R wie Riesenluxuspowerschaukel – Bentley Continental R

Der Continental R galt noch im Jahr 2003 als der schnellste, stärkste und teuerste Bentley, der zu haben war. Und der erste seit 1965, der eine andere Karosserie trug als das Rolls-Royce-Pendant. Also rein in den Luxus von einst

Dass Bentley trotz so manch schwerer Zeiten den Geist für Witz besitzt, hat die kleine, aber sehr feine Firma immer mal wieder bewiesen. So auch im Jahr 1991, als der Bentley Continental R auf die Straße kam. In Anzeigen soll zu lesen gewesen sein: „Der Bentley Continental R. Zwei Autos zum Preis von vier.“ Selbst wenn die Briten so etwas nicht offiziell geschaltet haben – der Inhalt stimmt.

Denn mit einer Länge von fast 5,4 Metern und einer Breite von gut zwei Metern benötigte das Blechschiff eine Verkehrsfläche von zwei Smart. Wobei man in Sachen Mund-vor-Staunen-nicht-wieder-schließen-können berücksichtigen muss, dass der Continental R ein reiner Zweitürer ist. Zudem kostete die Top-Version, also die Mulliner-Ausgabe, im Jahr 2000 (der R wurde von 1991 bis 2003 gebaut, ab dann folgte der Continental GT unter VW-Regie) in Deutschland 624.000 Mark oder 319.024,13 Euro. Dafür bekam man fast vier Porsche 911 vom Typ 996 zu Freundschaftskonditionen.

Das muss einst beeindruckend gewesen sein. Und ist es noch heute: Wir haben die Möglichkeit, die Mulliner-Version zu fahren – und zwar im letzten gebauten Continental R aus dem Jahr 2003. Das Modell (die Karosseriefirma H.J. Mulliner war 1959 von Rolls-Royce übernommen worden) stand zuerst 1999 auf dem Genfer Salon und war eine Kombination aus der langen Continental-Version mit dem 426 PS starken Motor aus dem Continental T.  Insgesamt entstanden nur 194 Mulliner-Continental-R-Fahrzeuge. „Continental“ ist übrigens auch historisch bedingt. Denn so nannte Bentley seine besonders teuren und sportlichen Modelle, angefangen mit dem R-Type Continental von 1952.

Die stylistische Abkoppelung von Rolls-Royce begann übrigens erst 1982, und zwar ganz vorsichtig mit dem Mulsanne Turbo R, dem Schwestermodell des Rolls-Royce Silver Spirit. Daraufhin forderten die Markenmanager Mike Dunn und Peter Ward mehr eigenständiges Bentley-Design. Die erste Antwort hieß „Project 90“, eine Coupé-Studie der britischen Designer John Heffernan und Ken Greenley von 1985. Mit dem Auslaufen des Rolls-Royce Camargue begann 1986 die Serienentwicklung des legalen Nachfolgers des zweitürigen Rolls-Royce Corniche. Und auch wenn viel Rolls-Royce-Material verbaut wurde, war der fertige Continental 1991 durchaus als eigenständiges Modell zu erkennen. Von der Mulliner-Version wurden allerdings nur 194 Stück gebaut.

Der erste Blick gilt der Front und dem Motor. Den schönen und auffälligen Matrixgrill gibt es ab 1997, eine Hommage an die Cricklewood-Bentleys der 20er und 30er Jahre. Wuchtet man die mächtige Haube hoch, wird man allerdings von der Optik des Antriebes enttäuscht, denn vom legendären Sechsdreiviertelliter-V8 ist nicht viel zu sehen – den größten Teil deckt Plastik ab. Auf der mittigen Abdeckung findet sich immerhin der Hinweis auf den Hubraum, den Hersteller und den letztendlich verantwortlichen Motormechaniker (in diesem Fall ein gewisser D. Moore).

Jetzt wird es Zeit, es sich bequem zu machen – was nicht schwerfällt. Man muss erstmal all den Luxus um sich herum wirken lassen: Die großen Sitze mit erkennbaren Seitenwangen und aus feinstem, in Karos unterteiltem Leder; die nur an den Sitzaußenseiten befestigten Kopfstützen; die breite Mittelkonsole, die sich wie eine elegante Welle nach oben schwingt; insgesamt neun Rundinstrumente, die über alles Mögliche informieren; rechts der Drehzahlmesser, dessen roter Bereich bereits bei 4500 Umdrehungen beginnt; vor sich groß der Tacho, dessen Skala bis 170 mph anzeigt – was bedeutet, dass die Tachonadel bei Höchstgeschwindigkeit am Anschlag ist. Davor das ziemlich flach und schief stehende Lenkrad. Wie bitte? Tatsächlich, wenn man direkt vor dem Volant sitzt, scheint es nach rechts zu kippen – als wäre es aus irgendeinem Grunde eine typisch britische Lösung für ein nicht sichtbares Problem. Lenkt trotzdem.

Mit sattem Plopp fällt die ewig lange Tür hinter uns zu. Wir schauen einmal nach hinten, sehen dort zwei edle Einzelsitze, planen trotzdem nicht den Wechsel in den Fond, greifen zu dem massiv erscheinendem Getriebewählhebel, lassen das D einrasten und den Blick schweifen über die beiden dahinter platzierten Einheiten für die Vordersitze: sechs Schalter für die Position und zehn für Memory und Sitzheizung, mach summa summarum 16 Stück, umhüllt von Klavierlack. Kein Wunder, dass das Auto so teuer war.

Jetzt aber endlich los. Zwar reagiert der Motor spontan auf den Gasbefehl, aber das ganze Auto scheint sich erstmal bewusst werden zu müssen, dass auch eine riesige Masse – in diesem Falle mehr als 2,4 Tonnen – beschleunigt werden kann. Trotzdem soll der Sprint in 5,8 Sekunden funktionieren. Möglich, denn nach der Gedenksekunde geht’s vehement nach vorne, irgendwo müssen ja die 881 Newtonmeter bleiben. Die Viergangautomatik schaltet fast unmerkbar, die 185er-Reifen auf den großen 18-Zöllern sorgen für Komfort, und so lässt es sich bestens übers Land cruisen. Das es beim Blinken im Rechtslenker irgendwo tief unten links akustisch klickt, irritiert nur anfangs. Aber leider muss man auch irgendwann bremsen – BREMSEN!!!! Der Schreck sitzt tief, denn zunächst tut sich gar nichts am Pedal, und mit mehr Nachdruck scheint man in eine ziemlich teigige Masse zu treten. Wie sich eine Notbremsung anfühlt aus Top-Speed von 274 km/h wollen wir nun gar nicht mehr wissen.

Nach genug Kilometern bringen wir den Continental R kratzerlos wieder zum Ausgangspunkt, nicht genau erkennend, wie wir es geschafft haben, das Riesenschiff trotz Trucks und anderer großer Vehikel auf winzigen englischen Landstraßen der tieferen Kategorien gesund hindurchmanövriert zu haben. Wir bedanken uns einfach mal bei allen aus dem Gegenverkehr, die dazu beigetragen haben.

Eine Delle wäre kostspielig geworden. Wahrscheinlich so teuer wie vergleichbarer Schaden an sechs normalen Autos.

Technische Daten Bentley Continental R

Baujahr: 2003
Motor: V8-Turbo
Hubraum: 6.750 ccm
Leistung: 313 kW (426 PS)
Max. Drehmoment: 881 Nm
Getriebe: Viergangautomatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 5.342/2.045/1.463 mm
Gewicht: 2.420 Kilo
Sprint 0-100 km/h: 5,8 Sek.
Top-Speed: 274 km/h
Preis (2000): 624.000 Mark

R-Type Continental – zu seiner Zeit das Optimum

Will man absoluten Luxus erleben, wie er Anfang der 1950er Jahre definiert wurde, erleben, muss man in einen Bentley R-Type Continental steigen. Denn das Modell war der schnellste Serien-Viersitzer der Welt mit einer Höchstgeschwindigkeit: 188 km/h. Das zweitürige Coupé als Sportversion des Bentley Mark VI kostete im Jahr 1952, als es auf den Markt kam, genau 7608 Pfund – das wären in heutiger Währung rund 700.000 Euro. Unser „Testwagen“ – Chassis-Nummer BC16C, Mulliner-Karosserie-Nummer 5596, mit verkleideten Hinterrädern, ausgeliefert im Dezember 1953 an den Erstbesitzer R. Guenin in der Schweiz, zweiter Lack aber Originalfarbe – ist ein supergepflegtes Exemplar. Trotzdem zeigt sich die Viergangschaltung als sehr sperrig – nicht nur, weil der Schalthebel rechts vom Sitz im Rechtslenker platziert ist. Top dagegen der kaum hörbare Reihensechszylinder, der Sitzkomfort in den Clubsesseln, unerreicht der Blick über die lange Haube auf das geflügelte B. Eine ständige Lenkkorrektur des mehr als 5,2 Meter langen Luxus-Schiffes ist notwendig, das Bremsen sollte man wegen der Trommeln rundum langfristig planen. Trotzdem fühlt man sich ständig wie auf einem mobilen Thron. Alle Mitfahrer haben enorm viel Platz, was auch daran liegt, dass Ausschnitte im Dachhimmel für mehr Kopffreiheit sorgen. Selbst hinten kann man – trotz Coupéform – bestens aufrecht sitzen und hat mehr Beinfreiheit als in so manchem modernen Luxusauto mit kurzem Radstand. 207 Stück des Ur-R-Type entstanden, davon 192 Exemplare mit der Fastback-Mulliner-Karosserie.

Technische Daten Bentley R-Type Continental

Baujahr: 1953
Motor: Reihensechszylinder
Hubraum: 4.566 ccm
Leistung: 116 kW (158 PS)
Max. Drehmoment: k.A.
Getriebe: Viergang-Handschalter
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 5.245/1.816/1.600 mm
Leergewicht: 1.625 Kilo
Beschleunigung 0-100 km/h: 14,0 Sek.
Top-Speed: 188 km/h

Preis 1952: 7608 Pfund

Bentley Mulsanne – jetzt auch schon Geschichte

Bentley trennt sich von seinem eigentlichen Rolls-Royce-Konkurrenten, dem absoluten Top-Modell Mulsanne. Grund genug, es sich noch einmal in der schnellsten Speed-Version bequem zu machen. Was kein Problem ist: Luxus pur kann so schön sein, erst recht, wenn der legendäre Sechsdreiviertelliter-V8 mit 537 PS und unglaublichen 1100 Newtonmetern glänzt. Dabei möchte man mit dem fast 2,7 Tonnen schweren Auto gar nicht rasen, sondern nur cruisen – die Masse eignet sich auch nicht wirklich zum Kurvenräubern. Die Lederverarbeitung ist vom feinsten, der Klavierlack makellos, die Knöpfesammlung in der Mittelkonsole nostalgisch, jedes Rundinstrument einen Blick wert. Alleine das Interieur benötigt 170 Stunden (fürs Beledern des Lenkrades alleine sind 15 Stunden veranschlagt), ein gesamtes Auto 400 Stunden Handarbeit. Und jetzt: vorbei. Bye bye Mulsanne – Bentley neues Top-Modell heißt Flying Spur W12.

Technische Daten Bentley Mulsanne Speed

Motor: V8-Biturbo
Hubraum: 6.752 ccm
Leistung: 395 kW (537 PS) bei 4000/min
Max. Drehmoment: 1.100 Nm bei 1.750/min
Getriebe: Achtgangautomatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 5.575/1.926/1.521 mm
Gewicht: 2.685 Kilo
Sprint 0-100 km/h: 4,9 Sek.
Top-Speed: 305 km/h
Letzter Preis: 283.300 Euro netto

Text: Roland Löwisch, Fotos: Bentley, Löwisch

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