Leserauto: Mopar Or No Car – Dodge D100 von Michael Mugrauer

Österreich, Steiermark. Schon wieder. Nicht zum ersten Mal stellen wir beinharte Boliden aus Voitsberg vor, das außer Burgruine, Schlossberg und Grafenteich eine ungewöhnliche Dichte an US-Muscles zu bieten hat. Ob da ein Nest ist? Klares Ja. Doc Stinger´s Mopargarage verbreitet den Muscle Car Virus und sorgt für Aufruhr im Alpenland

Es gibt Dinge, über die spricht man nicht. In manchen Kreisen ist es das Geld, in anderen der Benzinverbrauch. Wer sich für einen Muscle entscheidet, zählt in der Regel nicht zum Geldadel, muss aber finanziell flexibel genug sein, um den Durst seines Fahrzeuges stillen zu können – vor allem wenn er einen 440-cui-BigBlock befeuert, was schlanke 7,2 Liter ergibt. Über Besitzer amerikanischer Autos aus den seligen Muscle-Zeiten, die irgendetwas anderes als Chrysler, Plymouth, Dodge oder DeSoto ­haben, spricht man auch nicht. „Mopar or no car“, so das Credo. Mopar ist der inoffizielle Sammelbegriff für Fahrzeuge aus dem Chrysler-Universum, die unter anderem für Legendenbildung in Filmen wie Vanishing Point, Blues Brothers oder Death Proof gesorgt haben. Eine Marke, die durch die Dragster-Szene berühmt wurde, die den Weg bereitete für die Legende der Hemi-Motoren und die den Muscle Cars Brusthaare wachsen ließ …

Das sollte klar sein, bevor wir zu Michael „Muggi“ Mugrauer kommen, denn seine Mopars sind Helden der besonderen Art, die ihren Auftritt im Hier und Jetzt haben, und nicht mit irgendwelchen Pimp-my-Ride-Kisten verwechselt werden dürfen. Muggis aktuelles Projekt ist ein Dodge D100. Ein Monster. Zwei Meter breit, über fünf Meter lang, innen und außen in verblühtem Schwarz gehalten, damit es erst gar nicht zu sentimentalen Missverständnissen kommt. Wenn dieses Ding im Rückspiegel auftaucht, soll sich natürlich niemand bedrängt fühlen, aber von gemütlich machen hat auch keiner was gesagt. Der D100 wurde von 1963 bis 1971 gebaut, Muggis ist einer der letzten und es war purer Zufall, dass er ihm über den Weg lief. Ein Relikt der US Air Force, geschunden, ausgeweidet, ohne Motor und Getriebe. Ein Fall für Doc Stinger, wie der Mopar-Fan seit Jahr und Tag genannt wird. Mit 16 hatte er seinen ersten Ami, fast ist es ihm peinlich, zuzugeben, dass es ein Mustang war. „ Des is nie was geworden“, entschuldigt er den frühen Fehler, „i wor einfach zu jung und bin nur über Feldwege gfoahrn“. Mit dem Führerschein kamen die richtigen Autos: ein 70er SuperBee, dem er 25 Jahre lang treu blieb, ein 71er Challenger RT 440 Sixpack, ein 71er Roadrunner und etliche mehr. Gemeinsames Merkmal: Mopar, Leistung satt, Performace pur.

Als gelernter Kfz-Mechaniker hat Muggi Benzin im Blut und eine Menge Ahnung, was nach 15 Jahren in einer Motorradwerkstatt schließlich zum eigenen Betrieb führte: Seit 2005 ist Muggi sein eigener Chef und beglückt seine Fans mit feinsten Kultcars. Nebenbei bemerkt: Der Mann ist seit Jahrzehnten auch im Dragstersport aktiv, anfangs in der Public Race Klasse, auf dem seligen Österreichring bei der Europameisterschaft, immer wieder bei Veranstaltungen in Österreich, Ungarn, Slowenien usw. und jedes Jahr bei den Nitro Funny Car Dragstern in England. Lange Zeit übrigens mit seinem aufgemotzten Straßenauto, besagter SuperBee, die er als rollendes Testlabor nutzte und seine Erfahrungen damit in die Mopargarage einfließen ließ. Dass Muggi außerdem bei historischen Rundstrecken und Bergrennen teilnimmt, muss wohl kaum mehr erwähnt werden …

Zurück zum D100. Ein Auto im Originalzustand, jedenfalls, was das Blech betrifft. Nix geschönt, nix lackiert, Rost ist eine Frage der Ehre. Technisch dagegen gibt’s für Muggi keine Kompromisse, für den Petrolhead gilt nur absolut saubere Handarbeit. Der Originalrahmen wurde verstärkt, Kabine und Pritsche fest draufmontiert, eine Hinterachse aus einem 70er Cuda mit Caltracs befestigt, geschaltet wird manuell mit 5-Ganggetriebe und Centerforce Kupplung. Dazu Einzelradaufhängung, Frontfederung mit Rack-and Pinion Lenkung, große Scheibenbremsen unter 15-Zoll Nascar-Rädern, Rennsitze und Vierpunktgurte, Fensternetze und Überrollkäfig. Um bei Fahrer und hoffentlich mutigem Beifahrer keine Schweißausbrüche zu provozieren, wurde eine Vintage Air-Aircondition installiert. Alles, um den Monster-Pick-up fit für die gewaltige Leistung zu machen: Ein 440 cui Bigblock, gefüttert von zwei 76-mm Turbos, mit riesigem Ladelkühler und elektronischer Einspritzung tut Dienst. Ergebnis? „So gut 850 PS werns scho sein“, brummt Muggi bescheiden, „das Drehmoment liegt bei gut 1000 Nm. Im vierten Gang bei 180 drehn die Räder jedenfalls noch durch …“

Der Bulle ist trotz seiner Power einfach zu handeln, wenn allerdings das Pedal aufs Metall gedrückt wird, denkt nicht nur der Beifahrer, die Apokalyse wäre nah, sondern auch ganz Voitsberg. „Na ja, der Truck is nix für Anfänger, man sollte scho a wenig Erfahrung und Gefühl für viel PS haben,“ meint Muggi pragmatisch, „für Feiglinge und Baum-Umarmer is er fei nix!“ Ok. Botschaft verstanden. Da beruhigt es beinahe, dass Muggis Frau Sabine den Koloss nicht nur fährt, sondern auch sonst voll hinter ihrem Ausnahmegatten samt seinen spinnerten Ideen steht. Genau wie Markus Schmölzer, Muggis rechte Hand in der Werkstatt, die übrigens nur aus den beiden besteht. Größer werden? „Wozu?“, meint der Mopar-Maniac, „bedeutet nur mehr Papierkram und Stress.“ Recht hat er. Und um Kunden muss er sich auch nicht sorgen, die kommen mittlerweile aus ganz Österreich, der Schweiz, Ungarn, Slowenien und Deutschland. Qualität setzt sich halt durch. Am ersten Juni-Wochenende veranstaltet der   ungewöhnliche Schrauber wieder seine beliebte Moparty. Konsequenterweise ohne Hüpfburg,  Gewinnspiel und Hubschrauberrundflüge, dafür mit einem Haufen Mopars und ihren Besitzern, Nitro Funnycar Sound und einer Menge Benzin in der Luft. Vorbeikommen, cruisen, schauen und benzinquatschen. Dann wird’s auch in der Steiermark wieder gemütlich …

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Daniel Murgg

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