Leserauto: 1970er Dodge Challenger Restomod von Peter Holmert

Dass Schweden mehr zu bieten hat als Elche, Knäckebrot und Bullerbü, ist schon klar. Was Peter Holmert aber mit seinem Challenger angestellt hat, erweitert die Liste der Sehenswürdigkeiten nochmals deutlich. Aus einem Scheunenfund zauberte er einen einzigartigen Restomod mit viel Technik unterm gecleanten Blech

Es gibt Autos, die sind untrennbar mit Blockbustern verbunden. Der DB4 mit 007, der GT Fastback mit Bullitt und der Challenger mit Vanishing Point, hierzulande Fluchtpunkt San Francisco. Ok, der weiße 70er Dodge, den Kowalski über 1.600 km von Denver nach San Francisco prügelt, ist ein 440 Magnum R/T. Die geballte Polizeimacht ist ihm auf den Fersten, obwohl er nichts Schlimmes verbrochen hat. Im Film lässt sich übrigens ein Fahrer eines Jaguar E-Types, ausgerüstet mit Überrollbügel und Helm, auf ein Straßenrennen mit dem Challenger ein und endet prompt im Flussbett. Barry Newman mimt den schweigsamen Helden und während gut der Hälfte des Films ist das Stampfen des V8 zu hören. Bis heute ein Genuss.

Der Challenger, Muscle und Pony zugleich, kam 1969 in verschiedenen Ausstattungen und mit verschiedenen Motoren zwischen 105 und 375 PS. Er ist eine Ikone und hat einen Stammplatz in den automobilen Träumen eines jeden US-Car-Fans. Als er kam, hinkte er dem Pony-Car-Boom bereits etwas hinterher. Ford hatte mit dem Mustang, Chevrolet mit dem Camaro bereits ordentlich vorgelegt, Chevy, Pontiac und Dodge bekriegten sich auf den Drag Strips und den öffentlichen Straßen der Suburbs. Plymouth und Dodge hatten den Pony-Markt unter Kontrolle, fast 80.000 Dodge und mehr als 50.000 Plymouth E-Bodies setzte Chrysler im ersten Modelljahr ab, beachtliche Quoten für den Nischenhersteller. 1971 zog sich GM vom Performance-Markt zurück, Ford hatte mit dem Torino Cobra noch ein letztes Pferd im Rennen, der Mustang war schon ain den Stall geschickt worden. Chryslers Straßenkämpfer waren unter sich und der US-Gesetzgeber strangulierte den Markt zudem mit harten Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften. 1974 zog Chrysler die Notbremse und stellte die Produktion des letzten Detroiter Straßenkriegers ein. Bye-bye, High Performance …

War der Challenger schon damals ein besonderer Typ, gilt das heute doppelt. Gewaltig, kraftvoll, verschwenderisch. Der Mittelfinger gegen Vernunft und Zeitgeist. Einer, der die  Instinkte befriedigt und die 70er wieder aufleben lässt. Ob es das aggressive Styling ist, die lange Schnauze mit dem kurzen Heck, der bollernde V8 oder die Faszination des Kinofilms: Für Peter war schon immer klar, dass er so einen Muscle wollte. Nun sind US-Cars in Schweden seit Jahrzehnten gewohnte Erscheinungen im Straßenbild, einen Challenger der ersten Serie gibts aber auch im Land der Elche nicht an jeder Straßenecke. Peter suchte. Und suchte. Was er fand, war entweder schrottig, teuer oder komplett verbastelt. Bis der Stockholmer mithilfe vieler Zufälle, Hinweise und mehr oder weniger ernstzunehmender  Geheimtipps einen echter Glückstreffer landete. Er entdeckte einen 70er Challenger im Originalzustand. Und zwar, wie in vielen mehr oder weniger wahren Geschichten gerne erzählt: in einer Scheune. Barn find, wie´s im Buche steht. Peter traute seinen Augen kaum: Ein total zugestaubter, aber komplett vollständiger 70er kam im diffusen Licht des geöffneten Scheunentors zum Vorschein. Unter der verdreckten Haube steckte ein 383-cui-Magnum und, kaum zu glauben, die ganze verblühte Pracht hatte Matching Numbers.

Und was macht der Kenner, wenn er ein Matching-Numbers-Klassiker findet? Genau, er rettet alles, was zu retten ist in die Jetzt-Zeit hinüber, vermeidet namenlose Ersatzteile und restauriert mit Bedacht im Sinne des ursprünglichen Auftritts. Nicht so Peter. Der hatte ein anderes Bild seines Dreamcars vor Augen, einen cleanen, glatten Restomod ohne alle überflüssigen Gimmicks wie Griffe, Stoßstangen oder gar Tankdeckel. Bevor Sie sich jetzt verzweifelt die Haare raufen: Schauen Sie doch mal, was Peter da in vielen schweißgebateten  Stunden auf die Räder gestellt hat.

“Als ich den Challenger fand, hatte ich die Wahl: Entweder in den Originalzustand restaurieren oder meinen eigenen Traum verwirklichen”, meint Peter fast entschuldigend, “ich hab mich für mein Traumauto entschieden.” Ungeachtet der Schmerzensschreie sämtlicher Freunde und Bekannten ging es ans Eingemachte. Peters Kumpel von Unique Custom Cycles baut Harley Chopper Customizer. Warum soll auf vier Rädern nicht gehen, was auf zweien funktioniert? Eben. Nach dem Motto “Alles muss raus” gings frisch ans Werk, was nicht unbedingt zum Fahren gebraucht wird, wurde eliminiert – innen wie außen. Die Radkästen wurden hinten breiter und vorne höher, um Platz für das Airride Luftfahrwerk zu schaffen, die unteren Seitenteile rückten nach außen, die Stoßfänger wurden gerundet, Griffe, Positionsleuchten und Tankdeckel entfernt und das Blech gecleant. Da die herkömmliche Technik mit der geschwollenen Hülle nicht mehr klarkam, wurde eigentlich alles customized: die Heckleuchten, die von der Corvette C6 entliehene, natürlich angepasste Aufhängung vorne, die 4-link-Federung hinten. Zugunsten einer laut Peter besseren Straßenlage wurde der 383-cui-V8 um 25 cm (!) nach hinten gerückt, die Gewichtsverteilung vorne/hinten beträgt nun geschmeidige  51/49%. “Perfekt!”, so der stolze Eigner, dem nun wirklich gar nichts heilig ist an seinem Blechle.

Wer sich mittlerweile fragt, was der kühne Nordmann tut, wenn er nicht schraubt: Er ist Projektleiter beim schwedischen Stützpunkt der Technologiebörse Nasdaq, hat also mehr mit Zahlen und Kurven zu tun, als mit handfester Technik. Customizing als Ausgleich zum nüchternen Job? Möglich wär´s. Passend zum Outfit des Challenger wurde auch der Innenraum Peter-like aufgemöbelt. Um es kurz zu machen: Alles customized! Alles. In diversen Grüntönen, vom Flaming River Lenkrad über Sitze vom BMW M3, Instrumente von Dakota digital bis zur doppelten Klimaanlage von Be Cool. Ein RFE-545-Automatikgetriebe, Edelstahlauspuff, 6-Kolben-Front- und 4-Kolben-Heckbremsen von der Corvette sowie 19”- bzw. 20”-Billet-Felgen mit 245/40-19 und 315/35-20 Pirelli-Schlappen machen das Bild rund und schön und halten den Restomod am Boden. Mit seinem Traum hat Peter inzwischen gut 20.000 km in Schweden, Norwegen und Finnland abgerissen. Übrigens nicht nur in eigener Sache: Peter und sein cleanes Schuckstück werden gesponsert von Sonax, was das top-gepflegte Äußere und die zahlreichen Messe-Auftritte erklärt. Und die Unterschriften auf der Mittelkonsole: Ken Block, Aaron Kaufmann und viele andere Helden der Szene finden Peters One-off genauso cool wie er.

Um noch mal auf Kowalski zurück zu kommen: Der Filmheld rast am Ende mit über 100 Meilen in zwei von den fiesen Cops aufgestellte Bulldozer. Hollywood-mäßig geht der R/T in Flammen auf – aus die Maus. Da hat Peters Challenger doch ein deutlich erfüllteres Leben, steht besser da denn je, glänzt mit seinem polierten Anstrich und lockt zu Ausfahrten in die Mitternachtssonne. Und bringt eine Menge des freiheitlichen Lebensgefühls zurück, für das Kowalski im Film sein Leben gab …

Technische Daten Dodge Challenger Restomod

Baujahr: 1970
Motor: V8 SRT Hemi
Hubraum: 383 cui/6.276 cm3
Leistung: 360 kW (490 PS)
Max. Drehm.: 664 Nm bei 5.000/min
Getriebe: RFE Aut. 
Antrieb: Hinterräder
L/B/H in mm: 4.859/1.998/1.290
Gewicht: 1.610 kg
Beschleunigung: 0-100 km/h in 4,7 s
Top-Speed: 250 km/h

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Mario Klemm

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