Leserauto: Kevin Erker und sein 1967er Dodge Coronet 400

Postkartenidylle, malmendes Milchvieh, Berge, Almen, Beschaulichkeit – das ist Österreich. Besonders in der Steiermark, wo die Orte Tregisttal, Lobming oder Voitsberg heißen und sich vor allem durch eines auszeichnen: die Abwesenheit von Lärm und Hektik. Trotzdem, oder vielleicht deshalb, etabliert sich langsam, aber sicher eine krasse Gegenkultur im Rentnerparadies. Kennzeichen: fetter Motor, satter Sound, unbescheidenes Auftreten. Die Muscles erobern die Alpenrepublik

Schuld daran mag zum einen der Hang zu Großvolumern sein, was angesichts von Haflinger, Puch und Steyr keinen verwundert, zum anderen aber Muggi Mugrauer, der mit seiner Mopar Garage schon etlichen Fans zum begehrten US-Car verholfen hat. So pfeifen dem nichtsahnenden Touristen gehäuft grüne `Cudas, blaue New Yorker oder schwarze Coronets um die Ohren, die in dieser Konzentration sonst nirgends anzutreffen sind. Kevin Erker ist einer der jungen Wilden im Bann der Muscles. Dabei fing er mit 15 ganz harmlos mit dem klassischen Puch Moped an, wovon er inzwischen 27 (!) Stück hortet. Mit 18 kam ein alter VW-Bus ins Haus, mit 23 der erste Ami, ein 68er Chrysler New Yorker, der heute, fünf Jahre später, einer Generalüberholung unterzogen wird. Kevin, selbstständiger Maler und Eigner weiterer Preziosen wie Käfer, T5 und A8, will alles richtig machen bei der zeitaufwendigen Reparatur und hat sich als Überbrückung einen neuen Alten zugelegt: den 67er Dodge Coronet 500. Ein alter Bekannter, vor zehn Jahren hatte ihn ein Freund nach Deutschland verkauft und Kevin entdeckte ihn per Zufall wieder im Internet. Gemeinsam mit Muggi holte er ihn heim ins Reich, und nach ein paar austriatypischen Modifikationen verstärkt er die Mopar-Front in Voitsberg.

Schon vor dem Exil wurde kräftig Hand angelegt, statt Automatik hat er eine Viergang-Handschaltung, Indy-Zylinderköpfe und einen 440er-V8 mit satten 7,2 Litern. 425 PS sind eingetragen, am Hinterrad können es durchaus ein paar mehr sein, „so um die 500“, meint der stolze Eigner und grinst. Der Coronet, ein Mopar wie seine Brüder Plymouth Belvedere, Satellite, GTX, der legendäre Road Runner, natürlich die Super Bee und der kultige Charger, wurde 1965 in zweiter Generation eingeführt, bekam schon 1966 ein neues Aussehen, wurde 1967 erneut umstrukturiert und gehört zur mittleren Modellreihe von Dodge. Er bremst brachial, fährt sich unangestrengt und wenn er von der Leine gelassen wird, beglückt er seinen Herrn mit einem Schub, der jeden Turbocharger alt aussehen lässt. Das riesige Coupé streckt sich über 5,15 Meter und bietet Platz ohne Ende, Goodrich-Walzen der Dimension 255/60-15 halten die Fuhre auf Kurs und die von Haus aus gehobene 500er-Ausstattung samt Überrollbügel lassen echte Streetwar-Gefühle aufkommen. Verbrauch? Na ja, freundlich ausgedrückt 5 bis 9 Meilen pro Gallone, preußisch genau zwischen 25 und 45 Litern. Auf 100 Kilometer. Egal, wer wird sich den Spaß schon von solch profanen Nebensächlichkeiten vermiesen lassen … Kevin jedenfalls nicht.

 

Der schätzt seinen schwarzen Brummer inzwischen so, dass er im Herbst beim Histo Cup am Red Bull Ring mitfahren will. Inspiriert durch seinen kürzlichen Aufenthalt in den USA, hübschte Kevin den Coronet auch kräftig auf: Die 91 verweist auf das Geburtsjahr des Meisters, die Motorhaube ziert nebst fetter Hutze eine selbstbewusste 425 für die Pferde im Stall und das Geheimnis um CA. Dodge Dealer ist ebenfalls schnell gelüftet: Kevin fands einfach geil und verpasste seinem Muscle den vermeintlich orginalen Schriftzug. Überhaupt ist Kevin ein Freund individueller Marken: An den Schläfen trägt er Tattoos vom Käfer und Bus, auf der Hand prangt Johnny Cash und, als wäre das noch nicht genug, ist sein knallgelber T5 mit dem Porträt des unsterblichen Country-Barden samt Schriftzug „Walk the Line“ beplankt. Das muss man sich erst mal trauen … Kevin siehts als wirksame Außenwerbung und trotzt Unverständnis mit freundlichem Selbstbewusstsein. Hat noch jemand Zweifel, dass Kevin und der Coronet das ideale Paar sind?

TECHNISCHE DATEN

Dodge Coronet 500 440CI

10:1 Verdichtung
Indy Zylinderköpfe
A833 4 speed manual
Suregrip
2.76:1 rearend ratio

Text: Marion Kattler-Vetter – FOTOS: DANIEL MURGG

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