Brit Power – Lotus Esprit S4

Sein scharfes 2,2-Liter-Turbotriebwerk katapultiert den Lotus Esprit S4 mit Vollgas in die neunziger Jahre. Zwar reichen die Wurzeln des britischen Youngtimers zurück bis in die wilden Siebziger, doch auch über zwei Jahrzehnte in Serie gereift ist der keilförmige Sportwagen eine spannende Porsche-Alternative für anglophile Individualisten.

Wenn es um die Namensfindung für neue Automodelle gibt, dann kennt die Kreativität oft keine Grenzen. Der Begriff Esprit beschreibt eigentlich eine geistvoll-brillante, vor Geist und Witz sprühende Art. Und tatsächlich ist der gleichnamige Lotus ein Charakterdarsteller, den man so schnell nicht mehr vergisst. Sein unverwechselbares Keilformdesign mit Klappscheinwerfer-Augenaufschlag geht zurück auf einen Konzeptentwurf von Großmeister Giorgietto Giugaro für Ital Design aus dem November 1972. Für die Firma Lotus Cars ist er ein Meilenstein, der mit rund drei Jahren Verspätung 1976 als Type 79 endlich in Serie anläuft. Was damals kaum jemand vermutet: die Form soll über ein Vierteljahrhundert die Produktionplanung bestimmen. Selbst schwere Unternehmenskrisen und Eigentümerwechsel können der robusten Gesundheit des englischen Flachmanns nichts anhaben. Durch Filmrollen als tauchfähiges Agentenauto im 81er Bond Der Spion, der mich liebte und als Herzensbrecher-Mobil in der Liebeskomödie Pretty Woman wird der Esprit unsterblich – und zum Express für stilsichere Gentlemen.

 

Schon immer tickten die Autobauer auf der Insel etwas anders. Legendär ist bis heute der überlieferte Anspruch des 1982 verstorbenen Firmengründers Colin Chapman, bei all seinen Fahrzeugen konsequent das Prinzip des Leichtbaus umzusetzen. An dieser Philosophie müssen sich ab 1988 auch die neuen amerikanischen Hausherren von General Motors messen lassen. Folglich modernisieren Sie die Linie der rasiermesserscharf gezeichneten Espritbaureihe nur moderat. Ein paar Ecken und Kanten müssen weichen, das Spoilerwerk legt sichtbar zu, doch das Konzept des Type 82 (Esprit Turbo) bleibt unangetastet.

Lohn des Redesigns durch Colin Spooner: die auf einem feuerverzinktem Chassis montierte Kunststoffkarosserie verfügt nun über eine bessere Windschlüpfrigkeit, fährt ein neuen Doppelheckflügel spazieren und kann danach mit einen Luftwiderstandsbeiwert von immerhin nur noch 0,36 aufwarten. Zum weichgespülten Mainstream-Sportwagen wird der in Hethel bei Norwich bis 2003 montierte, kaum 420 Zentimer lange Esprit trotz seiner nachträglich hinzugefügten Rundunge dennoch nicht. Das in einem unschuldigen Silberton lackierte 1993er Fotomodell wirkt vielmehr dezent und dennoch erfrischend eigenständig

Gelenkt wird der modernisierte Esprit-Jahrgang endlich mit einer servohydraulischen Unterstützung, doch die Bedienkräfte für die eng benachtbarten Kupplungs- und Bremspedale bleiben weiterhin hoch und damit ein eindeutiger Fall für die Kategorie „hart aber herzlich“. Immerhin bringen die tiefgreifenden Modellpflegemaßnahmen ein deutliches Plus an Sicherheits- und Komfortfeautures. Serienmäßig gibt es nun ABS-System und Fahrerairbag für ein Mehr an Sicherheit, sowie eine Klimaanlage für heiße und feuchte Tage.

Körperlicher Einsatz in der intim geschnittenen, mit edlem Connolly-Leder ausgeschlagenem Cockpitkanzel zahlt sich fahrdynamisch für den Piloten aus. Obwohl sicherlich einige Puristen über die Abwesenheit einer eine traktionsfördernde Differenzialsperre die Nase rümpfen, überzeugt der zweitürigen Mittelmotorsportler durch einen Mix aus stimmiger Ergonomie, hohem Komfort und präzisem Handling. Akustisch erscheint er zwar arg unspektakulär, nüchtern gestoppt geht er dafür aber ab wie die Pest. Die Einbaulage des Triebwerks hinter den Sitzen sorgt für eine optimale Gewichtsbalance und ermöglicht zusammen mit den neuen 17 Zoll-Alurädern und spezieller Goodyear Eagle-GSA-Bereifung enorme Kurvengeschwindigkeiten auf dem Niveau anderer zeitgenössischer Supersportwagen.

Vier unter Druck

Kaum Zylinder und wenig Hubraum – woher kommt eigentlich die Power? Der mit einem „Garrett T3“-Turbolader aufgeladene Vierzylinder-Sechszehnventil-Motor trägt werksintern den Code 910S und wird beim 4S-Modell im Gegensatz zu seinem Vorgänger endlich von einer modernen, wartungsfreien Multipoint-Einspritzanlage vorsorgt. Aus nur 2174 Kubikzentimetern gelang es den Lotus-Ingenieuren ein sagenhaftes Drehmoment von 354 Newtonmetern und 264 Pferdestärken zu zaubern. So gerüstet schießt das Fahrzeug nach einer kurzen Ladedruck-Gedenksekunde und einem knochigem Gangwechsel in nur 5,0 Sekunden auf Tempo 100 und weist im Duell bis 200 trotz über 1300 Kilogramm Leergewicht sogar einen Porsche 911 Carrera 3.2 in die Schranken.

 

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