S-Klub. L. A. – John´s Customizing Shop


S-Klub L.A.: John´s Customizing Shop

John´s Laden rockt. Wenn es einen Superlativ für absolut abgefahren gäbe – hier wäre er angebracht

 

Wer durch das Tor in die außen unscheinbare Halle kommt, erlebt eine Art Stromschlag. Im Mittelding aus Wohnzimmer und Showroom stehen deutsche Klassiker im besser-als-neu-Zustand. Ein Käfer, ein Speedster, ein cleanes Bike und als Krönung ein Gullwing. Alle tiefer, breiter, irgendwie anders als die Originale. Auch der tätowierte  Kerl in der gemütlichen Ecke sieht nicht unbedingt so aus, wie man es im Hochpreisumfeld erwartet. Obwohl: In der Stadt der Engel gibt es keine Festlegung, Schranken im Kopf sind hier fehl am Platz, in L.A. regieren Freigeist und Kreativität.

Wie bei John, dem Herrn in Schwarz auf dem roten Sofa. John ist der Chef des unglaublichen Ladens, zusammen mit seinem Bruder und einem Freund entwirft, baut und finisht er astreine Customizer, macht damit solvente Kunden glücklich und kann ganz gut  davon leben.

Als er mit elf Jahren samt Familie aus Moskau in die Staaten übersiedelte, hatte ihn der Autovirus bereits in den Fängen. Mit 12 baute er sein erstes Bike gründlich um, mit 17 war Autopremiere. Der Job in einem Ersatzteilhandel war naheliegend, aber nicht besonders befriedigend, ein kurzes Intermezzo mit einem AMG-Shop schon adäquater, wirtschaftlich aber leider eine Katastrophe. So what. John entschloss sich, zu tun, was er schon immer getan hatte, nun aber richtig: Autos nach seinem Geschmack in seinem eigenen Shop umbauen. Customizing at its best, könnte man sagen, denn der akribische Visionär überlässt nichts dem Zufall. Noch heute pflastert er jede freie Stelle in der Werkstatt mit seinen detailgenauen Entwürfen, alles wird bis ins Kleinste durchdacht, durchkonstruiert und maßstabsgenau umgesetzt.

Mit Brot-und-Butter-Autos hält John sich nicht auf, er liebt Porsche und Mercedes, ok, auch den Käfer. Kalifornien liebt er auch, „es geht alles so glatt und easy hier“, was, bezogen auf seine atemberaubenden Kreationen im doppelten Sinne zutrifft. Zum einen funkt kein pingeliger TÜV dazwischen, zum anderen zieht John seine Arbeiten in atemberaubender Geschwindigkeit durch: Drei, vier, maximal sechs Monate braucht er vom Anlieferungszustand bis zum perfekten Customizer, man mag es glauben oder nicht. Den 1963er Porsche Speedster hat er zudem zeitgleich mit dem 1955er 300 SL gebaut – eine Wahnsinnsaktion, die, wie er zugibt, dann doch der reine Stress war. Grund: die SEMA, die Vegas-Car-Show, das Glitzerforum für alles, was rollt, rockt und in Rage versetzt.

Der graue 300 SL stahl vielen anderen die Show, so clean, cool und im bösen Gangsta-Style zeigt sich die geflügelte Ikone eher selten. John hat ganze Arbeit geleistet. Der Wagen, früher im Besitz eines mittlerweile 82-jährigen deutschen Kriegsveteranen, hatte eine gute Substanz, der Vorbesitzer hatte sogar einen Karosserieklon anfertigen lassen, den er auf ein Corvette-Chassis setzen wollte.  Dazu kam es glücklicherweise nicht,  er trennte er sich von SL und Klon und John begann sein Werk. In Kürze: alles komplett gestrippt, die Flex angesetzt, Dach, Chassis und Motor tiefer gesetzt, das Ganze aufwändig lackiert, das Interieur mit blauem Leder bezogen, Kofferraum und passendes Gepäckset gleich mit. Bei Lack und Leder setzte der Einzelkämpfer auf die Unterstützung versierter Profis und mühte sich unterdessen mit dem Flügelwerk ab. „Nach gefühlt dreißigmal ein- und ausbauen haben sie endlich gepasst“, stöhnt er und lässt die Fahrertür zum Beweis mit einem satten Plopp herunterrauschen. Sitzt. Und wer den Türgriff sucht: Der versteckt sich in dem schmalen Querschlitz am unteren Ende. Ein paar feine Gimmicks machen den Customizer zum Gesamtkunstwerk: Das Gepäckset im Heckabteil ist nicht nur passgenau, lederbezogen und stylisch, sondern beinhaltet auch noch eine Handvoll Dollar im Koffer – ein Gag, der den Gangsta-Look perfekt macht.  Robuste Strapse halten Motorhaube und Kofferraumdeckel am Platz, natürlich ebenfalls in Blau, und der absolute Hammer ist das Minifenster im Seitenfenster des Fahrers – reicht gerade, um eine Knarre durchzuschieben. Oder einen Parkschein.

Noch steht der noble Graue als Aushängeschild für Johns S-Klub im Showroom, der hätte jedoch keine Probleme, ihn an den Meistbietenden zu veräußern. „Geschätzt wurde er auf mehr als 500.000 Dollar“, meint John, „wer ihn will, kann ihn haben.“ Na ja, am Willen wird es wohl nicht liegen …. John geht recht nüchtern mit seinen Babys um, er liefert professionelle Arbeit ab, hat viel Spaß dran, hängt aber nicht an den einzelnen Karren. Rund 40 Customizer werden es insgesamt gewesen sein, die er bisher nach eigenen Vorstellungen gebaut hat, bis zu einem gewissen Grad macht er auch, was der Kunde will. Für 375.000 Dollar baut jedem er einen neuen SL auf, ob der dann ähnlich gechoppt und getrimmt ist wie der Graue, ist Verhandlungssache. Um Aufträge braucht sich John keine Sorgen machen, er kann es sich leisten, seine eigenen Ideen zu verwirklichen und damit Leute glücklich zu machen. Den Käfer im Cali-Style hat er in drei Wochen gezaubert, für einen Speedster braucht er roundabout drei Monate.

Das nächste Projekt spukt ihm auch schon im Kopf herum: wieder ein  300 SL, weils so schön war. „Das wird aber ein Cabrio“, grinst John, „nochmal mach ich das Theater mit den Flügeltüren nicht mit.“ Wir erinnern uns: dreißigmal ein- und ausbauen …. In dieser Zeit macht John doch mindesten zwei andere Customizer fertig ….

Autor: Marion Kattler-Vetter / Fotograf: Nico Paflitschek