Die Offenbarung: Mercedes-Benz 280 SE 3.5 V Werkscabriolet


Die Offenbarung: Mercedes-Benz 280 SE 3.5 V Werkscabriolet

Es war 1961, als der Begriff Luxus neu definiert wurde: Mercedes-Benz stellte das neue Cabrio der Baureihe W 111 vor. Mächtig, distinguiert und luxuriös war die noble Trutzburg der Inbegriff vom Leben auf der Überholspur

 

Der Mercedes 280 SE steht, egal ob offen oder geschlossen, für deutsche Wertarbeit. Damals wie heute. In massiver Bauweise kam Chrom, Stahl, Holz und Leder in verschwenderischer Fülle zum Einsatz und prägte den Ruf von Mercedes-Benz als Hersteller luxuriöser Oberklasse-Fahrzeuge. Technisch ist die offene Variante identisch mit dem Coupé, bekam aber bedingt durch das fehlende Stahldach zahlreiche Versteifungselemente. Im September 1969 debütierte das 280 SE 3.5 Cabriolet als leistungsstärkste Version mit einem völlig neu entwickelten 3,5-Liter-V8-Motor. Das Topmodell ist schnell zu identifizieren: der Kühlergrill ist niedriger und breiter, der Grund, warum die Dickschiffe unter dem Begriff „Flachkühler“ laufen. Das Achtzylinder-Cabriolet lief bis 1971 nur 1.232-mal vom Band und gehört – kaum verwunderlich – heute zu den meistgesuchten Klassikern. Für sündhafte 35.631 DM – ohne Extras! – war das Cabriolet seinerzeit nur für eine Handvoll Auserwählte erschwinglich, die meisten gingen ohnehin gleich in die USA, wo das Geld lockerer saß und der German Threefifty das adäquate Vehikel für den Jetset war.

Ein sagenhafter Ruf eilte dem Traumschiff voraus, die Erwartungen an Fahrgefühl, Performance und Nimbus waren hoch und wurden selbstredend in Gänze erfüllt. Am besten mit dem 200 PS starken Achtzylinder als 280 SE 3, der in jeder Situation mehr Leistung liefert, als der Fahrer verarbeiten kann. Das herrschaftliche Cabrio verkörpert deutsche Wertarbeit wie kaum ein anderer und  hält, was es verspricht. Aus dem stolzen Verkaufspreis von mehr als 35.000 Mark (nochmal, weil es so unglaublich ist: ohne jede Sonderausstattung!!) hat sich ein geradezu sagenhafter Marktwert entwickelt: Deutlich mehr als 200.000 Euro für durchschnittliche Exemplare, bis zu 300.000 für gepflegte, und Top-Modelle kratzen durchaus an der Schallgrenze von einer halben Million.

Wie der unglaubliche One-off von Route 66, der gleich mehrere Top-Rankings vereint. Der 1971er ist ein original 280 SE 3.5 V8 Werkscabriolet, hat eine aufwändige BRABUS Komplett Restauration hinter sich und glänzt mit seinen 47 Jahren im absolut neuwertigen Zustand. Das im Juli 1971 erstmals zugelassene Cabrio ist eines der wenigen, die nicht nach Amerika exportiert wurden, stand lange in einer illustren Sammlung und ist seit der Runderneuerung erst 3.800 km gelaufen. Mit insgesamt 69.000 km seit 1971 ist es auch vor der Restaurierung nicht gerade überstrapaziert worden und war gerade richtig eingefahren. Die Vollrestaurierung erstreckt sich auf alle Fahrzeugteile und -komponenten. Im ersten Arbeitsgang wurden der Antriebsstrang mit Motor und Getriebe ausgebaut sowie alle Fahrwerksteile und Anbauteile demontiert. Im zweiten Schritt erfolgte eine Bestandsaufnahme über Vollständigkeit, Zustand und Originalität aller Komponenten. Drittens wurden Karosserie und Anbauteile zerlegt, entlackt und auf Beschädigungen, Gebrauchsspuren sowie Spaltmaße und Passgenauigkeit untersucht. Bei BRABUS legte man das Hauptaugenmerk auf die Bewahrung der vorhandenen  Substanz. Um die größtmögliche Originalität zu erhalten, wurden mechanische Komponenten nur dann ersetzt, wenn es unbedingt erforderlich war und, wann immer möglich, Originalteile von Mercedes-Benz verbaut. Die abschließende Lackierung in dezentem Beige-Grau Metallic und die Innenausstattung mit Vollleder in Dunkel-Brasil-Braun werden durch das Verdeck in Dunkelbraun im wahrsten Sinn des Wortes getoppt – authentischer geht´s nicht.

Im Gegensatz zu den nur mit dem Nötigsten ausgestatteten „Basis“-Modellen hat der seltene Flachkühler neben dem bestechenden Äußeren eine ordentliche Mitgift vorzuweisen: Werks-Klimaanlage, Automatikgetriebe, Einparkhilfe, elektrische Fensterheber und Wegfahrsperre, Sitzheizung, Servolenkung und ein Becker Radio sind an Bord und machen die Ausfahrt für fünf Privilegierte zum Special Event. Wer das Cabrio entert, erlebt einen Flashback in die Siebziger: Eine erstaunlich niedrige, wie mit dem Lineal gezogene Gürtellinie, ein fast vollständig versenkbares Verdeck, einen distinguierten Motor, für den lautes Bollern so indiskutabel ist wie Hüsteln im Theater. Der 350er versteht es, akustisch zu beeindrucken, ohne sich darüber definieren zu müssen. Die Karosserie scheint über den vergleichsweise zierlichen 14-Zoll-Rädern zu schweben und erstreckt sich, durch den Spiegel betrachtet, schier endlos nach hinten. Die Türen fallen mit charakteristischem Plop ins Schloss und vermitteln ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit – in diesem Panzer bist du geborgen, auch wenn sich der Himmel ungeblockt über dir ausbreitet. Mit Zylindermaßen von 92 x 66 mm extrem kurzhubig ausgelegt, verträgt der V8 sportliche Drehzahlen, braucht sie aber nicht. Nie. Ähnlich über Kritik erhaben ist das Fahrwerk mit der Eingelenk-Pendelachse, auf der das Statement-Car vornehm dahinschwebt. Wenn es denn sein muss, lässt er sich auch beherzt durch die Kurven prügeln und schnurrt mit gut 210 km/h über die Autobahn – mit der Nadel des Drehzahlmessers am roten Bereich jenseits der 6.000.

Aber wer tut ihm das schon an? Connaisseure bestimmt nicht. Die können sich, ein gut gefülltes Konto vorausgesetzt, auf ein Statement Car allererster Sahne freuen. Für 499.500 Euro hat einer die Chance, den höchst seltenen Klassiker im Neuwagenzustand zu ergattern. Da ist die Mehrwertsteuer sogar schon drin …

Technische Daten:

Baujahr: 1971
Motor: V8
Hubraum: 3.459 ccm
Leistung: 147 kW (200 PS)
Max. Drehmoment: 286 Nm
Getriebe: Automatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4.900/1.845/1.420 mm
Gewicht: 1.650 kg
Sprint 0-100 km/h: k.A.
Top-Speed: 205 km/h
Wert: ca. 500.000,- EUR

https://route66-koeln.com/66/

Autor: Marion Kattler-Vetter – Fotos: Nico Paflitschek