Leserauto: 1967er Pontiac GTO von Mathias Scheer

Power bis zum Abwinken zum fairen Kurs – der Pontiac GTO war in jeder Beziehung anders, als er in die Muscle-Fights der Sechziger einstieg. Mathias Scheer in seiner steirischen Alpenidylle hat mit den düsteren Vorstädten Detroits rein gar nichts gemeinsam – außer den Kitzel beim Fahren seines coolen 67ers

Es gibt Autos, die fährt man am liebsten im Herkunftsland. Da, wo die großen US-Automobilkonzerne ihre Wurzeln haben. Wie den Pontiac GTO, der wie alle Muscle Cars in den grauen Suburbs von Detroit geboren wurde. Vergleichsweise preiswerte, vergleichsweise kleine Coupés und Cabrios, aber mit den stärksten Poweraggregaten des Konzerns unter der Haube. Nach Schichtende trafen sich die Malocher aus den Montagewerken von GM, Ford, Chrysler und AMC zu Sprintduellen. Man cruiste auf und ab und lauerte auf das nächste Opfer, das seine Bereitschaft zum Duell mit den Tumblin´ Dice am Außenspiegel kundtat: jenen Plüschwürfeln, die heute gerne mal am Innenspiegel von Papas Polo baumeln.
Mit dem Pontiac GTO war man duelltechnisch auf der sicheren Seite. 400 cui-V8 mit Vierfach-Vergaser, Ram Air-Einlass mehr als 300 PS und Buckeln auf der Haube: zwei für die Zwangsbeatmung des Ram Air-Systems, der dritte im Blickfeld des Fahrers für den  Drehzahlmesser. Besonders gut ablesbar ist das Gimmick allerdings nicht, der rote Bereich beginnt schon bei 5.500 revs, obwohl die Skala bis 8.000 reicht. So what, der Bigblock hat mehr Druck, als man braucht und macht erst bei gut 200 km/h dicht. Bereits die erste Version des 1964 vorgestellten GTO besaß den größten Motor, den Pontiac damals in ein Fahrzeug der Mittelklasse einsetzen durfte: einen V8 mit 6.379 Kubik.1967 kam der 6.560-Kubik-Motor, 1974 wurde die Produktion eingestellt. Die meisten GTO waren mit kurzer Hinterachsübersetzung ausgerüstet, die in katapultartiger Beschleunigung resultiert. Beim Tritt aufs Gaspedal wirst du derart ins Gestühl gepresst, dass du froh bist, Halt am Lenkrad zu finden. Spätestens jetzt wird klar, warum er GTO heißt: steht für „Gran Turismo Omologato“, eine Bezeichnung, auf die Ferrari abonniert war – der selbsterklärte Lieblingsfeind des Pontiac.

Der GTO rockt auch heute noch. Auch in der Alten Welt und ganz besonders im beschaulichen Österreich, genauer Steiermark, genauer Voitsberg, ganz genau Maria Lankowitz. Klingelt da was? Klar, wir haben es mal wieder mit einem Anhänger der in dieser Region stark kumulierten Musclecar-Szene zu tun. Mathias entspricht nun nicht gerade dem Bild des jungen Wilden, der die Republik aufmischt. Will er auch gar nicht, der Mann ist recht zivil unterwegs. Nach seinem Technikstudium arbeitete er bei einer Versicherung und machte sich 2010 als Agent selbstständig – als Versicherungsagent natürlich. Und der fährt einen fetten GTO?? Na ja, zu Kundenbesuchen nimmt er schon lieber den Audi, man will die Leute ja nicht gleich verschrecken. Einige Auserwählte kommen freilich in den Genuss des brabbelnden Achtenders. Es gibt zum Glück Leute, die das Wahre, Schöne und Gute zu schätzen wissen …

Mathias gehört auf jeden Fall dazu. Schon lange hatte er nach einem Ami aus den 60er bis 70ern geschaut, gerne Mustang, Chevy oder Dodge. Aber irgendwas war immer. Zu teuer, zu abgeranzt, Ersatzteilversorgung schwierig – bis ihm der GTO ins Auge stach. Für den gibt’s Teile ohne Ende, der Preis ist im noch schmerzfreien Rahmen und aussehen tut er eh´ saugut. 2007 landete Mathias seinen Treffer. Der Auserwählte stand in der Schweiz, war von einem Angehörigen der Royal Canadian Air Force einst nach Europa geshuttelt, nach Dienstende aber dagelassen worden. In den 90ern wurde der 67er GTO einer Schweizer Restauration unterzogen, die, abgesehen von der Farbe, ganz gut gemacht war. „Ein scheußliches Türkisgrün“, schaudert es Mathias noch heute, „die Farbe war der reine Selbstmord, nicht zum Hinschauen!“ Er kratzte ein wenig am Blech und stellte fest: Unter der 90er-Jahre-Geschmacksverirrung war der GTO jungfräulich weiß. Und so sollte er auch wieder werden. Der Vollständigkeit halber zerlegte Mathias gleich das ganze Auto, restaurierte alles selbst inklusive Sandstrahlen, Verzinken und Pulverbeschichten und vergab nur die Spengler- und Lackierarbeiten. Alle Lager, Buchsen, Gummis und Gelenke wurden erneuert, desgleichen Federn, Bremsen, Getriebe und Edelstahl-Auspuff. Der Motor wurde von Grund neu aufgebaut, gehont und geschliffen, Kolben, Pleuel und Nockenwelle erneuert, der Zylinderkopf geplant und höher verdichtet sowie die Zündung umgebaut. Nur mal zur Orientierung: Verbaut wurden unter anderem 1,25 kg Zinnkitt, 2,75 Feinkitt, 7 kg Basislack und 10 kg Klarlack! Die Resto zog sich über sieben Jahre, dazwischen gab´s Wichtigeres zu tun: Der Sprung in die Selbstständigkeit, das Haus wurde umgebaut, um Platz für den Familienzuwachs zu schaffen und außerdem fand die nachsichtige Gattin es auf Dauer doch nicht so prickelnd, dass ihr Gatte nächtelang in der Werkstatt verschwand.

2014 war dann alles fertig, im ersten Jahr riss Mathias bereits 10.000 km mit seinem Muscle herunter. Auch wenn die Trips jetzt kürzer geworden sind: Der Genuss ist geblieben. Der Anlasser setzt die 300 Pferde vernehmlich in Gang, der Achtzylinder brabbelt sonor, jeder Gasstoß  lässt die Karosserie vorne sacht eintauchen und auf der Landstraße zeigt der 67er, was er kann. Deutlich untersteuernd zieht er seine Bahn, lässt sich leicht dirigieren und macht seine Sache richtig gut, er schwimmt locker mit und wenn du dich an die typisch indirekte Lenkung gewöhnt hat, kannst du das Biest gefühlvoll bewegen und die brachialen Zwischenspurts genießen – ein Auto, das die Tunnel sucht, um in die Gehörgänge zu kriechen. Und die gibt’s in Österreich zum Glück genug.

Bei einschlägigen Treffen haben Mathias und sein GTO reichlich Pokale abgesahnt, aber abgesehen vom Knock-out durch Corona steht das gerade nicht mehr so im Vordergrund. Die Arbeiten am GTO sind abgeschlossen, also hat sich Mathias eine neue Baustelle gesucht und einen 500er Puch, Baujahr 1967 aus erster Hand gefunden. „Keine Schönheit, aber er fährt“, grinst Mathias angesichts des Kontrastprogramms, „da mach ich auch nur das Nötigste.“ Was also tut der Mann, wenn die Kunden beraten, GTO und Puch in der Garage und die Renovierungsarbeiten am Haus erledigt sind? Er wird Bauer, genauer: Öko-Landwirt mit 30 Rindern und ein paar Schafen, die das saftige Grün der Steiermark auf 900 Metern Höhe besonders schätzen. Das passt nun wahrlich nicht zum Bild des spritverschwendenden Muscle-Maniacs, aber Mathias ist da auch schon einen Schritt weiter: „Der GTO ist 55 Jahre alt und hat immer noch das gleiche Blech. Der ewige Streit um 5, 15 oder 25 Liter ist bei den paar Kilometern, die ich im Jahr fahre, auch lächerlich. Und die ewigen Nörgler sollen lieber mal anfangen, ihre eigene Lebensweise zu überdenken. Wer in den Supermarkt rennt und Billig-Importfleisch kauft, ist auch nicht ökologischer unterwegs.“

Recht hat er, der Mathias. Bio-Bauer, glückliche Rindviecher und ein nachhaltiges Auto, das auch noch Spaß macht. So muss es sein.

Technische Daten

Pontiac Tempest Le Mans GTO 

Baujahr: 1967
Motor: V8
Hubraum: 400 cui/ 6.554 cm3
Leistung: 221 kW (300 PS)
Max. Drehm.: 580 Nm bei 3.200/min
Getriebe: 3-Gg. manuell
Antrieb: Hinterräder
L/B/H: in mm 5.156/1.862/1.372
Gewicht: 1.542 kg
Beschleunigung: 0-100 km/h in 6,9 s
Top-Speed: 196 km/h

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Daniel Murgg

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