Leserauto: 1970er Plymouth Cuda Tribute AAR von Robert Christandl

Wenn es donnert in der Steiermark, deutet das nicht unbedingt auf ein drohendes Gewitter hin. Es kann durchaus sein, dass Robert mal wieder unterwegs ist, vielleicht sogar mit den Jungs von der Mopar Garage. Und man muss verdammt schnell sein, wenn man sie mitbekommen will, denn sie sind nicht nur laut, sondern auch blitzartig vorbei. Was bleibt, ist eine Riesenstaubwolke und eine Menge Oktan in der Luft

Im Süden der Alpenrepublik braut sich was zusammen. Fette Muscles, potente Trucks und abgedrehte Typen setzen der Berge-Seen-und-Kühe-Idylle ordentlich was entgegen. Der Wahnsinn hat ein Zentrum: Doc Stinger´s Mopar Garage in Voitsberg, wo Mike Mugrauer der Herr über viele feine Chrysler-Derivate ist. Während man bei Corona immer noch mutmaßt, ob der Virus durch die Chinesen, Bill Gates oder fiese Weltverschwörer verbreitet wurde, ist es beim Voitsberger Virus eindeutig: Der Ursprung liegt in Mike´s Garage. Auch Robert Christandl wurde hier endgültig und unheilbar infiziert, zumal er bereits reichlich vorgeschädigt war. Schon im zarten Alter entwickelte er Gefühle für die V8-Kultur, das Trucker-Epos „Convoy“ mit Chris Kristofferson hatte ihn nachhaltig beeindruckt. „Die Szene, als der korrupte Sheriff Lyle Wallace einem Pärchen ihr Auto beschlagnahmt und damit die Verfolgung der Trucker aufnimmt“, erinnert er sich exakt, „das unglaubliche Motorengeräusch hat den Wunsch, unbedingt ein Muscle Car mit fettem V8 zu besitzen, fest in meinen Kopf eingebrannt.“ Nach der Ausbildung zum Drucker kaufte sich Robert 1988 mit gerade mal 15 Jahren sein erstes US-Car für 15.000 Schilling, rund 1.100 Euro. Mit dem Führerschein folgten drei weitere Amis, bis er 1997 seinem ebenfalls V8-angefixten Bruder einen 68er Barracuda abschwatzte. Der Groschen war gefallen, Robert hatte sein Favorite-Car gefunden und ist den Mopar Muscles seitdem treu geblieben.

Dank des direkten Drahts zu DocStinger entwickelte sich der 68er rasch weiter, die Karre gedieh und ging, bzw. geht wie die Pest. Robert hatte Blut geleckt und streckte die Fühler nach einem AAR ´Cuda aus, dem Coupé von Dan Gurney’s All American Racer Team, das 1970 für die Sports Car Club of America (SCCA)-Trans Am zum Rennwagen umgebaut wurde und als Konkurrenz zu Camaro Z/28 oder Mustang Boss 302 Boden gut machen sollte. Motor war ein modifizierter 340-cui-Small-Block-V8, die Rennversion bekam ein Sixpack, eine dreifache Doppel-Vergaseranlage, die den 290 PS starken 5,5-l-V8 adäquat versorgte. Um die Kraft auf die Straße zu bringen, baute Plymouth eine Hinterachse mit Sure-Grip-Differenzial und ein Heavy-Duty-Fahrwerk mit Stabis, Scheibenbremsen vorne und Trommeln hinten ein. Die Auslässe des Auspuffs ragen seitlich vor den Hinterrädern unter der Karosserie hervor, dazu gabs noch einen kleinen Spoiler an der Front und auf dem Kofferraumdeckel. Und natürlich eine Kriegsbemalung: Der 23-teilige Strobo-Stripe mit Cuda AAR-Logo warnte in Kombination mit schreienden High Impact Farben die potenziellen Gegner.

Plymouth konnte zwar die Trans-Am-Rennserie 1970 nicht gewinnen, aber immerhin 2.724 AAR ‚Cudas bauen. Einem echten AAR heute zu begegnen, ist schwierig. Deshalb schlug Robert auch sofort zu, als Mike Mugrauer ihm Weihnachten 2015 den Tipp mit dem 1970er ´Cuda gab: Aus den USA war er nach Belgien gekommen, nach Deutschland weiterverkauft und schließlich in der Mopar Garage gelandet. Kein AAR, aber ein originaler 70er. Deal! Robert kaufte per Handschlag und begab sich in die kundigen Hände des Meisters, denn die Basis des ´Cuda war miserabel, der Gilb hatte bei dem zuvor nie restaurierten Mopar zugeschlagen. Also: Alles auseinander, alles restaurieren, schweißen, spenglern, lackieren und einen perfekten AAR Tribute draus machen. Robert war bei jedem Schritt dabei, die früheren Zeiten des Selberschraubens sind für ihn zwar vorbei, aber das kreative Chaos gemeinsamer Werkstattarbeit möchte er nicht missen. Dem Motor wurde besondere Aufmerksamkeit zuteil: Der originale 400er wurde gestroked auf 500 cui: satte 8,2 Liter und rund 500 PS. „Klingt angenehm“, meint der Eigner bescheiden, „und sorgt für kontinuierlichen Vortrieb …“  V-max und Beschleunigung hat er nie gemessen, aber angesichts der verzweifelten Blicke, soweit sie im Rückspiegel erkennbar sind, sind beide ausreichend.

Zwei Jahre und runde 80.000 Euro hat es gebraucht, um aus dem Gammel-Cuda einen astreinen AAR-Tribute zu bauen. Das dezente Schwarz mit den Strobo-Stripes in noblem Grau täuscht: Darunter lauern brachiale Urgewalten. Robert fährt den Tribute bevorzugt zu einschlägigen Treffen, an den nahegelegenen Red-Bull-Ring, über Bergstrecken oder auch mal die Autobahn. Corona macht zwar gerade einen Strich durch so ziemlich alle Rechnungen, aber „vernünftiges Duellieren“ mit den Mopar-Kumpels ist immer drin. Die Familie ist auf seiner Seite, die Gattin kniet zwar nicht gerade nieder vor dem Mopar, aber sie akzeptiert´s. Die beiden Sprösslinge sind eher interessiert, vor allem der 14-jährige Jakob. Der restauriert gerade eigenhändig sein erstes Moped – einen Vaterschaftstest muss Robert sicherlich nicht machen. Nur mit dem Virus muss er aufpassen. Allerdings ist zu befürchten, dass der Junior bereits vom V8-zylindrischen Drüsenfieber befallen ist. In der Steiermark kann man dem kaum entgehen …

Technische Daten

500cui Stroker-V8, 368 kW/500 PS, INDY Heads und Intake, Holley Equipped, Mechanische RollerCam, MSD Zündung, Milodon Oilpan, TTI Headers ( Fächerkrümmer ) + DocStinger 3“ Exhaust AAR Style aus Edelstahl, Wilwood Bremsanlage, Scheibenbremsen 6-piston, TREMEC 5-Gang Schalter, 18“ LM-Felgen mit Yokohama Reifen, Hotchkiss Drehstäbe und Suspension, KONI Schocks, Borgeson Lenkung, Autometer Cockpit …

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Daniel Murgg

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