gammelt’s an einer der erwähnten Stellen, sind ordentliche Reparaturen ausgesprochen aufwändig durchzuführen. Ohnehin sollten angesichts der Verfügbarkeit „gesunder“ Sechsneuner nur Menschen zu einem im Blech reparaturbedürftigen Exemplar greifen, die das Handwerk perfekt beherrschen und solche Arbeiten als angenehmen Freizeitvertreib ansehen.

Er wird sie länger beschäftigen als meist vermutet. Durchschnittsschraubern sei speziell bei diesem Modell dringend von Mängelexemplaren abgeraten.

Kraftpaket und Langläufer: Der ursprünglich aus dem 600er stammende Achtzylinder „M100“ ist bei guter Pflege ein Dauerläufer

Motor und Peripherie

Motorspezifisches

Der Motortyp M100 des Sechsneuners ist bei regelmäßiger Wartung ungeöffnet durchaus für mehrere hunderttausend Kilometer gut. Da er bereits Hydrostößel hat, entfällt die Ventilspielkontrolle.

Wichtige Indikatoren für ein mechanisch gesundes Aggregat sind ein ausreichender Öldruck (der Zeiger sollte im Leerlauf auch bei betriebswarmer Maschine keinesfalls unter 1 bar absinken und beim Gasgeben sofort an den oberen Anschlag schnellen). Aus dem Auspuff sollte kein Blaurauch kommen, sonst sind meist die Ventilschaftdichtungen verschlissen. Außerdem sollte der Motor rund und ohne un­gewöhnliche mechanische Geräusche laufen. Ab einem Kilometerstand von 250.000 wird der Austausch der Steuerkette empfohlen, wobei auch die Gleitschienen zu wechseln sind. Unrunder Motorlauf rührt übrigens häufig von veralteten Zündkabeln her, wo es zu Funkenüberschlägen kommen kann. Die Einspritzventile und der Mengenteiler der K-Jetronic mögen keine langen Standzeiten.

Der Öldruck darf bei betriebswarmer Maschine im Leerlauf nicht unter 1 bar sinken

Veraltete Komponenten des Zündgeschirrs (Kabel, Verteilerkappe, Kerzenstecker) können für unrunden Motorlauf sorgen

Reparaturen an der im Alter häufig undichten Klimaanlage (im Bild der vorgelagerte Klimakühler mit Elektrolüfter) sind immer kostspielig

Die Drehstromlichtmaschine hat mit 75 A für damalige Verhältnisse eine hohe Leistung, aber es sind auch extrem viele Komfortverbraucher zu versorgen

Selten wirklich dicht: Anschlüsse der Trockensumpf-Leitungen

Neue Benzinpumpen – der Sechsneuner hat zwei davon – sind noch erhältlich, aber teuer

Getriebe, 
Kraftübertragung

Getriebe

Das Dreigang-Automatikgetriebe harmoniert hervorragend mit der Drehmomentcharakteristik des Motors und kann ein Autoleben lang halten. Verzögerte oder stark 
ruckende Schaltvorgänge der Automatik sind meist auf verschlissene oder schlecht eingestellte Bremsbänder zurückzuführen (die Einstellung ist nicht so teuer, erfordert aber auch speziellen Sachverstand). Mitunter hilft auch ein Wechsel des Automatikgetriebeöls (ATF) sowie des Ölfilters.

Leichte Undichtigkeiten (Schwitzen) der Dreigang-Automatik sind hinnehmbar

Ein serienmäßiger Ölwechsel erhält dem hoch belasteten (Sperr-)Differential der Hinterachse ein langes Leben. Achten Sie auch auf den Zustand der Hardyscheibe an der Kardanwelle

Kardanwelle, Hinterachse, Differential

Ein nicht ganz so seltener Mangel ist ein defektes Kardanwellen-Mittellager, das sich durch Dröhngeräusche am Getriebetunnel bemerkbar macht. Eine typische Verschleißreparatur, mit der man nach vielen Jahren genauso rechnen muss wie mit einer defekten Hardyscheibe der Kardanwelle. Das serienmäßige Sperrdifferential kann im hohen Alter anfangen zu singen, es hält dann aber meist immer noch lange. Ein turnusmäßiger Ölwechsel sowie die Ölstandskontrolle zwischendurch sollten selbstverständlich sein, denn die Differentiale neigen zu leichten Öl-Undichtigkeiten.

An der Vorderachse verzögern moderne innenbelüftete Scheibenbremsen …

… während hinten einfach nur massive Scheibenbremsen zum Einsatz kommen

Fahrwerk, Lenkung, Bremsen

Bremsanlage

Der Sechspunktneun verfügt erwartungsgemäß serienmäßig über standfeste Scheibenbremsen rundherum, die eine gute Verzögerungsleistung bieten. Die vorderen Scheiben sind innenbelüftet. Gelegentlich ist eine festgegammelte Feststellbremse zu beobachten. Sie wirkt auf kleine Trommeln in den Hinterrädern. Bei selten bewegten Autos gehen auch mal die Bremskolben in den Sätteln fest.

Der Höhenkorrektor der Hydropneumatik muss korrekt eingestellt sein (hier ist eine Kontermutter lose)

In Bildmitte: Eine der fünf mit Stickstoff gefüllten Federkugeln, die mit der Zeit ihren Druck verlieren. Die Folge: Die Federung wird bretthart

Vorratsbehälter der Hydraulikflüssigkeit für die Federung

Federung, Radaufhängung

Über das hervorragende hydropneumatische Fahrwerk des Sechspunktneun gibt es keine zwei Meinungen. Das gilt natürlich nur, wenn alle Komponenten in Ordnung sind. Reparaturen daran sind Spezialistensache und meist teuer. Ein paar einfache Tests können allerdings schon mal Anhaltspunkte für mögliche Schäden geben: Fährt („schwebt“) der Wagen geschmeidig über Straßenunebenheiten oder ist er bretthart? Dann haben nämlich die Federkugeln (es gibt insgesamt fünf davon) ihre Gasfüllung eingebüßt. Auch eine Wippprobe von Hand gibt Klarheit darüber. Das Auto muss dabei einfedern. Mit einem kleinen Hand-Knopf im Armaturenbrett lässt sich das Fahrzeug um vier Zentimeter höher legen, um Hindernisse auf der Straße besser überwinden zu können. Testen Sie, ob das so ist. Ansonsten können auch die zahlreichen Buchsen der Vorder- und Hinterradaufhängung (Einzelradaufhängung) verschlissen sein. Eine Komplettüberholung beider Achsen kann einen höheren vierstelligen Eurobetrag verschlingen.

Mit dem Zugknopf im Armaturenbrett lässt sich der Wagen …

… um vier Zentimeter heben …

… und auch wieder absenken. Das sollte unbedingt funktionieren

Lenkgetriebe, Umlenk­hebel, Spurstangen

Die Zahnsegmentlenkung mit Servounterstützung entwickelt ebenso wie der Umlenkhebel auf der Beifahrerseite und die Spurstangenköpfe häufiger verschleißbedingtes Spiel. Mit einem Helfer den Zustand bitte prüfen. Ersatz ist hier vor allem beim Lenkgetriebe extrem teuer.

Das Lenkgetriebe mit Servounterstützung kann Öl verlieren, der Umlenkhebel und die Spurstangen können ausschlagen. Diese Mängel sind einfach zu prüfen, die Überholung des Lenkgetriebes ist exorbitant teuer

Wohnlich: Beheizte Ledersitze vorn …

… auf der Fahrerseite mit Sitzhöhenverstellung …

… und jede Menge Beinfreiheit (SEL – L für „lang“) im Fond

Innenraum, Elektrik

Innenausstattung

Die Innenausstattungen beim Sechspunktneun waren ab Werk in unterschiedlichen Farben lieferbar und nach unserer Information grundsätzlich Lederpolster. Leichte Gebrauchsspuren am Leder werden als Patina häufig eher positiv bewertet. Eine Sitzbeheizung gab es optional – sogar für die Rückbank, für die man im übrigen auch eine elektrische Verstellung ordern konnte.

Elektrik, Schalter

Grundsätzlich ist die gesamte elektrische Ausrüstung von typischer Mercedes-Qualität. Auch eine hohe Reparaturfreundlichkeit ist bereits ab Werk gegeben, indem alle elektrischen Anschlüsse mit soliden Steckverbindern ausgeführt sind. Testen Sie unbedingt sämtliche elektrischen Helfer, denn eine Reparatur der zahlreichen Komfortoptionen ist auf jeden Fall teuer.

Wenn Sie alle diese Tipps berücksichtigen, schützen Sie sich vor teuren und unliebsamen Überraschungen …l

Funktionieren alle elektrischen Helfer wie Tempomat & Co? Reparaturen gehen hier sehr ins Geld

TECHNISCHE DATEN

Mercedes-Benz 450 SEL 6.9
Baujahr: 1977
Motor: V8
Hubraum: 6.834 ccm
Leistung: 210 kW (286 PS) bei 4.250/min
Max. Drehmoment: 560 Nm bei 3.000/min
Getriebe: Dreigang-Automatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 5.060/1.870/1.410 cm
Gewicht: 1.985 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 8,0 Sek.
Top-Speed: 230 km/h
Wert (Zust. 2): ca. 29.000,- Euro

aktuelle classic-tax-Preisnotierungen

Marke Modell Zustand 2 (in Euro) Zustand 4 (in Euro)
Mercedes-Benz 280 S (116) 10.500,- 2.300,-
Mercedes-Benz 280 SE (116) 12.000,- 2.600,-
Mercedes-Benz 350 SE (116) 13.900,- 3.100,-
Mercedes-Benz 450 SE (116) 15.000,- 3.500,-
Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 (116) 33.500,- 9.200,-

Weitere detaillierte Klassiker-Kaufberatungen finden Sie unter www.träume-wagen.de/kaufberatung

Fotos: Martin Henze