The Show Must Go on: 1972er NASCAR Plymouth Road Runner von Nico Gasparatos

Wo Nico Gasparatos mit seinem NASCAR Plymouth Road Runner von 1972 auftaucht, ist Aufruhr: Auftreten und Sound des Boliden sind gewaltiger als die Explosion von Mount St. Helens. Trotzdem ist das seltene Stück zu verkaufen – was nicht heißt, dass der neue Besitzer nicht noch investieren muss, um daraus ein gutes seltenes Stück zu machen. Aber dann wird die Show perfekt sein

Nico Gasparatos schaut immer mal wieder in die Rennwagenrubriken bei mobile.de und ähnlichen Anbietern – sollte er Zeit haben. Und was leuchtete dem umtriebigen Car Guy aus Hamburg da vor Kurzem entgegen? Richtig, ein Plymouth Road Runner, Baujahr 1972. Ein Ex-Nascar mit 7,2-Liter-Chrysler-Bigblock, fahrbar. Ein Bayer hatte das seltene Stück 2017 aus den USA importiert, war vielleicht einmal damit bei einem Event gefahren und hatte dann die Lust daran verloren. Gasparatos: „Ich hatte eine Einladung zum Brösel-Rennen 2018 und dachte bei mir: Damit dort zu punkten, wäre keine schlechte Idee.“ Problem: Zwischen der Ankunft des Nascar-Boliden in Gasparatos‘  Hamburger Werkstatt und dem Brösel-Event lagen nur zwei Wochen.

Trotzdem kaufte er unbesehen den zweifellos echten Nascar-Veteranen, zumal sich der Preis im vermutlich kräftig angejahrten Rahmen hielt. Die Basis ist ja schon mal nicht von schlechten Eltern: Das Modell Road Runner erblickte 1968 das Licht der schon damals sehr eigenwilligen US-Welt und mauserte sich alsbald zum zugkräftigen Muscle Car. Auch der wohl bekannteste Pilot dieses Exemplars, der Racer Dave Marcis (aufgrund großer Hinweise auf dem Autodach leicht zu enttarnen), dürfte dem Eisenhaufen den nötigen Promifaktor verleihen. Der Mann raste bei den Daytona 500 jedes Jahr zwischen 1968 und 1999 mit, 2002 war sein letztes Mal – er hält den Rekord für die meisten Daytona-500-Starts aller Zeiten. Er gilt als einer der Top-Fahrer der 1970er-Jahre, die nicht von einem Werk unterstützt wurden. Allerdings dürfte er nur einer von vielen gewesen zu sein, die diesen wilden Vogel heruntergeritten haben.

Aufgrund der Zeitnot kümmerte sich Gasparatos erst mal um die allerwichtigsten Dinge, die da im Argen lagen: Die originalen Schutznetze an den Seiten flogen raus, die nicht vorhandenen Front- und Heckscheiben ersetzte er mit Plexiglaskonstruktionen. Die Vorderachse machte er gangbar, die Bremse sicher. Der alte Sechspunktgurt wurde gegen einen neuen ersetzt, ein Feuerlöscher angebracht und ein Notausschalter installiert. So meldete er sich für das Achtelmeilenrennen und präsentierte sich dem Publikum.

Die Zuschauer waren begeistert von dem stark patinierten 72er-Race-Boliden, der aus seinen Sidepipes klingt wie eine vibrierende E-Bass-Saite unter Starkstrom – aber beim Rennen wurde das Auto von jedem nur halbwegs getunten Käfer vernascht. Das lag hauptsächlich an einem alten Nullachtfuffzehnvergaser, den Gasparatos danach sofort durch ein Edelbrock-Teil ersetzte.

Überhaupt: Gasparatos wird den Verdacht nicht los, dass das Auto nach seiner Rennkarriere von den Kindern oder Neffen des Ur-Eigners seiner edlen Innereien beraubt wurde und ein Allerwelts-Antriebsstrang Einzug hielt. Zwar ist das jetzt ein Bigblock-V8 mit 7,2 Litern Hubraum, aber eben Serienware. Kaum mehr serienmäßig ist dagegen der Unterbau: Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass einst nicht nur Überflüssiges aus dem Road Runner geflogen ist, um ihn mächtig zu erleichtern, sondern auch zu viel Festes – zum Beispiel diverse Metallteile, die einst durchaus zur tragenden Struktur gehört haben könnten. Die Stabilität ist allerdings nicht gefährdet. Dafür sorgen schon alleine die fast überall mit Styropor umwickelten Käfigrohre, die dicker erscheinen als Schwarzeneggers Oberarme zu seinen besten Zeiten. Und dann gibts ja noch den Auspuff mit seinen Sidepipes – das Konstrukt mit dem Gusseisenflair ist unten herum aufwendig über Kreuz geschweißt, sodass man sich sogar draufstellen könnte.

Letztlich nennt Gasparatos den Nascar-Brecher ein „Projekt“. Das heißt: Es ist noch viel Arbeit zu tun, um aus dem Road-Runner-Renner einen guten Road-Runner-Renner zu machen. Dazu gehören auf alle Fälle Karosseriearbeiten, besonders am Unterboden, am Fahrwerk, hier besonders die Vorderachse, dazu an fast allen Kleinteilen. „Ich würde wahrscheinlich auch einen Viergang-Handschalter einbauen“, überlegt Gasparatos. Die Zukunft liegt allerdings nicht in seiner Hand – oder nur teilweise. Der Plymouth ist grundsätzlich schon mal für 14.700 Euro zu haben. Entweder kümmert sich der neue Besitzer dann selber um den Aus- und Weiterbau, oder Gasparatos übernimmt in seiner Werkstatt die Projektvervollständigung. „Ein ‚Worst-Case-Paket‘ wird den neuen Besitzer aber je nach Arbeitsumfang noch zwischen 10.000 und 15.000 Euro kosten“, rechnet er vor.

Und da ist nicht die Komplettierung zum straßenzugelassenen Muscle Car dabei. „Das würde sowieso nichts werden“, weiß der Hamburger. Beispiel: Als Dokument besitzt der Wagen nur eine Zollerklärung, es gibt keine Zulassungspapiere. Die aber umso unterhaltsamer ist: Einst waren die Chassisnummern ein Teil des Instrumententrägers. Für die Nascar-Rennen wurde allerdings üblicherweise das gesamte Armaturenbrett gegen ein grob geschnitztes Heim-Teil mit Drehzahlmesser und Infos über Wassertemperatur, Bordspannung und Öldruck ausgetauscht­. Was taten also die in diesem Fall durchaus findigen Beamten? Sie gaben dem Wagen die Fahrzeugnummer 71, abgelesen an den originalen, aufgeklebten Startnummern links und rechts an den Türen. Hinzu kommt, dass der Wagen keine Beleuchtung besitzt, lauter ist als zehn Harleys und – ach, „too much to list“.

Und er ist noch schwerer zu entern als ein Smart Roadster. Zwar sind die Türen zu öffnen, aber durch das massive Rohrgeflecht gegen Folgen von seitlichen Einschlägen kann man auch gleich durch die Fenster klettern. Innen erwartet einen pures Blech, nur eine für heutige Verhältnisse lächerlich kleine Sitzschale deutet darauf hin, dass hier jemand Platz nehmen könnte. Das Serienlenkrad wirkt hier herrlich verloren, und der kleine, fast filigrane Plymouth-Zündschlüssel passt so gar nicht zu den Abmessungen des automobilen Wüstenvogels. Am Gaspedal hängt ein irrwitzig einfacher Bowdenzug, das Getriebegestänge scheint aus einem Kindermetallbaukasten zu stammen. Der einzige Schmuck ist der hier völlig deplatziert wirkende Messergriff am Getriebewählhebel.

Fährt der blattfedergebeutelte Amerikaner schon nicht gerne geradeaus, mag er Kurven erst recht nicht. Schon in deutschen Normkreisverkehren lässt das Differenzial den Riesen stuckern, und der ungestuckterte Wendekreis scheint größer als der des Krebses. Kurz: Alles sehr geil – wer damit aber dauerhaft Spaß haben will, braucht eine Schraube im Kopf.

Dann wird er die Kiste mit großer Freude als Promotion-Schaukel oder Showcar auf den Track-Days dieser Welt pilotieren oder Achtelmeilen-Schlachten bei Flugplatzrennen ausfechten. Sie wird es ihm ausschließlich danken durch ausgedehnte Pausen an Tankstellen. Denn „the show must go on …“

Technische Daten Plymouth Road Runner Nascar

Baujahr: 1972
Motor: V8
Hubraum: 7.200 ccm (440 cui)
Leistung: ca. 440 PS
Max. Drehmoment: ca 500 Nm
Getriebe: Dreigang-Automatik
Antrieb: Hinterräder
Gewicht: ca. 1.200 Kilo
0–100 km/h: k. A.
Top-Speed: k. A.
Preis 2019: 14.700 Euro

Wir danken den Betreibern des Flugplatzes „Hungriger Wolf“ bei Itzehoe für die Foto-Erlaubnis auf ihrem Gelände.

Text und Fotos: Roland Löwisch

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