Leserauto: 1992er Classic Mini Cooper von Sarah Sertschnig

Das Mädel hat Biss. Sarah passt nun wirklich nicht in die Schublade „junge Frau – kleines Auto“. Zwar stimmen die äußeren Parameter, aber Sarah hat ihren Cooper eigenhändig  zerlegt, restauriert und neu aufgebaut. Da können viele alte weiße Männer einfach mal  einpacken…

Er war 1959 eine Sensation. Innen größer ist als außen, Kurvenräuber mit ungewöhnlich hohem Tempo, schneller und sparsamer ist als ein Austin A 30 oder ein Morris Minor – die seinerzeit amtierenden Helden der britischen Volksautomobile.

Der Mini ist jetzt über 60 und schon lange in Rente. So lange blieb das geniale Konzept seines Erfinders Sir Alec Issigonis zeitgemäß – und Vorbild für viele Nachkommen. Das runde Gesicht mit den Kulleraugen gehört zu Swingin´ London wie die Beatles, der Minirock und die Carnaby Street. 1990 erlebte der pfiffigste Kleinwagen der Welt nach allerhand mehr oder weniger gelungenen Facelifts und unzähligen Sondermodellen ein glänzendes Comeback. Plötzlich war der Kleine Kult und nicht nur bei Mini-Fans begehrt. Auf seine alten Tage mauserte sich der Mini Cooper unter BMW-Regie zum High-Tech-Mini mit Airbag, Wegfahrsperre, geregeltem Kat, Zentraleinspritzung und üppigen 13-Zoll-Rädern, die Fans jedoch doof fanden: Nur die traditionellen alten 10-Zoll-Typen galten als die einzig Wahren, allenfalls wurden noch 12-Zöller akzeptiert.

Als Sarahs Mini vom Band lief, war sie noch gar nicht geboren, das erfolgte erst fünf Jahre später im schönen Kärnten und man kann auch nicht behaupten, dass Sarah in einer besonders autoaffinen Familie aufwuchs. Einzig der Austin Mini des früh verstorbenen Opas war hin und wieder Gesprächsstoff, aber der Papa, damals noch ein Kind, erinnerte sich nicht mehr an Details und der Mini war längst verkauft. Sarah lernte Maschinenbautechnik und fuhr, was sich für junge Mädels gehört: Peugeot 206, Seat Ibiza, inzwischen einen Seat Leon. Beim Herumdaddeln im Netz stieß sie 2018 auf einen Mini, der ganz in der Nähe bei Klagenfurt stand. Optisch ok, seit 13 Jahren nicht mehr gefahren. „Geh´n mer mal schaun!“ entschied Sarah und nahm Patrick in Schlepp, nicht nur ihr Freund, sondern praktischerweise Mechaniker mit einer Menge Erfahrung im Restaurieren von Klassikern.

 

Um es kurz zu machen: Der Mini kam mit, rollte per Hänger ins heimische Poggersdorf und wurde komplett zerlegt, ohne ein einziges Mal gestartet worden zu sein. „Man lässt kein Auto an, das seit 13 Jahren steht“, so die Ansage des gestrengen Patrick – wo er Recht hat, hat er Recht. In Patricks gut sortierter Werkstatt ließ es sich gut arbeiten, als die Resto allerdings ins dritte Jahr ging, wurde der Mini in Sarahs Garage umquartiert. „Es war halt eine Menge zu tun“, meint sie entschuldigend, „außer dem Motor und dem Lack haben wir ja alles selber gemacht.“ Wir, das heißt wirklich wir, denn Sarah langte tatkräftig hin, schraubte, flexte, schliff und hämmerte, als hätte sie es gelernt. „Learning by doing“ grinst sie und freut sich, dass sie außer einer Menge Know-how nun auch tiefe Erkenntnisse über ihren Mini gewonnen hat: Sie kennt jede Schraube persönlich.

Nachdem der Unterboden erneuert, etliche Bleche neu eingeschweißt und alles wieder zusammengebaut war, ging´s dem Motor an den Kragen. O-Ton Oliver: „Oh Gott, das ist englische Technik, da fass´ ich nix an …!“ Die Fachwerkstatt half weiter. Die Kolben waren eingeschliffen und rostig, also wurden die Zylinder leicht aufgebohrt  und das nächste Übermaß kam rein. Lohn der Mühe: Der Cooper läuft rund und gesund. Sarahs besonderer Wunsch waren fette Kotflügelverbreiterungen. Nicht die aus dem Zubehörregal, sondern richtig fette, die auch die dicken Walzen abdecken, für die sie sich entschieden hatte. Mit viel Schleifen, Kleben, Feilen und Polieren hat sie auch das hinbekommen und der Cooper macht jetzt wunschgemäß dicke Backen: 12 cm mehr. Pro Seite!

Innen wurde der Cooper selbstredend auch auf Links gedreht, einzig die Sitze blieben, wie sie waren. Dann endlich der große Tag im letzten Sommer: Erste Ausfahrt mit dem runderneuerten Klassiker. Statt befreit loszudüsen, ging Sarah sehr vorsichtig zu Werke, schließlich wusste sie, wieviele unzählige Stunden in dem Kleinen steckten. „Beim kleinsten Geräusch fahr´ ich immer noch zusammen“, gibt Sarah zu Protokoll, genießt ihren Mini aber ansonsten in vollen Zügen. „Er fährt richtig cool, aber immer noch ein wenig ungewohnt“ ist sie voller Hochachtung für die dreißig Jahre alte Technik, die ihren bisherigen Fuhrpark komplett in den Schatten stellt. „Der pickt richtig auf der Straße“, findet sie begeistert, wobei „pickt“ nicht hektisches Auf- und Abbewegen der Karosserie meint, sondern „klebt“. Wie das Pickerl, der österreichischen TÜV, den der runderneuerte Mini natürlich auch hat – inklusive den breiten Backen.

Zu den wenigen Ausflügen im vergangenen Jahr sollen in diesem eine ganze Reihe weiterer Trips kommen, auch Treffen mit anderen Petrolheads und ausgedehnte Touren über die alpenländischen Panoramastraßen. Und natürlich Ausflüge mit dem Papa und der Oma. Denn die sind beide schwer begeistert, dass der Austin Mini des seligen Opa einen würdigen Nachfolger bekommen hat. Er heißt übrigens Oliver. Der Mini, nicht der Opa. Ein bissel ist er halt doch ein Mädel-Auto …

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Technische Daten

Mini Cooper

Baujahr: 1972
Motor: Vierzylinder
Hubraum: 1.275 cm3
Leistung: 46 kW (63 PS)
Max. Drehm.: 108 Nm bei 3.000/min
Getriebe: 4-Gg. manuell
Antrieb: Vorderräder
L/B/H in mm: 3.401/1.410/1.384
Gewicht: 737 kg
Beschleunigung 0-100 km/h in 12,8 s
Top-Speed: 148 km/h

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Sarah Sertschnig (Sertsche Pixx)

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