Leserauto: 1954 Buick Riviera Super von Ewald Gössler

Ewald Gössler aus der Steiermark hat mit regionalen Produkten wie Puch, Steyr oder Mercedes G nichts am Hut. Konsequenterweise fährt er daher einen 1954er Buick Riviera Super — sozusagen die Krönung einer langen US-Car-Karriere

Der Mann brennt. Wer mit vier Kumpels 2000 Kilometer von Graz nach Västerås in einem 72er Cadillac runterprügelt, sich die schwedische Hotrod-, Musclecar- und Dinokultur reinzieht und tags drauf erneut 2000 km retour unter die Räder nimmt, muss auch brennen. Sogar im doppelten Sinne. Wer jetzt irritiert auf die Fotos schaut: Ewald fährt keinen 72er Caddy, den hat sein Spezi beigesteuert. Ewalds Herz gehört einem 67 Jahre alten Buick Riviera Super mit 5,3-l-Nailhead-Motor und Dynaflow-Automatik – der mit Abstand beste Automat, den es damals zu kaufen gab. Auch wenn er nur zwei Gänge hatte. Wer einen Dino aus den 50er-Jahren fährt, ist der King of the Road, muss sich aber mit schwammiger Lenkung, trampeliger Starrachse und den ewig gleichen dummen Sprüchen abfinden. „Der braucht doch mindestens 20 Liter“ oder „Der Tankwart ist bestimmt dein bester Freund“. Haha, Ewald kann diese Sprüche einfach nicht mehr hören. Erstens braucht der Buick fast 30 Liter, zweitens kennt er noch immer keinen Tankwart persönlich, und drittens kommen diese Sprüche stets von Typen, die gerade ihrer Frau einen 50.000-Euro-Einkaufs-und-Kinder-in-die-Schule-fahren-SUV gekauft haben. Allein vom jährlichen Wertverlust kann Ewald mindestens hundertmal volltanken. Und wer keine 25.000 Kilometer im Jahr fahren will, kann ja mal den Spritmehrverbrauch in Fahrspaß umrechnen.

Aber jetzt mal von Anfang an. Es war vor 14 Jahren, Ewald brauchte ein Auto, und der Verkäufer brauchte das Geld. Per Zufall hatte er den Wagen im Internet entdeckt, nicht mal so weit vom Süden Österreichs entfernt, in Stuttgart. Fahrbereit, H-Kennzeichen und TÜV. Es war Liebe auf den ersten Blick, der Oldie war im Superzustand und erst zwei Jahren zuvor aus dem sonnigen Kalifornien nach Deutschland geholt worden. Ewald kam, sah, kaufte und glitt beglückt auf eigener Achse ins heimische Gratwein-Straßengel. Wer´s genau wissen will: die sechstgrößte Gemeinde in der Steiermark, fusioniert aus Gratwein, Judendorf-Straßengel, Eisbach und Gschnaidt. Musste mal gesagt werden, wann hat man es schon mal mit derart klangvollen Namen zu tun …

Ewald war vom ersten Kilometer an geflasht, dabei ist er alles andere als unerfahren mit US-amerikanischen Autokulturgütern. Vor, bzw. neben dem Buick gab und gibt es noch weitere Klassiker im Hause Gössler: Chevy Caprice, Ford Econoline und ein Chevy G20 Camper, um nur mal die wichtigsten zu nennen. Letzter ist das Kontrastprogramm zum Buick und dient Ewald, Freundin Astrid und dem 13 Jahre alten Chihuahua Whisky als angemessenes Urlaubsdomizil. Für Wochenendtrips und Meetings mit Gleichgesinnten gibt’s den Buick, natürlich nur bei schönem Wetter.

Der gigantische Dino rockt auf jedem Meter, wie schon Chefdesigner Bill Mitchell seinerzeit ahnte. Der Mann, der auch die C2 entworfen hatte, war im Segment der Personal Luxury Cars zuhause. Der Riviera wurde als Konkurrent des viersitzigen Ford Thunderbird ins Rennen geschickt und sollte ursprünglich von Cadillac gebaut werden. Aus Kapazitätsgründen ging der Auftrag dann an Buick und sollte als eine Symbiose aus Ferrari und Rolls-Royce auch im europäischen Luxusmarkt Kasse machen. Das hat zwar nicht ganz geklappt, aber das Design des Riviera prägte etliche Folgemodelle vieler Hersteller.

Und damit die Spritztouren noch schöner werden, hat Ewald, gelernter Mechaniker, ein wenig Hand angelegt. Der Nailhead blieb unangetastet, auch die Automatik blieb, wo sie war, aber die Vorderachse wanderte gen Asphalt: vorne 2 ½ Zoll, hinten 4 Zoll tiefer, und schon sieht das Schlachtschiff custommäßig aus und bewegt sich optisch Richtung Lowrider. „Das ist alles jederzeit wieder umrüstbar“ versichert Ewald, dem es nun mal um den coolen Look geht, „im Auspuff ist noch eine elektrische Klappe – sieht keiner, hört sich aber besser an.“ Passende Rad-Zierkappen fand er in den USA und der Knaller ist das Radio im Handschuhfach: Zu modern für den 54er, das musste kaschiert werden.

Wo immer das gewaltige Coupé auftaucht, steht es im Rampenlicht, Handys klicken, hochgereckte Daumen und Dauergrinsen zeigen die neidvolle Begeisterung des Publikums. Ewald trägts mit Fassung, schließlich hat er den größten Spaß mit dem alten Recken. Das blasierte Haifischmaul, die Dagmar-Stoßstangen-Hörner (benannt nach einer US-Actrice, die ziemlich aufsehenerregend gebaut war), die VentiPorts auf den Kotflügeln (Löcher zur Entlüftung des Motorraums, die den Motorraum aber gar nicht entlüften), angedeutete Heckflossen und gigantische Ausmaße – cooler geht’s nicht.

Das merken auch die Besserwisser, die eigentlich alles kennen, alles gefahren haben und alles ungefragt kommentieren, was rollt. Der Buick provoziert kein „Was für ein netter Oldie“-Geschwafel, es hat auch noch nie einer gesagt „Schau mal Schatz, so einen hatte Onkel Hans früher auch“ oder „Darauf hab ich damals das Autofahren gelernt.“ Alles Sätze, die Fahrern  anderer Klassiker vertraut und verhasst sind. Auch die „Was sagt eigentlich deine Frau dazu“-Zweifler können die Klappe halten. Astrid  findet das Auto uneingeschränkt toll, allerdings lässt sie sich lieber chauffieren – der Respekt vor den unübersichtlichen Massen, den Trommelbremsen und der nicht vorhandenen Servolenkung ist doch zu groß. Für Ewald kein Problem, er akzeptiert und genießt. Auch wenn ihm als nächster Traumwagen schon ein 30er-Jahre Hotrod im Kopf herumspukt: Der Riviera Super ist momentan das Nonplusultra. Schönes Wetter, ein nettes US-Meet & Greet und ein sonor grummelnder V8 – das Leben kann so schön sein …

Technische Daten

Buick Riviera Super

Baujahr: 1954
Motor: V8
Hubraum: 322 cui/ 5.300 cm3
Leistung: 132 kW/180 PS
Antrieb: Hinterräder
L/B/H: 5.565 / 2.019 / 1.365 mm
Getriebe: 2-Gg. Automatik
Gewicht: 2.039 kg

 Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Daniel Murgg

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