Olds und unvergänglich

 

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Das Leben ist zu kurz für emotionslose Autos. Sven Timm ist glücklich

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Im gewaltigen Kofferraum verschwindet das 
Reserverad mit den Dimensionen eines Ufos fast

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Massive Radkappen, die es mit jeder Alufelge aufnehmen können

Der konnte jetzt auch den für ihn zu hohen, aber durchaus 
gerechtfertigten Kaufpreis verstehen. Und nun? Geheiratet hatte er schon, das Haus war gebaut und die Firma erweitert – der Faktor „Leben“ schien ihm diesmal nicht reinzugrätschen. 
Der sympathische Vorbesitzer kam dem zögernden Installateur mit dem Kaufpreis noch ein ganzes Stück entgegen, der 
mitgebrachte Experte fand keinen Haken – „Deal“. Rocket launched. Die Brüder und Schwestern des Olds sind im Downsizing-Wahn abgewrackt und eingelagert worden, liegen als sterbende Skelette in der Wüste rum oder fristen ihr Dasein als ikonisches Schnittmodell oder Sofa in irgendeinem Diner. Der hier fährt. Und wie der fährt. Die beiden Auspuffrohre grummeln und murmeln die basslastige V8-Zündfolge des Rocket V8 in die Ohren einiger Anwesender, an denen die Zeit nicht ganz so spurlos vorüber gegangen ist.

Noch nicht die letzte Ehre

Für eine ehrwürdige Foto-Umgebung sorgt der Friedhof Ohlsdorf in Hamburg, der größte Parkfriedhof der Welt, wo die Jahrhunderte in Stein gemeißelt sind. Das passt zum Olds – die Marke gibt es auch nicht mehr. Nach 1956 ging es in den 60ern zwar erstmal weiter steil bergauf, 1966 erschien mit dem Toronado das erste frontgetriebene Muscle-Car, ab 1974 bot Oldsmobile erstmals Airbags an. In den 80ern war der Cutlass mit 1,2 Millionen Fahrzeugen pro Jahr das meistverkaufte Serienmodell Nordamerikas. Aber das war‘s dann. Im Zuge des „Badge Engineering“ klebte General Motors fortan nur noch verschiedene Logos auf die fast immer gleichen Autos, ein Buick ließ sich nicht mehr von einem Oldsmobile oder einem Pontiac unterscheiden. Technikbegeisterte Ingenieure mit Fortbewegungsbedarf gab es noch immer – die hatten aber keinen Bock mehr auf den Einheitsbrei. Zuletzt baute Oldsmobile keine 300.000 Fahrzeuge mehr pro Jahr, und GM ließ die Marke 2004 sterben.

Respektvoll steuert Sven Timm das Auto langsam wieder durch das schmiedeeiserne Tor nach draußen, in die Welt der 
Lebenden. Dorthin, wo auch totgeglaubte Marken ihr 
Gnadenbenzin erhalten…

Technische Daten

Oldsmobile Ninety Eight 4-door Holiday Hardtop
Baujahr: 1956
Motor: V8
Hubraum: 5.314 ccm (324 cui)
Leistung: 164 kW (223 PS) bei 4.400/min
Max. Drehmoment: 475 Nm
Getriebe: Viergang-Automatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 5.392/1.997/1.581 mm
Leergewicht: 2.070 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 11 Sek.
Top-Speed: 180 km/h
Wert: 35.000 Euro

 

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Fotos: Jens Tanz