MB Ponton 180er und 190er – Einer kommt selten allein

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Die kleine Ponton- Familie wohnt zwischen der Hamburger Reeperbahn und dem Schanzenviertel, dort, wo Mengen von Kindern auf einem großen Spielplatz lärmen und sich Italiener, Portugiesen, Cafés, Türken-Kneipen, Bars und Bio-Läden auf engstem Raum tummeln. Nach dem Erstkontakt mit Iris, der Lady des Hauses und einigen E-Mails mit ihr und ihrem Mann Till, trafen wir uns bei Kaiserwetter in besagtem Viertel, um die schönen Stücke und ihre Besitzer ganz ungeniert vor die Linse zu nehmen.

Durch ihre verantwortungsvollen Jobs beim Film und in der Mineralöl-Industrie habe ich es mit einem flexiblen, schnell agierenden Team zu tun. So geschehen die Fotos von den beiden Rund-Benzen in zig Positionen fast schon nebenbei, während ich mir die interessanten Auto-Geschichten von Till anhöre, der mit zu den treuesten Ponton-Fans weit und breit zu zählen ist. Schon als Zivildienstleistender fuhr Till als erstes und alleiniges Alltags-Auto einen 190D Ponton Breitkühler, Baujahr 1960. Nach über 100.000 Kilometern in ca. acht Jahren und wiederholten Schweißarbeiten für jeden TÜV-Durchlauf hat er sich entschieden, einen Ponton mit besserer Substanz zu kaufen. Dieses war der beige 190er aus unserem Bericht, Baujahr 1959, den Till um das Jahr 2000 herum von der Frau eines ehemaligen Touristen-Rundflugpiloten nach Besichtigung in einer Hafenlagerhalle in Hamburg gekauft hat. Till legte sofort Hand an, die Motortechnik wurde teilüberholt und der Wagen erhielt einen großen Service. Das Faltschiebedach und die Sitze in Leder wurden beim Sattler Kroll gemacht und die Hohlräume mit Mike Sanders-Fett versiegelt.

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Fazit der letzten 10 Jahre: Außer einer gebrochenen Nockenwelle sind Till und Iris seitdem ca. 60.000 km ohne Probleme gefahren. Etwas lästig waren lediglich wiederkehrende Probleme mit dem Magnetschalter des Anlassers, überschaubar. Inklusive der Sattlerarbeiten wurden ca. 4.500,- Euro innerhalb von ca. 10 Jahren in den Wagen gesteckt. Viele kleine Sachen konnte der Ponton-Besitzer selber instand halten. Der MB 190 wurde seit dem Erwerb ganzjährig als Hauptauto gefahren, sowohl von Till als auch von Iris. Nachdem das Paar wegen Nachwuchses den Nebenbuhler MB 240TD W123 verkauft hatte, wird in den 190er gerne mal ein Kindersitz eingebaut. Till ist sogar eine lose Verabredung eingegangen, den Wagen irgendwann einmal zum Kombi umzubauen. Dieses Projekt würde er ernsthaft und gerne angehen, da der Ponton-Mercedes seines Erachtens eines der genialsten Autos überhaupt ist.

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Die gelben Nebelscheinwerfer über den neuen Chrom-Stoßstangen.

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Der Volant des 180er mit Lenkradschaltung und viel Bakelit.

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Der alte ATE-Hydrauliköl-Behälter zeigt, wo es in Sachen Patina lang geht.

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Das Faltdach wurde in Köln montiert, bei früher bekannter Adresse.

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Zündverteiler mit Folge 1-3-4-2 lässt den alten Grauguß-Motor leise surren.

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Selbst der geflochtene, hellbraune Haltegriff hat Funktion mit Stil.

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Liebe zum Detail – hier ein verchromter Griff für’s Faltschiebedach.

Sogar in der Europa-Hauptstadt Brüssel weilte der beige Wagen, als Till dort 2007 und 2008 für seine Firma tätig war. Damit sie auch in Hamburg einen Ponton hatten (das Pendeln zwischen Brüssel und Hamburg wurde nicht auf eigener Achse erledigt), nahmen Iris und  Till die Gelegenheit wahr, einen seltenen 180er, Baujahr 1957, mit Seiten gesteuertem Motor aus dem 170er Bruder mit den begehrten, kleinen Rücklichtern zu erwerben. Dies ist das taubenblaue und in seinem optischen Erscheinungsbild auch das edlere Schmuckstück der beiden Pontons und gehört der stolzen Iris. Es wurden in Folge die Innenausstattung mit dunkelbraunem Leder bezogen sowie das Faltschiebedach erneuert. Das dunkelbraun der Sitze passt auch sehr gut zu den braunen Bakelit-Anbauteilen oberhalb der Tür-Verkleidungen und im Bereich des Armaturenbretts. Der Himmel wurde ebenfalls erneuert, die Kardanwelle überholt und neben einem komplettem Service samt Hohlraumversiegelung  erhielt das Fahrzeug neue (schicke, gelbe) Nebellampen, neue Stoßstangen, ein neues Becker Mexiko Radio und neue Reifen. Soweit, so gut.

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Iris & Till an ihren Blech-Schätzen oberhalb des Hamburger Hafens.

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Weißes Lenkrad mit Schaltstock, schöne Knöpfe und privates Gehänge.

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Die Lenksäule bitte nicht nachlackieren, sieht so genau richtig aus.

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Der Motor des 190er läuft etwas souveräner dank mehr Hubraum.

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An dem Vergaser wurde für die Kaltlaufphase ein bisschen modifiziert.

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Manfred U. (70 Jahre, an seinem Ford Eifel-6-Zyl.-Cabrio aus den 30ern), ist Tills Fachmann für „extrem schwierige Fragen“. Till ist ihm sehr dankbar für Rat und Tat, um die Pontons am Laufen zu halten.

Doch kurz, nachdem der 180er dann in seinem nun innen wie außen äußerst eleganten Erscheinungsbild fertig gestellt war, wurde leider die Heckscheibe eingeschlagen. Wieso dies? In der gut geschützten Sammeltiefgarage hatten wohl schwer bedürftige Leute Mitte dieses Jahres die glorreiche Idee, sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen, um das Radio zu klauen. Na, klasse. So ein Fahrzeug steht doch eigentlich für jedermann unter Artenschutz. Ärgerlich, aber reparabel. Scheibe ist wieder drin, doch ein paar Radio-Kabel hängen noch heraus und warten auf erneute Verlegung ins passende Gerät. Hektik kommt bei Iris und Till zum Glück nicht auf mit dem Thema Ponton. Die beiden fahren die Autos mit ihren Eigenheiten, Macken und der Patina wie selbstverständlich durch den Alltag. Obwohl – mit dem 180er sind sie bis jetzt erst ca. 2.000 Kilometer gefahren, nur ab und zu am Wochenende. Dazu muss man aber sagen, dass der Wagen auch gerade diesen Sommer durch die Reparatur des Heckfensters einige Zeit außer Gefecht gesetzt war. Jetzt rollt er wieder. Und wie schön die beiden Pontons dies alle beide tun! Es war ein echtes Erlebnis, einfach nur mitzufahren und die Atmosphäre in und um in die alten Baby-Benze zu spüren. Wir wünschen noch viele Jahre des ungetrübten, regelmäßigen Genusses dieser wunderbar weich laufenden, soliden und schönen Autos.

Bilder: Christian Böhner