Over The Top: Ringbrothers G-Code Camaro

Wisconsin ist nicht gerade das, was man als Erlebniszentrum der Vereinigten Staaten bezeichnen könnte. Hier gibt’s viermal soviel Kühe wie Einwohner, viel Wasser, viel Wald und viel Fläche. In Kreisen begaster Automaniacs aber ist Wisconsin dennoch ein Begriff. Und zwar nicht wegen der endlosen Highways, auf denen man es auch mal ungestraft krachen lassen kann, sondern wegen zwei freundlichen Bartträgern, die sich bevorzugt mit Hosenträgergurten gesichert in enge Cockpits klemmen: Jim und Mike Ring, die wohl abgedrehtesten Customizer jenseits von Japan.

Die Ring Brothers im beschaulichen Spring Green sind spezialisiert auf absolut einzigartige Custom Cars und werden seit Jahren als ungekrönte Könige der SEMA gefeiert. Mal rockten sie die Show mit einem unglaublichen 70er Mustang, mal mit einem 600-PS-DeTomaso, im vergangenen Jahr war es ein Camaro mit dem schönen Namen Diversion (= Umleitung), aber in diesem Jahr blieb selbst den leistungsverwöhnten SEMA-Kennern die Spucke weg: 1000 PS, Carbonfinish, optische Gimmicks satt: Der G-Code Camaro toppt alles von den begnadeten Brüdern je Vorgestellte.

Der Custom Built basiert auf einem 69er Camaro. Der ist mit großen Ami-V8, einem Schaltgetriebe, das jedes kleinste Gaspedal-Antippen in unbändigen Vortrieb umsetzt und einer irren Beschleunigung von 6,5 Sekunden für die Hunderter-Marke schon von Haus aus eine ständige Herausforderung, die forciertes Fahren klaglos aushält. Der Chevrolet Camaro SS 396, die Kenner-Alternative zum ewigen Rivalen Mustang, galt seinerzeit als Optimum. Immerhin 13.970 Käufer entschieden sich 1969 für das Coupé mit 6,5-Liter-V8 und mussten dafür gerademal 3.207 Dollar ausgeben.

Der SS kokettierte mit deutlich konturierten Kotflügeln und einem rassigen Hüftschwung. Die schnelle Optik hielt dank direkterer Lenkung, verbessertem Fahrwerk und Scheibenbremsen vorn auch endlich, was sie versprach. Heute sind gut erhaltene Camaro der Endsechziger solide Geldanlagen, die nicht für die Garage, sondern für die Piste gebaut sind: Ein Klassiker, in dem du kämpfen musst, weil die Technik eben fast 50 Jahre alt ist: Lenkung, Reifen, Bremsen, einfach alles. Das fordert Helden am Lenkrad, die das mit viel Gefühl und etwas Verstand ausgleichen. Belohnt werden sie mit purem Fahrvergnügen.

Warum also Hand anlegen an das alltagstaugliche Muskelpaket? Das fragten sich die Gebrüder Ring vermutlich auch, als Don Atkinson die heiligen Hallen der Customizer betrat. Der Mann, natürlich aus Wisconsin, träumte schon immer von einem 69er Camaro. Den hatte er mittlerweile auch gefunden. Aber es sollte ein einzigartiger Camaro werden, ein one-of-the-kind, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Die Exzessivschrauber konnten dem Mann helfen und strippten den Endsechziger bis auf die letzte Schraube. Das Aufbauwerk kann sich sehen lassen.

Um es kurz zu machen: alles neu.
Der Motor: ein LS3 von Chevrolet, von Wegner Automotive mit einem Whipper Kompressor und Kolbenübermaß auf satte 1000 PS gepuscht. Die Kühlung: Prestone Kühler, Hochleistungsschmierstoffe von Royal Purple. Die Kraftübertragung: Tremec Sechsgang-Getriebe mit Centerforce Kupplung. Die Abgasanlage: ein von den Ring Brothers angefertigter Edelstahlauspuff mit Flowmaster-System. Die Federung: Detroit-Hydraulik mit Quadra-Link und AFCO-Stoßdämpfern. Die Verzögerung: 6-Kolben Baer Bremsen. Die Puschen: 19“ vorne, 20“ hinten im IROC-Z Camaro-Style der 80er-Jahre mit 275er/335er Michelins.

Innen gings natürlich ebenfalls zur Sache, wobei großer Wert auf den Original-Vintage-Look gelegt wurde. Individuelle Bezüge von Upholstery Unlimited und eine authentische Klimaanlage aus den 60ern sorgen für angemessenen Komfort, ohne aufdringlich modern zu sein. Auch außen blieb nichts wie es war: Von den Stoßfängern über den „Blue Print“-Lack bis zu den „Peephole Slits“, den verdeckten Hauptscheinwerfern, die durch drei übereinanderliegende Rechteck-Fensterchen vage zu erkennen sind, ist der Ringbrothers Camaro Customizing pur. Deshalb heißt er auch nicht Camaro, sondern G-Code, was nicht zufällig an das innovative Concept-Car von Mercedes erinnert.

Für Jim und Mike Ring ist der G-Code ein weiterer Beweis ihrer Customizing-Kunst, für Don Atkinson die Erfüllung seiner Träume. Mal sehen, was auf der nächsten SEMA aus Wisconsin zu sehen sein wird. Die Brüder haben noch einiges im Köcher Fotos: Ringbrothers