Aston Martin DBS 1971 – 007

Kaum mehr als 1000 Fahrzeuge sind vom Aston Martin DBS gebaut worden. Der von Geburt an teure Gran Turismo mit dem italienischen Auftritt hat eine bewegende Geschichte und bewegt noch heute. Einen Fan so sehr, dass er ein malades Exemplar für ein Vermögen wieder auferstehen ließ.
Darauf einen Martini …

Aston Martin – da denkt man doch sofort an diesen Geheimagenten mit der Lizenz zum Töten, der 1964 in „Goldfinger“ erstmals einen Sportwagen dieser Marke mit der Zusatzbezeichnung DB5 über die Leinwand scheuchte. James Bond schmückte den Aston, Aston schmückte James Bond. Im Alltag und gar im Straßenverkehr des neuen Jahrtausends sah und sieht man so einen Briten höchst selten. Das hat viele Gründe.

Einer ist: Aston Martin Lagonda Ltd. baute von den Modellen DB1 bis DB6 über die Jahre jeweils nur drei- oder vierstellige Stückzahlen. Sie waren schon immer very expensive – und very british. Was man auch mit „sympathisch unzuverlässig“ übersetzen kann. Und was für den Nachfolger des DB6 ebenso galt – den DBS. Da trauen sich nach einigen Lebensjahren auf der Straße nicht pauschal alle Enthusiasten heran. Standen Sie schon mal bei Kälte und Regen auf dem Standstreifen neben der dreispurigen Autobahn und sagten dem ADAC-Mann am Telefon, der Havarist sei ein Aston Martin DBS von 1971? Na also…

Grillsaison eröffnet. Aber bitte kein Fleisch. Hier wird ausschließlich frische Luft gefüttert

Wer einst einen Aston Martin käuflich erwarb, musste schon eine ziemliche Schraube im Kopf haben. In den späten 60ern bekam man zum Beispiel in der schönen Schweiz einen Aston Martin für rund 62.000 Franken. Egal ob man ein Spion war oder nicht, Liebe musste das schon sein. Denn für den gleichen Preis konnte man sich auch einen Maserati Mexico oder einen Ferrari 365 GT hinstellen. Die haben den ADAC-Helfer auf dem verregneten Standstreifen auch nicht entspannter gucken lassen, konnten aber bis zu ihrer Havarie mit viel besseren Fahrleistungen punkten. Trotzdem griffen liebestolle und solvente Agenten und Normalsterbliche zu dem Engländer.

Ein Motor wie ein Kunstwerk. Hören, anfassen, gucken – alles toll

Und es gibt immer wieder Menschen, die sich auch heute über „Gebühr“ mit einem solchen Fahrzeug befassen. Alte Aston Martin sind gar nicht so astronomisch teuer, da hätte man im Sinne der Werterhaltung damals lieber zum Maserati oder zum Ferrari greifen sollen. Der Markt geizt mit Ersatzteilen, und eine saubere Restaurierung übersteigt den Wert meistens um das Vielfache.
Das war einem Enthusiasten aus Norddeutschland allerdings egal, er wollte einen DBS und er wollte, dass das Auto schließlich quasi neu – oder besser als neu – dasteht. Und nun sind wir in der Hansestadt Lübeck und bestaunen das Ergebnis. Einer von nur 787 gebauten DBS mit Sechszylinder-Motor. Und was für einer.

Was vorne zündet wird hinten Sound. Viel gedämpft wird da nicht

„Machen Sie den Wagen wieder fit, und machen Sie es gut, bitte. Ich möchte ihn täglich fahren können,“ sagte der Besitzer des DBS zu Mike Knoke, Chef eines Restaurationsbetriebs in Stockelsdorf bei Lübeck. Und weil in den Wagen letztlich mehr Geld geflossen ist als andere für ihr Einfamilienhaus auf dem Lande ausgeben, hält er seinen Namen gern dezent british unter Verschluss. Nennen wir ihn also „Dr. No“. Sofort wurde das Corpus Delicti, das in grauer Vorzeit aus England nach Deutschland importiert und vor vier Jahren in einem bedauernswerten Zustand aus einer vergessenen Garage gezogen wurde, nach Stockelsdorf gebracht.

Knoke ist es auch, der uns jetzt durch die Backsteinmauern der alten Hansestadt fährt, denn niemand kennt dieses Auto so wie er. Hunderte Stunden Arbeit, viel Recherche und eine Menge seltenes und wirklich teures Material waren nötig, bis sein Team den Briten im gewünschten Endzustand hatte. Die Alukarosse wurde komplett entlackt, neu aufgebaut und mit diamantähnlich funkelnden Lackschichten überzogen, die allein schon mehr Finanzmittel verschlungen haben als so mancher für sein komplettes Auto ausgibt. Alle Chromteile hat der Betrieb entweder neu gekauft oder neu verchromt. Das Interieur wurde mit Leder und Teppichen neu aufgebaut. Neue Reifen auf neuen Felgen, und der DBS hatte so fein geputzte Schuhe wie der Doppelnull-Agent. Eines ist klar – das Auto ist anders als seine Vorgänger und trägt seine Geschichte mit Würde.

1947 kaufte der Unternehmer David Brown das Unternehmen
Aston Martin, dessen Wurzeln bis 1913 zurück reichen, und rettete es somit vor dem Untergang. Angeboten über eine Zeitungsannonce gingen für die Aston Martin Motors Ltd. 20.000 Pfund über den Tresen, und das bei Staines nahe London ansässige Unternehmen Lagonda kam gleich noch obendrauf. Hier hatte man einen Sechszylinder-DOHC-Motor im Programm, der von keinem geringeren als Walter Owen Bentley (ja, der Gründer der gleichnamigen Automarke) entwickelt worden war. Alle Aston Martin trugen seitdem die Initialen des David Brown und aufsteigende Nummern.

Nach dem DB6 hätte logisch konsequent eigentlich ein DB7 folgen müssen, aber ab 1966 planten die Designer und Ingenieure ein komplett neues Fahrzeug. Der italienisch anmutende Gran Turismo sollte von Anfang an mit einem kräftigen Achtzylinder angeboten werden. Der flog den Testern aber immer wieder um die Ohren, also gestaltete die Mailändische Carrozzeria Touring für den Pariser Autosalon 1966 zwei neue Entwürfe von zweitürigen Coupés, die zwar für einen Achtzylinder ausgelegt waren, aber zunächst nur den Reihensechser aus dem DB6 bekommen sollten.

David Brown fand die Entwürfe vergleichsweise unelegant und ließ unter der Hand auch William Towns ans Zeichenbrett. Towns arbeitete bei Aston Martin eigentlich an der Gestaltung von Sitzen. Dass er mehr konnte, zeigte er bei seinem ersten Wurf, einem viertürigen Coupé. Dieses im nächsten Schritt auf zwei Türen zu reduzieren erschien ihm einfacher, als ein zweitüriges Coupé im Falle einer Limousinenvariante zu verlängern. Clever.

Der kraftvolle und eigenständige Entwurf überzeugte das Management sofort. Die flach abfallende Dachlinie mit der Abrisskante am Heck ähnelte ein wenig dem ersten Mustang Fastback, aber insgesamt wirkte der Wagen sehr italienisch, muskulös und elegant. Besonderes Merkmal waren die in den Grill eingelassenen Doppelscheinwerfer. Sitzdesigner Towns erschuf mit dem DBS die Grundlage für das Aussehen der kommenden Modelle für die nächsten 20 Jahre – genug für die Pläne, die Welt (und mehr) zu erobern.
Auch unter dem Kleid ging eine Menge gute Technik an den Start. Das alte Fahrwerk des DB6 wurde überarbeitet und so dimensioniert, dass es auch die Achtzylinder tragen konnte. Am Heck hing eine De-Dion-Achse mit Wattgestänge und Längslenkern, am Vorderwagen saßen Dreiecksquerlenker mit Schraubenfedern und Kurvenstabilisatoren.

Feinstes Leder und straffer Teppich – alles neu. Riecht auch so

Zwei Jahre nach Verkaufsstart hatten die Techniker den Acht-zylinder gebändigt und präsentierten 1969 auf der London Motor Show das Auto, welches sie eigentlich schon früher hätten zeigen wollen. Der von Tadek Marek entwickelte 5,3-Liter-V8 aus Leichtmetall basierte auf seinem ausgereiften Sechszylinder, vor allem die Bohrung hatte man übernommen, um auf die gleichen Kolben zurückgreifen zu können. Der neue V8 war ein heißes Eisen – er drückte den Gran Turismo auf über 240 km/h und ließ ihn endlich nicht nur optisch, sondern auch in Sachen Fahrleistungen in der Liga der Italiener mitspielen. Einzig der Verbrauch schmälerte die Euphorie ein wenig. Auch wenn die erste Ölkrise noch nicht in Sicht war – das Fachblatt „auto motor und sport“ attestierte dem DBS V8 im Jahr 1970 einen Durchschnittsverbrauch von stattlichen 28 Litern. Sollte also jemals der ADAC zu einem V8 gerufen werden, könnte der Gelbe Engel gleich  einen Kanister Super mitbringen.

1972 veräußerte Brown „sein“ Unternehmen an Company Developments, seine Initialen sollten fortan erst einmal aus den Modellbezeichnungen verschwinden. Die letzten 70 noch bei der Übergabe vorhandenen DBS wurden von der neuen Unternehmensführung unter dem Namen „Aston Martin Vantage“ an die Kunden veräußert. Der Ur-V8 erreichte eine Stückzahl von 402 und bekam als Nachfolger mit einer modifizierten Frontpartie fortan den Namen „Aston Martin V8 Saloon“.

Nur mal so ganz nebenbei: 2006 fuhr ein neuer, harter und von Daniel Craig verkörperter Agent wieder einen Aston Martin mit der Bezeichnung DBS über die Leinwand. Wer allerdings nicht für Hollywood arbeitete, musste ziemlich gut betucht sein oder im Casino Royale den Tisch abräumen, um selbst in den Genuss dieses Zwölfzylinder Coupés zu kommen. Unter einer Viertelmillion Euro ging da nichts. Beruhigt das vielleicht auch unseren Dr. No?

Der Funken springt schon über, bevor ein Funke das Benzin zündet. Einmal auf der „falschen“ Seite eingestiegen umgibt uns dünstendes Leder und feine Schlingenware mit Neuwagenduft. Das einzige Holz hier drin ummantelt das Nardi-Lenkrad, für Furnier im Wohnzimmerstil sind Jaguar und Rolls-Royce zuständig. Knoke dreht seine Cap von hinten nach vorn – das macht ihn zwar nicht zum Herrenfahrer, hilft aber gegen die tief stehende Sonne. Als der Sechser rund und gleichmäßig läuft, verharrt Knoke noch ein paar Sekunden und lauscht. Er kennt die mechanischen Geräusche, hört Ungleichmäßigkeiten und identifiziert jedes Zischen oder Schnaufen. Alles gut.

Der Restaurations-Profi legt den kleinen Automatikgetriebeknubbel auf D und lässt das britische Coupé vorbeirauschen an Holstentor, Musik- und Kongresshalle und Traveschiffen. Die hochglänzende schwarze Haube vorn lässt tatsächlich Gedanken an den frühen Mustang aufkommen, William Towns gab lange nach den Muscle-Car-Kritiken allerdings zu, sich ein bisschen am Camaro bedient zu haben. Und sind das echt nur sechs Zylinder? Die fast 400 Newtonmeter drücken gefühlt schon im Standgas so muskulös nach vorne, dass man gar nicht so recht in den Genuss der historischen Umgebung kommt. Zumal ein Auge auch immer auf dem Kühlwasserthermometer ruhen möchte. Aber well, all is fine. Das sollte auch den Besitzer ein bisschen über die Schlussrechnung trösten.

Ein geretteter Klassiker, dessen Substanz nun wieder reicht für mehr als ein komplettes Autoleben. Ein mit dem Ergebnis mehr als zufriedener Mike Knoke, ein adrenalingefluteter Redakteur und ein Dr. No, der in den nächsten Jahren viel Spaß mit einem sagenhaften Auto haben wird – Geld ist eben nicht alles. Cool, wenn man es hat und es wie in diesem Fall in ein altes Auto investiert, um eine längst vergangene Zeit noch einmal aufleben zu lassen. Eine Zeit, in der gut gekleidete Agenten noch ohne NSA-Abhörmethoden schöne Frauen flachgelegt haben und von ihren Landsleuten wirklich schöne Autos auf die Straße gestellt wurden.

Mike Knoke ist zu Recht stolz auf die Arbeit

TECHNISCHE DATEN

Aston Martin DBS
Baujahr: 1971
Motor: Reihensechszylinder
Hubraum: 3.996 cm3 (244 cui)
Leistung: 207 kW (282 PS)
Max. Drehmoment: 390 Nm bei 3.850/min
Getriebe: Dreigang-Automatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4.585/1.830/1.325 mm
Leergewicht: 1.707 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 6,8 s
Top-Speed: 225 km/h
Wert: ca 170.000 Euro

Text und Fotos: Jens Tanz