Tow Truck Driver – Zweite Wahl

Die Chefs von Oldschool Custom Works in Weinstadt: Christian Rühle (links) und Sönke Priebe

Die Chefs von Oldschool Custom Works in Weinstadt: Christian Rühle (links) und Sönke Priebe

Qualität hat ihren Preis. Das gilt auch für Muscle Car-Ersatzteile. Wahrscheinlich wäre ein Großteil der deutschen Muscle Car-Enthusiasten sogar bereit, den Preis für Qualität auch zu bezahlen – wie aber unterscheidet man Qualität von Schund? Eine Teilebegutachtung mit OSCW

Wer hin und wieder US-Car-Treffen aufsucht und unter die eine oder andere Motorhaube schaut, dem ist vielleicht schon einmal das Phänomen der bunten Zündkabel aufgefallen. Gar nicht selten sind die großvolumigen Achtzylinder mit Zündkabeln in allen Farben des Regenbogens geschmückt, obwohl diese werksseitig meist in unaufgeregtem Schwarz, technischem Grau oder höchstens tristem Braun ausgeführt waren. Der Grund dafür ist ganz einfach: Moderne Performance-Zündkabel-Hersteller gestalten ihre Hochleistungsprodukte gerne auffällig – schließlich möchte der Hobby-Tuner gerne zeigen, was er seinem Motor gönnt.. Oder?

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Motorstützlager von vier verschiedenen Herstellern – die Teilenummern-Formate lassen erkennen, dass alle hier den gleichen OEM-Hersteller nachbilden. Ganz rechts steht die Teilenummer 2292 einmal als Marken-, einmal als Whitebox-Ware

Wie wär‘s mit einem wesentlich unglamouröseren Grund? Zufälligerweise ist die billigste Serie der billigsten Zündkabel des billigsten amerikanischen Zubehör-Zündkabel-Herstellers quietschgelb mit leuchtend roten Steckern. Performance? Fehlanzeige. Die gelbe Farbe soll entweder über diesen Umstand hinwegtäuschen, oder – wenn man dem US-Hersteller ein gewisses Maß an Ironie zugestehen will – sie soll vor der Verwendung dieser Kabel warnen. So wie in der Pflanzenwelt Giftiges meist knallrot daherkommt (generelle Bedenken gegen den Verzehr der Tomate sind an dieser Stelle angebracht und erwünscht. Von allen bekannten Tomatenarten ist nur eine einzige essbar. Sagen sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt!).

Bevor man dem deutschen Muscle Car-Fahrer nun generelle Knauserigkeit unterstellt: Wie kommt es zur hohen Verbreitung besagter gelber Zündkabel? Die Antwort ist so einfach wie bedenklich: „Günstig“ ist nun einmal die Standard-Qualitätsstufe im Repertoire vieler deutscher US-Car-Teilehändler. Dabei kann man den gewerblichen Wiederverkäufern kaum einen Vorwurf machen – schließlich sind Teilepreise in Deutschland von Natur aus höher, da die Ware erst aus den Vereinigten Staaten importiert werden muß. Um trotzdem das gemeinhin als „verhältnismäßig günstig“ wahrgenommene Preisniveau für US-Ersatzteile zu halten und konkurrenzfähig zu bleiben, sind die Händler gezwungen, nicht nur günstig, sondern billig einzukaufen.
Tatsächlich sind Ersatzteile für US-Klassiker zwar wirklich verhältnismäßig günstig – zumindest gemessen am Preisniveau von deutschen Klassikern oder Neuwagen – allerdings darf man aus genereller Günstigkeit nicht umgekehrt den Schluss ziehen, dass auch das allergünstigste US-Teil noch mindestens von durchschnittlicher Qualität wäre.

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„STANDARD“ ist bei US-Ersatzteilen leider nur der Name eines Herstellers. Der alleine bietet drei verschiedene Qualitätsstufen an – in nicht immer einheitlichem Erscheinungsbild

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Bunte Mischung: Auf dem US-Teilemarkt tummeln sich unzählige größere und noch mehr kleinere Hersteller. Den Überblick zu bewahren ist nicht einfach

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Artenvielfalt auch bei sicherheitsrelevanten Bremsenteilen – und das sind nur eine Handvoll der größeren Zubehörhersteller

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Whitebox: Den Hersteller kann man höchstens erraten

 

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Zwei Namen, ein Konzern: Hinter ACDelco und Delphi steht General Motors

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Service Grade: klassische Kundendienst-Teile in werkstattgerechter Verpackung

Traditionell unterscheidet der amerikanische Teilemarkt zwischen den meist höherpreisigen „OEM“-Herstellern („Original Equipment Manufacturer“, zu deutsch „Erstausrüster“) und „Aftermarket“-Herstellern. OEM schließt in erster Linie nur Ersatzteile vom Fahrzeugehersteller selbst ein, allerdings verschwimmt diese Grenze dort, wo der Fahrzeughersteller selbst zugekauft hat. Beispielsweise hat Chevrolet in den Neunzigern Polizeifahrzeuge bereits auf dem Fließband mit Performance-Teilen von namhaften Aftermarket-Herstellern wie Bilstein, PBR oder Recaro ausgerüstet – und diese „Aftermarket“-Teile mit GM-Teilenummern zu OEM-Teilen geadelt. 
„Aftermarket“ bedeutet nicht nur „Zubehör“- oder teure Performance-Teile, die werksseitig nicht erhältlich waren, sondern auch solche, die von Nicht-OEM-Herstellern nach Originalmustern produziert und als direkter Ersatz für OEM-Teile – aber günstiger! – angeboten werden.

Soweit entspricht das US-Ersatzteilwesen dem für deutsche Autos – allerdings eröffnet sich dem US-Teilekäufer innerhalb der Kategorie „Aftermarket“ (dank größerem Markt und generell weniger Normen und Regularien für die Produktion von Teilen) oft für ein einziges Teil eine gigantische Auswahl an Herstellern und Qualitätsstufen, die mit deutscher Gründlichkeit und deutschem Ordnungssinn unvereinbar ist.

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Tradition und Moderne: Aftermarket-Spezialist STANDARD neben dem OEM-nahen Traditionshersteller Borg-Warner, der schon in der Muscle-Car-Ära Bauteile an die Autohersteller lieferte

Da jeder dieser Hersteller noch munter farbenfrohe Namen für unterschiedliche Serien des gleichen Bauteils erfindet, die höhere oder niedrigere Qualität markieren sollen („Eco“, „Service Grade“, „Professional“, „Red Label“, „T-Series“), ist die Verwirrung komplett. Für den technischen Laien bleibt als einziger Orientierungspunkt der Preis des Bauteils. Und hier schließt sich der Kreis zum billigen gelben Zündkabel, denn die deutschen Wiederverkäufer der US-Ware bedienen einen im Vergleich zum US-Mutterland verschwindend kleinen Markt. Fünf verschiedene Qualitätsstufen des gleichen Bauteils im Sortiment zu führen, ist für den deutschen Großhändler weder sinnvoll noch wirtschaftlich. So konzentriert sich mancher deutsche Händler entweder auf teure, namhafte Zubehör-Performance-Teile, die vom Kunden namentlich verlangt werden, oder günstige Aftermarket-Direktersatzteile. Wer bei der Teilebestellung keine Qualitätswünsche äußert, bekommt das Standardprogramm – was aus oben beschriebenen Gründen zur epedemischen Verbreitung gelber Zündkabel in manchen Teilen der Szene führt, die gerne als „Performance“-Teil wahrgenommen werden, obwohl die Farbgebung eigentlich nur die der Billigserie des Herstellers ist. Das geht übrigens auch umgekehrt: Ein großer US-Aftermarkethersteller färbt unschuldige Zündungskomponenten Himmelblau, um die Höherwertigkeit dieser speziellen Serie hervorzuheben.

Relevant wird die Unterscheidbarkeit der Qualitätsstufen allerdings erst durch den bereits oben erwähnten Umstand, das ein erheblicher Teil der Billig- und Günstig-Serien (und leider auch hin und wieder der Standard-Serien) der Aftermarket-Anbieter sich qualitativ auf einem Niveau bewegt, das allerhöchstens für einen Absatzmarkt ausreicht, auf dem immer noch weitgehend eine Höchstgeschwindigkeit von 55mph gilt.

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Marktführer: Fahrwerksgigant MOOG neben weniger weit verbreiteten Mitbewerbern. Der blau-gelbe Hersteller verdankt die Vorherrschaft der hohen Qualität seiner Produkte, hat allerdings auch eine „Billigserie“ im Programm

Nicht falsch verstehen – auch die günstigsten Ersatzteile erfüllen fast immer den Grundanspruch, dass das Fahrzeug sich mit ihnen zumindest aus eigener Kraft bewegt. Und für eine Vielzahl der US-Klassiker in Deutschland, die weder oft, noch weit, noch schnell gefahren werden, mag das durchaus ausreichen. Wer aber sein Fahrzeug gerne auf vernünftigem technischen Niveau hält oder sogar regelmäßigem Autobahn- oder Daily-Driver-Gebrauch aussetzt, sollte zumindest bei gängigen Ersatzteilen für Fahrwerk, Lenkung und Bremsen Wert auf Haltbarkeit und Funktionalität legen. Womit wir bei der eingangs gestellten Frage – „Wie unterscheidet man Qualität von Schund?“ angekommen wären.

Die Antwort ist bestenfalls ernüchternd: Meistens durch ausprobieren und die draus gewonnenen Erfahrungen. Die Vielzahl der verfügbaren Teilehersteller und -qualitäten lässt sich anderweitig bestenfalls faustregelartig eingrenzen.

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Bremsbelag-Multikulti: Vorsichtigen Zeitgenossen kann angesichts der wilden Auswahl nur zum OEM-Produkt geraten werden. Gerade bei Bremsenteilen fällt der Unterschied zwischen amerikanischen 55 mph und der deutschen Autobahn erheblich ins Gewicht

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Alte Bekannte: Hinter Sealed Power steht Federal-Mogul, zu denen auch MOOG gehört

• Ein erstaunlich günstiges Teil ist fast nie ein brauchbares Teil. Im Zweifelsfalle das Internet bemühen, und den US-Verkaufspreis als unverfälschte Referenz heranziehen. Schon der gesunde Menschenverstand sollte einem den Erwerb von Stoßdämpfern verbieten, die auf dem US-Markt 5,38 Dollar kosten.

• Der Kombination aus „billig“ und „bunt“ sollte immer mit Mißtrauen begegnet werden. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Verschiedene US-Billiganbieter vertreiben rote und blaue Stoßdämpfer für sehr kleines Geld – sowas sollte man auf keinen Fall mit teuren High-End Produkten verwechseln, bei denen Farbgebung Teil des Markenauftrittes ist (etwa den legendären „roten Konis“, oder den traditionell blau-gelben Dämpfern des Hightech-Herstellers Bilstein).

• Zu wenig Farbe ist auch nicht gut: Vorsicht ist geboten, wenn Teile in komplett weissen Kartons vertrieben werden. Der weiße Karton ohne Hersteller-Logo ist das traditionelle Erkennungsmerkmal sogenannter „Whitebox“ oder „Brand X“-Ware: B-Qualität, die der Hersteller nicht mit seinem Namen assoziiert sehen wollte.

• Genau hinschauen bei Produkten, die zur Marke noch einen „Nachnamen“ haben. Zusätze wie „Classic“ oder „Eco“ oder „Grade“ bzw. „Series“-Bezeichnungen stehen insbesondere bei den größeren Hersellern oft für höhere Qualität – oder eben auch für „Discount“-Serien.

• A brand you can trust: Grob gesagt bieten „Originalteile“ der OEM-Hersteller meist die höchste Qualität – aber bei weitem nicht alle Teile sind noch von den OEM erhältlich. Besonders bei den „Youngtimern“ kann sich das OEM-Teil zudem als vom Originalhersteller zugekauftes und umgelabeltes Aftermarket-Teil von durchschnittlicher Qualität entpuppen.

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Mit der Ölfilterwahl verhält es sich oft ähnlich wie mit der Wahl des Öls: ein Teil Wissenschaft, ein Teil Hörensagen, ein Teil Religion. Wer sich aber die Mühe macht, die Anzahl der existierenden Ölfiltermarken durch die Anzahl der weltweit verbliebenen Hersteller zu teilen, dürfte eine Offenbarung erleben

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Das GM-Logo auf den Kartons verrät es: OER ist ein von GM lizensierter Hersteller, der teilweise nach Originalmustern fertigen kann. Dank restriktiver Lizenzpolitik der „Big Three“ ist die „Licensed Product“-Auszeichnung tatsächlich ernst zu nehmen

Übrigens: Viele Teile für klassische US-Automobile sind nicht als Neuteile, sondern nur als „Remanufactured“ erhältlich, also als überholtes und instandgesetztes Altteil. Dies gilt insbesondere für komplexere Aggregate wie Lichtmaschinen, Anlasser oder Lenkgetriebe. Das Unbehagen, mit dem solchen Teilen in Deutschland oft begegnet wird, ist nicht generell gerechtfertigt. Für Reman-Teile gilt das Gleiche wie für Neuteile: Es gibt schlechte und gute.

Wer angesichts dieser vagen Informationen dem nächsten Teilekauf mit gemischten Gefühlen entgegegen sieht, kann sich recht einfach behelfen: Alle größeren deutschen Teilehändler und US-Car-Werkstätten sind sich der Problematik voll bewußt und werden im Zweifelsfall Auskunft über die Qualität eines Teiles geben – oder ein Teil der nächsthöheren Qualitätsstufe beschaffen. Solange aber die Nachfrage nach Qualität auch bei höherem Preis nicht existiert, wird „billig“ die meistverbreitete Qualitätsstufe im deutschen Ersatzteilhandel bleiben müssen. Daran kann nur der Endkunde etwas ändern.

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Saubere Sache: Es gibt wesentlich mehr Filter-Marken auf dem Markt, als es Filter-Hersteller gibt

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Sichtbarer Unterschied: Nicht nur optisch ansprechender Stoßdämpfer vom Fahrwerksspezialisten KYB, mittleres Preissegment, neben bunt verpackter generischer Ware – einen Schritt über Whitebox

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Sie möchten nicht wirklich wissen, wo dieses Bauteil eigentlich herkommt – aber es findet seine Verwendung zumeist unter Mopar-Bigblocks. Die unauffällige Verpackung wahrt in diesem Fall die Gesichter aller Beteiligten

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Don‘t arrive unnoticed: Auspuffteile werden hauptsächlich für das Performance-Segment des Marktes produziert – für Originalteile ist die Auswahl dramatisch kleiner

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Eine Frage der Ehre: Nicht jeder ist uneingeschränkter Anhänger von OEM-Teilen, Sönke Priebe allerdings schon. Kleines Service-Kit von ACDelco, immerhin doppelt so teuer wie Teile vom Aftermarket-Hersteller

 

Fotos: OSCW