Nicht lernen. Machen! Porsche Schrauber Marcus Poschenrieder

Schrauber sind manchmal Philosophen. Spätestens seit Robert M. Pirsigs Kultbuch „Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten“ dämmert es dem anspruchsvollen Leser: Das puzzleartige Zusammen-fügen einzelner Bauteile zu einem funktionierenden Ganzen ist das eine, der Anspruch an sich selbst und die 100%ige Qualität eines Werkstücks das andere

 

Die schlichte Firmenbezeichnung verrät nichts vom exklusiven Klientel, das sich der Dienste von Marcus Poschenrieder bedient. „Handel und Vermittlung von Baugruppen und Instandsetzungen im Bereich Motorentechnik“, so die etwas sperrige Firmierung der Motorenschmiede in Kempten, der ältesten Motoreninstandsetzung in Deutschland, die Opa Manfred 1947 gegründet hat. In den 70ern übernahm der Vater die Werkstatt, Anfang des neuen Jahrtausends trat Marcus an, das durch die Euroumstellung stark gebeutelte Familienunternehmen auf neue Füße zu stellen. Der heute 42-Jährige übernahm damit nicht nur eine renommierte Spezialwerkstatt mit über Generationen erworbenem Know-how, er übernahm auch den Geist seiner Vorfahren, denen Perfektionismus und Problemlösungen über alles ging. „Mein Vater war eine echte Koryphäe“, so Marcus, „er hat Motoren für alle großen Hersteller optimiert, er konnte einfach mehr als alle anderen.“ Von ihm lernte der Sohn das Fundament, von ihm übernahm er die Beharrlichkeit beim Bearbeiten noch so kleiner Bauteile bis zur Perfektion.

Für Marcus ist sein Beruf nichts, was man lernen muss. „Die Basis, o. k., alles andere ist persönlichkeitsabhängig. Wenn es nicht perfekt ist, musst du immer wieder von vorne anfangen, bis du es hast, dann wird es extravagant. Fürs Endergebnis ist deine Motivation entscheidend, nicht die Uhr, nicht die Wirtschaftlichkeit, nicht das Geld.“ Dass diese Herangehensweise an Motorenrestaurationen und Neuaufbauten nicht unbedingt mit der arbeitswerteorientierten Abrechnung herkömmlicher Werkstätten vereinbar ist, liegt auf der Hand. Dass Marcus kaum Mitarbeiter hat, die seinen extremen Qualitätsansprüchen genügen, ebenfalls. In den letzten vier Jahren hat es keiner geschafft, die Folge: Rund 80 % der Arbeiten sind Chefsache. 30, 40 Stunden sind für eine Revision normal, wenns ins Detail geht, können es auch mal 80 und mehr werden. Aber Marcus‘ Kunden sind bereit, dafür zu zahlen, wenn nicht, dann eben nicht. So kam auch Marcus persönliche Porsche-Sammlung zusammen: Manche Kunden verkaufen lieber, als in einem reparierten Fahrzeug herumzufahren. So gesellt sich in Marcus Scheune unter anderem ein Porsche 906 GTS zum 906 Turbo, ein Cayman zu zwei Cayennes und einem gelben GT3.

Wer den Weg in die Werkstatt findet, ist schnell umrissen: 40 % Porsches ab 1960, 40 % Ferraris und Maseratis der 50er- bis 70er-Jahre, 20 % „alles, was geil ist“ – die Motoren, die durch Marcus Poschenrieders Hände gehen, müssen schon einem gewissen Anspruch genügen. Normale Pkw fallen raus, es darf aber gerne mal ein Vorkriegsmodell sein, ein alter Unimog oder ein lebenserfahrener Käfer. Und Motorräder, denn auch das liegt Marcus im Blut: Der Opa war in den 60ern Deutschlands erfolgreichster Sandbahnfahrer, der Vater sammelte Pokale auf der Motocross-Strecke und auch Marcus setzte als Youngster auf zwei Räder. Bis er die Liebe zum Brettl entdeckte und als Snowboarder internationale Top-Platzierungen in der Halfpipe, beim Big Air und im Slope-Style einfuhr – nur um Haaresbreite verpasste er den Olympiakader. Wie beim Motorenbau gilt auch hier sein Credo: „Es ist alles simpel, wenn du 100%ig rangehst. Du musst es nicht lernen. Du musst es tun. So lange, bis es perfekt ist.“

Sein hoher Anspruch an die eigene Arbeit, das Streben nach dem optimalen Ergebnis, seine Null-Prozent-Toleranz im Detail und unaufhörliches Sich-selbst-Überprüfen haben Marcus zu einem besonnenen Perfektionisten mit Hang zum Praktischen geformt. Die One-Man-Show in der Werkstatt lässt Zeit zum Genießen technischer Meisterwerke, zum Reflektieren und zum Überdenken eigener Standpunkte. Marcus Daily Driver sind ein Cayman S und ein Cayenne, nicht gerade Fahrzeuge, die ins Weltbild ökologisch bewusster Menschen passen. Oder doch? Marcus hat, wen wunderts, auch hier einen anderen Ansatz. „Statt mir einen neuen Tesla oder ein aufwendig produziertes Elektroauto zu kaufen, repariere ich doch lieber die Substanz, die da ist. Damit erhalte ich Material und Werte und bin auf alle Fälle nachhaltiger unterwegs als in einem Neuwagen“, erklärt er selbstbewusst. Und er geht noch weiter: „Wenn ich Fahrzeuge vor der Verschrottung rette, habe ich ein Guthaben in der CO2-Bilanz. In ein paar Jahren bin ich mit meinem Cayman klimaneutral unterwegs, da bin ich sicher.“

Retten statt Verschrotten, ein vernünftiger Lebensstil und gute Arbeit abliefern – das sind, kurz gefasst, Marcus‘ Lebensziele. Ein wenig mehr Expertise in puncto italienischer Diven aneignen, ab und an mal ein Trackday, um den Cayman lustvoll von der Leine zu lassen, vernünftige Motoren bauen und zur Entspannung ein bisschen surfen – das Leben kann so einfach sein. Wenn man das Ganze richtig anpackt. Zweifelt noch jemand, dass Schrauber philosophisches Potenzial haben …?

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Nico Paflitschek

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