DeTomaso Pantera 1973 – Der Wildfang

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Er hält, was sein Name verspricht: Seine geschmeidige Karosse scheint sich zu ducken wie ein sprungbereiter 
Panther, um im nächsten Augenblick nach
vorne zu schnellen: Der deTomaso Pantera, eine 
hierzulande seltene Spezies der Gattung Sportwagen

Schon beim Befahren der Halle zieht er sofort alle Aufmerksamkeit auf sich. Der rote Lack mit der schwarzen Haube im GTS-Stil unterstreicht seine raubkatzenhaft-aggressive Erscheinung: Ein 1973er deTomaso Pantera L. Er ist eine gelungene Mischung aus italienischem Design und amerikanischer V8-Motorkraft.

Da drängt sich doch der Vergleich mit den unschlagbaren Spaghetti-Cowboys Terence Hill und Bud Spencer auf: Einerseits die geschmeidige Eleganz und bestechende Optik von Terence Hill – der eigentlich Mario Girotti heißt und italienisch-deutsche Wurzeln hat. Und auf der anderen Seite der bullige amerikanische Kraftprotz Bud Spencer, der Inbegriff von Unbesiegbarkeit und Stärke. Der journalistischen Korrektheit halber sei angemerkt, dass der Wahl-Amerikaner Bud Spencer, geboren als Carlo Pedersoli, eigentlich auch aus Italien stammt.

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Für Sportwagen üppiger Zuschauerraum mit Breitleinwand

Der Vergleich hinkt trotzdem nicht, denn das italienisch-amerikanische Filmduo hatte ebenso einschlagenden Erfolg auf der Leinwand wie der 
deTomaso Pantera auf den Straßen von San Franzisko und dem restlichen nordamerikanischen Kontinent. Dass der sportlich-aggressive Flitzer zur Ikone der italo-amerikanischen Sportwagenkultur avancieren würde, ahnte allerdings noch niemand, als deTomaso 1970 den neuen Pantera auf der New Yorker Automobilausstellung präsentierte.
Nicht nur das Fahrzeug selbst vereint Kontinente und Kulturen, auch sein Erbauer, Alejandro de Tomaso, ist ein echter Cosmopolit. Der gebürtige Argentinier, Sohn eines argentinischen Landwirtschaftsministers und einer Großgrundbesitzerin, war 1955 aus politischen Gründen gezwungen, seine Heimat zu verlassen. Der leidenschaftliche Rennfahrer aus vermögendem Elternhaus siedelte sich im Land von 
Ferrari, Maserati & Co an und nannte sich fortan Alessandro.

Er startete eine eher durchwachsene Karriere im Rennsport, dem er bereits im heimischen Argentinien frönte, fuhr für Maserati und später OSCA. 1956 lernte er auf der Rennstrecke seine zukünftige Frau kennen, Elisabeth Haskell, eine ebenfalls gut betuchte amerikanische Rennfahrerin.1959 gründete Alessandro mit Isabelle, wie sich Elisabeth seit der Hochzeit nannte, seine eigene Automobilbau-Firma in Modena und widmete sich der Modifikation und Konstruktion von Sport- und Rennwagen.

Sein kleiner, aber feiner Betrieb etablierte sich rasch und verzeichnete bald die ersten Erfolge. Mit den Jahren erwarb der de Tomaso-Haskell-Clan die traditionsreichen Karosseriebetriebe Ghia (von Elisabeth’s Schwager käuflich erworben, der de Tomaso umgehend als Geschäftsführer einsetzt) und Vignale, es folgten namhafte Marken wie Moto Guzzi, Benelli, Innocenti und später sogar Topkonkurrent Maserati.
DeTomaso begann mit der Produktion von eigenen Fahrzeugen in exklusiven Kleinserien. Es entstanden die für die Marke charakteristischen Mittelmotor-Fahrzeuge mit klassischem amerikanischem V8-Motor in zeitgenössischer italienischer Designerrobe. In Zusammenarbeit mit Ford entstanden populäre Modelle wie der deTomaso Guará und der Vorgänger des Pantera, der Mangusta. Die kleine Sportwagenschmiede deTomaso traf mit ihren schnittigen Kraftpaketen nicht nur genau den Nerv der Zeit, sondern hebelte außerdem auch die traditionell etablierte Konkurrenz im Sportwagensegment aus, da weder Lamborghini noch 
Ferrari zu dieser Zeit ein großvolumiges Mittelmotor-Modell im Angebot hatten.

1970 gelang deTomaso mit dem Nachfolger des Mangusta, dem Pantera, der endgültige Durchbruch auf internationaler Ebene. Mit der aggressiv-kantigen Optik – keilförmigen Linie, markantem Heck und einer extrem tiefen Frontpartie – war die schneidige Wildkatze sofort in aller 
Hirne: ein Sportwagen auf 
Ferrari-Niveau, der allerdings nur die Hälfte kostete. Die markante Coupé-Karosserie stammt zwar aus der Feder von Ghia’s amerikanischem Designer Tom Tjaarda, der zuvor für Pininfarina gearbeitet hatte, wurde aber bei Vignale gefertigt. Darunter trägt der Pantera ein steifes, selbsttragendes Monocoque-Korsett von Giampaolo Dallara.

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Liefert den heiseren Soundtrack zum Roadmovie Luft nach oben. Die Nadel 
stoppt bei 280 k/mh

Den „Kühlergrill“ ziert das 
deTomaso-Emblem, ein stilisiertes „T“ und traditionelles Familiensymbol: Es ist das Branding, mit dem die de Tomasos ihre Rinder auf der Farm im heimischen Argentinien kennzeichneten. Im Gegensatz zu den italienisch-eleganten Rundungen, die seinerzeit den Stil von Pininfarina geprägt hatten, entbehrt der Pantera jeglicher Sanftheit. Seine 
äußere Erscheinung ist beinahe brutal – ein Gesicht, das man so schnell nicht vergisst. Mit seinem Schultermaß von lediglich 1,10 Metern geht er gestandenen Männern zwar gerade mal bis zur Hüfte, unterschätzen sollte man ihn trotzdem nicht. Im Inneren ist der Pantera ungewohnt großzügig bemessen – vermutlich im Hinblick auf die amerikanische Zielgruppe. Wobei großzügig hier nicht missverstanden werden darf im Sinn von Beinfreiheit und dergleichen Annehmlichkeiten. Unter der vorderen Haube ist lediglich Platz für ein Reserverad und direkt hinter den beiden Schalensitzen macht sich der V8 breit.

Die große Heckklappe ermöglicht einen problemlosen Zugang, der „Kofferraum“ darunter bietet allerdings nicht viele Staumöglichkeiten. Wer mit dem Pantera einen Wochenendtrip an die Côte d’Azur plant, sollte sparsam packen.

Das Einsteigen erfordert ein gewisses Maß an Geschicklichkeit. Aber selbst, wenn man sitzt, kommt das Gefühl auf, es stimme etwas nicht. Nicht nur, dass der Pilot deutlich zur Mitte hin verschoben hockt, die gesamte Sitzposition ist sehr gewöhnungsbedürftig. Zudem fühlt sich der Allerwerteste dem Asphalt spürbar näher als einem instinktiv lieb ist. Die riesigen Radkästen dehnen sich weit in den Fußraum aus, was die Bedienung der eng beieinander liegenden Pedale nicht vereinfacht. Ein schlanker Fuß nebst ebensolchem Schuhwerk sind ein absolutes Muss. Und wo soll der linke Fuß hin? Der flache Sportwagen ist generell nicht auf Menschen mit Gardemaß ausgerichtet. Im festen Vertrauen darauf, dass angesichts der erfahrungsgemäß hohen Elastizität der US-Hubraumriesen niemand allzu oft gezwungen sein wird, den Kupplungsfuß einzusetzen, deponiert man ihn mit angewinkeltem Bein einigermaßen bequem direkt am Rand des Radkastens.

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Die Schaltkulisse des Pantera ist artgemäß offen gehalten, poliertes Chrom unterstreicht den sportlichen Charakter des Interieurs. Das übersichtliche Armaturenbrett ist mit den 
üblichen Anzeigen bestückt, direkt vor einem befinden sich Tacho und Drehzahlmesser. Seitlich in der Mittelkonsole findet man die Kontolleinheiten für Öldruck, Tankinhalt, Ladezustand der Batterie und Wassertemperatur. Letztere gilt es speziell bei gemäßigtem Tempo im Auge zu halten.

Der Pantera ist definitiv kein Cruiser, Stop-and-Go von Ampel zu Ampel nimmt ihm die Luft zum Atmen und lässt sein hitziges Temperament im Nu überkochen. Dessen war man sich bei deTomaso zweifellos bewusst: Ein optional zuschaltbares Gebläse sichert die Motorleistung des Ford-V8 auch bei hohen Kilometerleistungen und im Rennbetrieb. Das Kühlsystem fasst zwar gute zwanzig Liter, das Öl ist mit den üblichen 5,5 Litern jedoch knapp bemessen.

Abgesehen davon ist der 351er-Cleveland-Motor erwartungsgemäß unkompliziert. Ein echter Ami-Achtzylinder eben – bis auf den Klang. Denn wenn der Pantera zum Leben erwacht, klingt er genau so wie er aussieht: kompromisslos und ungezähmt. Kein lässiges Blubbern, wie man es von den dicken US-Schlitten sonst gewohnt ist, sondern ein tiefes, böses Grollen, das die zwei mächtigen Endrohre der Auspuffanlage gefährlich dröhnend in die Luft donnern.

Sobald der Sitz vor dem mächtigen Achtzylinder zu vibrieren beginnt, wird die Nähe des Gesäßes zum Asphalt schnell zur Nebensache. Der Pantera ist laut, außen wie innen, gepflegte Konversation kann man getrost von der Liste streichen. Macht nichts – der Pantera erfordert volle Konzentration. Um die Kupplung zu treten sind die Wadenmuskeln eines Radrennprofis von Vorteil.

Aber jetzt: Schalthebel nach hinten links, Gang rein und Kupplung kommen lassen. Gott sei Dank erlaubt der 5,8-Liter-V8 mit seinen 300 PS mit einem Drehmoment von 481 Nm eine gewisse Nachlässigkeit beim Schalten, so lässt sich beispielsweise der vierte Gang von 25 bis knapp über 200 km/h strecken – wow. Die Leistung kommt völlig unangestrengt aus dem großvolumigen Hubraum, hier geht Masse ausnahmsweise mal vor Klasse.

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Offene Ansaugtrichter für die Bestie

Die Beschleunigung fühlt sich genauso phänomenal an wie die Zahlen es vermitteln. Aus dem Stand auf 100 km/h schnellt der Pantera in 6,6 Sekunden – eine imposante Leistung, die so manchen Maserati oder Lamborghini seinerzeit Respekt gelehrt haben dürfte. Es kribbelt angenehm im Bauch und drückt einen in den Sitz. Die Tacho-Skala in den „legalen“ Bereichen ist nur schwer abzulesen, erst zwischen 180 und 300 km/h lässt sie sich klar erkennen. Zufall oder Statement? Wir können Herrn de Tomaso leider nicht mehr fragen – er starb bereits 2003 in Modena. Die höheren Geschwindigkeitsbereiche sind jedenfalls unbestritten das Element des Italo-Amerikaners, der mangels Servo-Lenkung in der langsamen Gangart zudem ausgesprochen schwer zu manövrieren ist.

Dafür entschädigt er großzügig mit einer Höchstgeschwindigkeit von knapp 280 km/h. Der Pantera fegt im Tiefflug über den Asphalt und ist für einen Sportwagen seiner Zeit erstaunlich stabil im Geradeauslauf. Die gute Straßenlage verdankt der Pantera der aus dem Rennsport entlehnten Einzelradaufhängung. Obwohl mehr als die Hälfte seiner 1.420 Kilogramm Körpergewicht auf der Hinterachse liegen, ist er in schnellen Kurven nicht zu hecklastig. Im Gegenteil, er neigt überraschenderweise eher zum Untersteuern. Jeder Fahrer eines zeitgenössisch-klassischen Porsches dürfte hier vor Neid erblassen.

Der Spritverbrauch ist erwartungsgemäß ähnlich rasant, unter zwanzig Litern geht so gut wie nichts. Bei entsprechend hoher Durchschnittsgeschwindigkeit rauschen bis zu 30 Liter pro 100 Kilometer durch den Vergaser. Die Endlichkeit fossiler Brennstoffe war 1973 definitiv noch kein Thema – und echtes Fahrvergnügen ist ohnehin unbezahlbar.

Nach sagenhaften 26 Jahren Produktionslauf und zwei Serien hat der deTomaso Pantera sogar seine schärfsten Konkurrenten wie Ferrari 512 und Lamborghini Countach überlebt – nicht nur als Joker im Quartett-Spiel. Mehr als zwanzig Jahre lang blieb deTomaso seiner optischen Grundlinie treu. Zwar gab es im Lauf der Jahre einige kleinere Facelifts wie Kotflügelverbreiterungen, Spoiler und diverse andere Karosserieanbauten, doch erst im Jahr 1990 stellte der italienische Autobauer in Turin eine komplett überarbeitete, neue Version des Pantera vor.

Hierzulande ist die Wildkatze nach wie vor ein Geheimtipp, obwohl der Pantera deTomaso’s meistproduziertes Modell ist. Wie viele von den geschätzten 10.000 produzierten Pantera sich noch heute im weltweiten Asphalt-Dschungel tummeln, ist unbekannt. Sollte Ihnen hierzulande aber doch mal ein solch seltenes Exemplar begegnen, dann erkennen Sie es zweifelsohne an seiner markanten Gestalt und dem arttypisch sonoren Fauchen.

Oder daran, dass der Fahrer bei der Tankstelle einen Kreditantrag stellt…

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TECHNISCHE DATEN
deTomaso Pantera
Baujahr: 1973
Motor: V8
Hubraum: 5.796 cm³
Leistung: 220 kW (300 PS)
Max. Drehmoment: 481 Nm
Getriebe: 5-Gang von ZF
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4.255/1.803/1.100 mm
Gewicht: 1.420 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 6,6 s
Top-Speed: 280 km/h
Preis/Wert: zwischen 5.000 u. 50.000 €