Porsche 964 Carrera 4

Der von 1988 bis 1994 gebaute Porsche 964 Carrera 4 ist so etwas wie der kleine Ableger des Supersportwagens 959. Er ist der erste Elfer, der das Allradprinzip des einstigen Technologieträgers übernahm. Auch sonst ist an ihm viel mehr neu als es das lediglich dezent geänderte Äußere erahnen lässt. Ob die Neuheiten zu besonderen (Kinder-)krankheiten führten, klären wir nachfolgend

Laufe der Jahrzehnte hatte Porsche der ehe-mals höchst brisanten „Heckschleuder“ 911 mit Hinterradantrieb und Heckmotor auch schon bis zum letzten „G-Modell“ durch fortwährende Fahrwerksverbesserungen bestmögliche Manieren anerzogen. Ein „Höllengerät“ wie die ganz frühen Elfer war er keinesfalls mehr. Doch es gab noch Potential nach oben: Spätestens seit dem Audi quattro von 1980 wusste man um die Vorzüge des permanenten Allradantriebs auch bei reinen Straßenfahrzeugen. Das deutliche Plus an Traktion gegenüber dem bisherigen Audi-Frontantriebskonzept ließ sich nicht nur auf Schnee und Eis gut nutzen, sondern auch auf gewöhnlichem trockenem Untergrund.  Vor allem bei hohen Motorleistungen und im Motorsport war das „quattro“-Konzept erkennbar überlegen. Dass das Allradprinzip auch bei Heckantriebsfahrzeugen vorteilhaft war, bewies Porsche mit dem 1986 präsentierten Supersportwagen 959, und so wurde der 4×4-Antrieb des Technologieträgers zwei Jahre später auch für den damals neuen Elfer mit dem Typcode 964 adaptiert. Zunächst gab es den Neuen ausschließlich in der Allradversion „Carrera 4“ mit Coupé-Karosserie. Die rein heckgetriebene Variante Carrera 2, der Targa und das Cabriolet wurden erst im Folgejahr nachgeschoben. So lange wurde das heckgetriebene so genannte „G-Modell“ noch parallel weiter produziert. Die geringe Veränderung des äußeren Erscheinungsbilds gegenüber dem G-Modell ließ nicht erkennen, was sich unter dem Blech getan hatte. Lediglich die nun wuchtigeren Stoßfänger und die neue Rückleuchtenpartie sind die auffälligsten Neuheiten. Die wahre Revolution steckte beim 964 unter dem Blech: Über 80 Prozent der Teile sind völlig neu entwickelt worden, unter anderem der von 3,2 l auf 3,6 l vergrößerte Motor mit Doppelzündung und die Vorder- und Hinterradaufhängung, die nun über McPherson-Federbeine beziehungsweise Schrau- benfeder-/Dämpfereinheiten anstelle der bisherigen Drehstabfederung verfügte.

Der 964 ist der letzte Elfer, der noch stolz die steilen Scheinwerfer in die Höhe reckt

Billig – und sehr oft erlahmt: Gasdruck-Haubenaufsteller

Der hohe Renovierungsaufwand am 911er hatte einen Grund: Ende der 1980er-Jahre begann die Porsche-Ikone technologisch ins Abseits zu driften, während weder der 928 noch der 944 ihre Rolle übernehmen konnten. Dagegen half nur eine konsequente Neupositionierung des Elfers, bei der auch die Mitbewerber im hochpreisigen Coupé- und Cabrio-Segment ins Visier genommen wurden. Bislang waren die Fronten klar: die Zuffenhausener waren mit dem 911er für den Bau faszinierender, aber kompromissarmer Fahrmaschinen zuständig, während Käufer mit gehobenen Komfortwünschen ein paar Stuttgarter Stadtteile weiter in Untertürkheim vorstellig werden mussten.Der 911er (Typ 964) ist zwar noch nicht der weichgespülte „Lenor-Porsche“, wie das Magazin Auto Bild zehn Jahre später den 996 betitelte, aber es ist doch unübersehbar, dass die Entwickler jetzt erste Versuche unternahmen, Mercedes einen Teil seiner SEC- und SL-Kundschaft abzuwerben – allerdings mit dem klaren Anspruch, diesen auch einen „richtigen“ Sportwagen zu bieten.

Der große Tank lässt nicht viel Platz im Kofferraum – beim Carrera 4 geht’s noch enger zu als beim Carrera 2…