
20 Jul Citroën SM vs. Maserati Merak – Ungleiche Brüder
Wer in den siebziger Jahren einen exklusiven Stil und Triebsätze mit Tridente auf dem Ventildeckel favorisiert, der hat die Qual der Wahl. Enge technische Verwandtschaftsverhältnisse führen dazu, dass sich die gleichen Motortypen in den divenhaften Fahrzeugen zweier vom Wesen eigentlich grundverschiedener Marken wiederfanden.
Markenverwandtschaften
Durch der zeitweiligen Zugehörigkeit der italienischen Edelschmiede Maserati zum Autobauer Citroën können die Franzosen motorisch aufrüsten. Dazu greifen sie auf eine Sechszylinderkonstruktion mit vier oben liegenden Nockenwellen für ihr mondänes Aushängeschild zurück. Das Kürzel „SM“ steht dabei konsequenterweise für „Serié Maserati“, Citroën versucht eine Art Technikbaukasten aus den besten Ideen und Komponenten beider Marken zu entwickeln. Fest steht: Der französische Oberklasse-Gleiter trägt nicht nur zeitlos schöne, bahnbrechende Pariser Hâute Couture aus der Feder von Robert Oron, sondern zündet bei seiner Präsentation ein kostspieliges Feuerwerk, das sogar gewiss nicht billige Modelle vom Schlage eines Mercedes SL oder Porsche 911 preislich nochmals toppt. Diese Darbietung italienischer Rasse kombiniert mit französischer Finesse bleibt bis heute eine leidenschaftliche Einzeltat – und genau das macht einen Citroën SM noch immer zu einem Fall für hingebungsvolle Enthusiasten.
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Merak junior
Nicht minder faszinierend und fordernd ist der von Giugiaro designte, radikal keilförmige Maserati Merak. Seine Idee ist allerdings eine komplett andere. Im Styling kommt er dem 70er-Jahre-Idealtypus der flach bauenden Modeneser Fahrmaschine sehr nahe, auch wenn es wesentlich stärker motorisierte anspruchsvolle Sportwagen aus dieser Epoche gibt. Als naher Konzernverwandter teilt sich der Italiener mit dem SM nicht nur Motor und Getriebe, sondern zeitweilig aus Kostengründen noch ein 1:1 übernommenes Armaturenbrett. Ebenfalls ein unerwartet französischer Moment: Die anfänglich verbaute Hochdruckbremsanlage mit innenliegenden Bremsscheiben und einer Zentralhydraulik, die heute noch für bemerkenswerte Verzögerungswerte des Mittelmotorsportlers taugt.
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Luxusliner
Doch so eindeutig die technischen Parallelen sind – das Gefühl, diese beiden exklusiven Fahrzeuge zu bewegen, bleibt zum Glück immer vollkommen individuell.
Eine bis ins Detail aerodynamische Linienführung und wegweisende Technologien markieren im 1970 präsentierten SM vorerst einen futuristischen Zenit. Die serienmäßige Hydropneumatik macht den bis 1975 gebauten Luxusliner zu einer fliegenden Sänfte mit ausgezeichneter Straßenlage und giftig ansprechenden Bremsen. Variable Bodenfreiheit, Maxi-Radstand und Kurvenlicht wirken zusätzlich nach. Besitzer Thomas Rölle kauft seinen SM vor etlichen Jahren als Sanierungsfall von der Familie eines Studienkollegen. Der originale Motor fehlt und bis endlich wieder alle Räder rollen, vergeht viel Zeit. Rölle trifft die richtige Entscheidung: Er zieht gewissenhaft eine konsequente Vollrestaurierung durch.
Der Lohn ist heute ein SM in voller Pracht, der dank zahlreicher technischer Verbesserungen im Detail das Prädikat „uneingeschränkt alltagstauglich“ verdient. Rölle kennt jetzt beinahe jede Schraube und weiß die Klasse seines gealterten Innovator 44 Jahre nach der Weltpremiere erst recht zu schätzen. Er nutzt seinen fitten Klassiker bei gutem Wetter als schnellen Gleiter für zügige Autobahnpassagen. Zwischen Berlin und Paris sind Tempo 130 bis 170 für ihn genau die richtige Geschwindigkeit. Dann hebt der V6-Motor nicht all zu sehr seine raue Stimme und der Verbrauch bleibt mit weniger als 15 Litern im verträglichen Rahmen. Obwohl theoretisch auch knapp 230 km/h drin wären.
Zackiges Sternenbild
Lutz Jürgens ist seit Jahren eingefleischter Dreizack-Fan. Nach einer Liaison mit dem seltenen 228-Biturbo-Modell sollte es für den Niedersachsen das Modell aus dem Sternbild des großen Bären sein. Der in Monocoquebauweise gefertigte rote Merak stand lange Jahre in einer behüteten Sammlung und trotzte so recht erfolgreich dem Zahn der Zeit. Optisch eng an den ebenso schnellen wie durstigen V8-Extremisten Bora angelehnt, verzichtet er auf das auffällig verglaste Heck und bietet dafür zwei praktische Notsitze. Durch das dezente Leistungs- und Hubraumplus hängt die kompakte Flunder im direkten Vergleich mit dem mondänen SM spürbar besser am Gas und tönt durch kürzere Abgaswege weitaus kräftiger in die Welt hinaus. Klappscheinwerfer und frei stehende Heckbügel passen voll zum Zeitgeist des Jahres 1973 – ein Jahr vor der ersten großen Ölkrise.
Die trocken abgestimmte Stahlfederung und ein sport-wagentypisches Raumangebot fordern Nehmerqualitäten, doch dafür belohnt das charismatische Fahrerauto seine Insassen mit sehr guter Gewichtsverteilung und einer großartigen Atmosphäre: Dort, wo die Ikone SM zu allererst die Würde des distinguierten Topmodells bewahren muss, darf der Merak den ehrlichen, drahtigen Bora junior geben. Er ist zum Fahren und nicht zum gefahren werden gebaut, ihm liegt die Hatz auf kurvenreichen Strecken und er bleibt dabei immer erfreulich im Handling.
Fazit
”Am Ende ist es eine Frage des Stils und eine Frage des Geschmacks, ob nun französisch-elegantes Savoir Vivre oder italienisch-feurige Dolce Vita das Rennen macht. Über großes Potenzial Ihnen zu verfallen verfügen jedenfalls beide Auto-Diven.”
Die Citroën-Hydraulik macht‘s möglich: hier ist der SM geländetauglich hochgebockt
Fotos: Salonlöwen