Leserauto: Dodge Charger R/T SE von Jörg Ortner

Der Dodge Charger ist der König der Street Wars, war auf Rennstrecken unterwegs und ist obendrein ein Designerstück, an das nur wenige US-Klassiker herankommen. Jörg Ortner hat einen seltenen R/T SE, sozusagen den Oberschurken der bösen Muscles

Voitsberg. Immer wieder Voitsberg. Nicht zu fassen, wie diese touristisch eher unbekannte steirische Gemeinde es regelmäßig in die Magazine schafft. Bevorzugt in oktanhaltige wie die TRÄUME WAGEN. Schuld ist die Mopar Garage von Michael Mugrauer, der kräftig daran arbeitet, das liebliche Hügelland im Süden Österreichs zum Hotspot der Musclecar-Kultur zu machen. Auch die, die ihren PS-starken Ami gar nicht bei ihm gekauft haben, nutzen sein Knowhow und seine Werkstatt. Jörg Ortner aus dem benachbarten Bärnbach beehrte ihn direkt nach der Eröffnung 2006 und quartierte sich mit seinem Rosthaufen gleich vier Jahre ein, ehe auch er zur Verstärkung der österreichischen Oktan-Kultur beitrug. Aber der Reihe nach.

Es  war in den 90ern, als der damals Zwölfjährige den ersten Kontakt mit US Cars hatte: Bei einem Crocodile Meeting des American Car Club Graz beim DOGRO sprang das Virus über. So endgültig, dass es für Jörg keine Alternative gab: Irgendwann musste ein Ami auf den Hof. Nur welcher? Ahnung hatte der mittlerweile 20-Jährige keine, davon aber viel. Mustang? Hm. Chevy? Hmmm. Entscheidungshilfe nahte, als Jörg 2005 von seinem Arbeitgeber in die Staaten geschickt wurde. Das erste Big Meet in South Carolina hieß nicht nur so, es war auch deutlich größer als alles, was die Grazer Community bieten konnte. Angesichts der Blechmassen war der Mustang schnell abgemeldet: Jörg entdeckte einen 70er Charger und stellte nach  Umrundung der vierzehneinhalb Meter fest: „Es darf doch etwas mehr sein als das Pony!“ Die Suche nach genauso einem 70er begann, immer noch ohne Ahnung, aber mit viel Enthusiasmus, der  nach etlichen Fehlschlägen schließlich im April 2006 in ein gottverlassenes Nest namens Hemet in Kalifornien führte.

Am Rande einer heruntergekommenen Trailersiedlung, wo der „White Trash“ hauste, stand er: Ein schwarzer, kaum noch zu identifizierender 70er Charger. Total verbastelt, das Heck höher, die Spur breiter. Ein Graus. Aber: Sämtliche Nummern stimmten mit den Papieren überein und: Er fuhr! Deal! Dass der Charger die drei Stunden nach L.A. überstand, grenzt an ein Wunder: An der ersten Tankstelle stellte Jörg fest, dass nur noch ein paar Tropfen Öl im Motor kreisten, der abgesehen davon selbst im runtergerittenen Zustand imstande war, dem stolzen Besitzer kraft seiner brachialen Power wohlige Schauer über den Rücken zu jagen. In L.A. wurde der Charger vorsichtshalber auf einen offenen Transporter verladen und quer durchs Land nach South Carolina geshuttelt.

Das halbe Jahr, das Jörg noch in den USA blieb, wurde zur Feuerprobe für den Muscle. Nach dem Motto: „Licht, Gas, Bremse muss, Rest kann“ bekam Jörg die Kiste tatsächlich versichert und angemeldet, fuhr tapfer damit herum und plante längst, ihn in die Heimat mitzunehmen. Mittlerweile hatte er nämlich das unterm Rost verborgene Geheimnis des Charger entdeckt: Er stellte sich als echter R/T SE heraus, das härteste und luxuriöseste Mitglied der Dodge Scat Pack-Reihe von 1970, noch dazu mit dem SE-Optionspaket ausgestattet. „R/T“ steht für Road & Track, „SE“ für Special Edition und bedeutet, dass das Auto mit Schalensitzen aus Leder und Vinyl, einem Lenkrad mit Holzmaserung und passender Instrumententafel, einer glänzenden Pedalverkleidung und einer speziellen Lichtgruppe mit eingebauten Blinkern ausgestattet war. Diese Optionen verliehen dem Fahrzeug damals den Beinamen „A Gentleman´s Muscle Car“ Dazu gehörten ein 440 Magnum V8 mit Vierfach-Vergaser und Doppelauspuff, R/T-Radaufhängungen, Hochleistungsbremsen, 15-Zoll-Räder mit weißer Schrift und die markanten Streifen überm Hintern. Davon war zwar nicht mehr viel zu sehen, aber Jörg entdeckte, dass der Schwarze ursprünglich ein Grüner war und in der Kultfarbe Limegreen vom Band lief. Bingo! In dieser Kombination gab es gerade mal 30 Stück, ein Grund mehr, das Wagnis Restauration anzugehen.

Zurück in Bärnbach –  das Auto war inzwischen per Container in Gleisdorf bei Jerich International eingetrudelt – nutzte Jörg noch die zwei letzten Monate mit amerikanischer Zulassung. „Ich hatte viel Spaß mit den ortsansässigen Aufsichtsorganen“ grinst er diabolisch, man kann sich vorstellen, wie es angesichts der desolaten Krachbüchse in den Beamten arbeitete … Der Besuch der Mopar Garage gab den Ausschlag: Totalrestauration war angesagt, alles runter, alles überarbeiten, alles sauber finishen. Ok, das dauerte schlappe vier Jahre, denn Jörg war beruflich viel unterwegs und wollte so viel wie möglich selber machen, um zu wissen, was da unter ihm passiert. Knifflige Sachen überließ er den Fachleuten, aber ansonsten galt: Selbst ist der Mann. Der Motor erfuhr eine Komplettrevision und entfesselt geschätzte 500 PS aus dem 500 cui-Stroker mit drei Zweifach-Vergasern (Six Pack Setup), ein Eaton Trutrac Sperrdiff hält die Fuhre am Boden und der komplette Antriebsstrang wurde der höheren Motorleistung angepasst. Vmax? Exakte Leistung? Jörg bleibt sich treu: „Keine Ahnung, wurde nie gemessen. Meine schnellste Viertelmeile lag bei 12,53 s“, meint er bescheiden und kann sicher sein, dass der seit 2010 wieder limegrüne Muscle damit ganz weit vorne liegt.

Bilanz der letzten 15 Jahre? Alles richtig gemacht. Traumauto gefunden, seltenes Kulturgut gerettet, unschätzbares Fahrvergnügen erlebt. Die Freundin zieht mit, die Community wächst und es bleibt sogar wieder Zeit für das zweite Hobby: Puch Mopeds und Kleinmotorräder. Jörg fährt seinen R/T übrigens weniger zu Ami-Treffen als vielmehr im Alltag oder am Abend, wenn der Verkehr im und um den Bezirk nachgelassen hat. Wegen der H-Zulassung darf er über die 3.000 km, bzw. 120 Tage, an denen der Charger pro Jahr bewegt werden dar, nicht rauskommen. Schließlich möchte man es sich ja nicht nochmal mit den ortsansässigen Aufsichtsorganen verscherzen…

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Daniel Murgg

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