VW T3 Caravelle GL syncro Oettinger 1992

Fragt man die Fans der letzten Bulli-Generation mit Heckmotor nach der ultimativen Version des Volkswagen T3, dann antworten nicht wenige mit „Syncro“. Kein Wunder, denn der eckige Kleinbus ist als Allradvariante der wohl vielseitigste Youngtimer seiner Epoche. Mit welchem Fahrzeug lassen sich sonst noch problemlos Geschäftsreisen, Campingurlaube, Umzüge und Großfamilien unter einen Hut bringen, oder notfalls ohne technische Modifikationen spontan erdumspannende Expeditionen bestreiten?

Von Mayer zu Steyr

Der Weg bis zum ersten Syncro Bulli in Serie ist steinig. Im bodenständigen Wolfsburg der Siebziger freut man sich über die Erfolge der neuen PKW-Modellreihen Golf und Passat, glaubt aber gleichzeitig noch nicht an eine große Zukunft hauseigener Allrad-Allrounder für die zivile Nutzung. Der Courage von VW-Entwicklungsvorstand Ernst Fiala und dem Pioniergeist von Nutzfahrzeugentwickler Gustav Mayer ist es zu verdanken, dass die Syncro-Idee trotz des Widerstands des damaligen Vertriebsvorstands Schmidt dennoch ins Rollen kommt. Während in fünf ungerüsteten T2b-Versuchsträgern der zusätzliche Antrieb der Vorderachse nur mit erheblichen technischen Kunststücken als Zuschaltlösung machbar ist und hohe Kosten verursacht, finden Kardan, Antriebswellen und Vorderachsdifferential unter der größeren Karosse der 1979 vorgestellten dritten Transporter-Generation T3 problemlos ihren Platz.

In Auftragsarbeit beginnt die Fertigung bei Steyr-Puch im österreichischen Graz Ende 1984 – und mit ihr eine grandiose Erfolgsgeschichte. Die Gründe liegen auf der Hand: das bis 1992 gebaute Allzweckmobil kombiniert die bewährten Talente eines Bullis mit den Geländeeigenschaften eines ausgewachsenen Geländewagens. Und selbst nach 30 Jahren fühlt sich das massiv konstruierte Kult-Gefährt robust wie ein Tresor an.

Das Beste von gestern

Als letzter seiner Art trägt der T3 Syncro bis Anfang der Neunziger verchromte Blechstoßstangen und zierlich anmutende 14“ Stahlräder mit 205er Breitreifen. Grimmige Halogen-Doppelscheinwerfer im Rechteckformat werden vom Caratmodell entliehen und gelten als der letzte Schrei, heute wirken sie weniger freundlich als die runden Kulleraugen der einfach ausgestatteten Modellgeschwister. Der Innenraum des Frontlenkers ist größer als so manche Studentenbude und trägt in der GL-Version das konservativ-bürgerliche Geschmacksempfinden der achtziger Jahre zur Schau. Dicker Plüsch im Fischgrätendesign auf Velourssitzen und Armlehnen für alle Passagiere sind genauso mit an Bord wie flauschige Teppiche, ein Stereo-Kassettenradio und eine werksseitig verbaute, sündhaft teure Deckenklimaanlage mit Düsen wie im Flugzeug. Skuril wirken aus heutiger Sicht hemdsärmlige Details wie aufgesetzte Nebelscheinwerfer, Ausstellfenster in den Vordertüren oder die riesigen Spritzschutzfänger. Die Sitzposition des Fahrers auf der Vorderachse und hinter einem flachen XXL-Steuer erinnert tatsächlich ein wenig an das Cockpit einen mittleren LKWs, der Super Plus-Bedarf an der Tankstelle mitunter leider auch.

Allrad mit Nachschlag

Permanenter Syncro-Allradantrieb mit Viscokupplung, eine bemerkenswerte Bodenfreiheit und zwei lieferbare Differentialsperren sorgen gemeinsam für den Durchbruch. Sie schaffen ungeahnte Freiheitsgrade fernab befestigter Routen. Berge mit Steigungen zwischen 54 und 70 Prozent gelten offiziell als bezwingbar. Die seltene, nur 2138 mal georderte 16 Zoll-Version legt gegen 8000 D-Mark Aufpreis auf die sehr guten Werte sogar noch ein paar Pünktchen drauf. Limitierender Faktor ist am Ehesten mangelnde Serienmotorleistung, denn passende großvolumige Triebwerke sind in Wolfsburg damals (noch) Mangelware. Von Audi entliehende Fünfzylinderversionen dürfen für Europa zu spät erst 1992 im Bulli starten und damit der bis 2003 in Südafrika gebauten Version vorbehalten bleiben.

Motorumbauten der hessischen Firma Oettinger aus Friedrichsdorf sind für anspruchsvolle Syncronauten daher hierzulande die einzig passende Lösung. Für rund 10.000 D-Mark steigert man das von Haus aus eher milde Temperament des niedersächsisch-österreichischen Nutzfahrzeugs beträchtlich. Mit dem Oettinger 2500E-Umbau blubbert ein durch klassisches Motortuning heißgemachtes 2,5 Liter-Boxertriebwerk lustvoll unter dem Kofferraumboden im Heck und schiebt die Fuhre aus dem Drehzahlkeller heraus standesgemäß an. Wenn Geld keine Rolle spielt bietet der Tuner damals parallel auch ein von VW für die Serie entwickeltes und dann wieder verworfenes WBX6-Aggregat an. Als sechszylindrige Version mit 3,2 oder 3,7 Hubraum geht der T3 allerdings auch preislich mit zeitgenössischen Porschemodellen auf Tuchfühlung.

Der kleine Oettinger ist so gesehen die vernünftigste Form der Unvernunft. Sein Plus an Hubraum kommt besonders dem Drehmoment zu Gute. In Verbindung mit dem für damalige Verhältnisse aufwendigen Fahrwerk mit Einzelradaufhängung und Schraubfedern rundum liegt der hochbeinige Bulli erstaunlich satt auf der Straße und lässt sich nur mit purer Gewalt auf losem Untergrund zum Übersteuern bewegen.

Nie billig, aber kultig

Bullifahren war noch nie billig, war aber immer ein Vergnügen: Mit ein paar Sonderausstattungswünschen sind schon in den nüchternen Achtzigern neu weit über 50.000 D-Mark für eine Caravelle GL Syncro anzulegen. Wohlgemerkt ohne Oettinger-Dreingaben. Exemplare, die bis heute nicht im harten Alltagsbetrieb verschlissen wurden oder den grausamen Rosttod gestorben sind, befinden sich dafür längst wieder im Aufwind. Eine zweite Karriere als behüteter Klassiker mit Wertzuwachs in Liebhaberhand ist ihnen sicher, denn wo sonst findet man einen geräumigen Alleskönner mit derart hohem Kultfaktor?

VW T3 Caravelle GL syncro Oettinger
Baujahr: 1992
Motor: Vierzylinder-Boxermotor
Hubraum: 2.474 cm3
Leistung: 84 kW (114 PS) bei 4.800/min
Max. Drehmoment: 200 Nm bei 3.400/min
Getriebe: Fünfganggetriebe
Antrieb: Allrad
Länge/Breite/Höhe: 4.600/1.845/1.990 mm
Gewicht: 1.675 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 15,5 Sek.
V-Max: 143 km/h
Neupreis (1992, ohne Extras): 48.832 D-Mark

Fotos: Salonlöwen

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