Der Volksrodder: Rockabilly, Muscles und Dragster im Hotrod Hangar

Knud Tiroch ist Tuner, Airbrush-Künstler und Muscle-Car-Fan. Wenn er nicht gerade Survivor in dreckigen Scheunen aufspürt, besprüht der Wiener V8-Monster, die Formel-1-Flotte der Scuderia Toro Rosso oder die Karren von ZZTop

Tiefe Schürze, bulliger Grill, knallige Farben, ein paar hundert PS: Hotrods und Muscle-Cars sind seine Passion. Für einen ehemaligen Waldorfschüler nicht unbedingt der vorgezeichnete Weg. Aber Knud hat immer schon sein eigenes Ding gemacht. Nach einer Lehre zum Möbelrestauror besuchte er die Kunstakademie Wien und stolperte über einen Airbrush-Artikel in einer Fachzeitschrift. Das Interesse an Luftpistolen war geweckt, Kofferpacken und die Reise nach Amerika folgten und in den Custompaint-Studios in Chicago studierte und verfeinerte Knud diese Technik ein Jahr lang. Das Ganze liegt gut 30 Jahre zurück, und seitdem hat ihn das Musclecar-Virus am Haken. Die Szene war allgegenwärtig, am Wochenende traf man sich im Drive-in, im Café oder auf einsamen Landstraßen zum Cruising. Knut war angefixt. Wieder zurück in Österreich, kaufte er sich einen 73er Plymouth Roadrunner GTX und tunte ihn optisch und technisch nach seinem Geschmack. Die Karre ist schon in den USA ein Exot, in Baden bei Wien ist sie definitiv eine Attraktion.

Das war der Anfang. Um seine Leidenschaft leben zu können, baute Knud im Industriegebiet von Baden bei Wien einen Hangar. Und noch einen. Und noch vier weitere. In einem wohnt er seit gut 30 Jahren, in den anderen sind Werkstatt, Lacktechnik, Tapeziererei – das ist österreichisch für Polsterei –, Social Corner – das ist nicht österreichisch und meint Aufenthaltsraum –, Seminarraum und der Showroom untergebracht. Ach ja, einen Yoga-Hangar gibt’s auch, mit Fitnessraum und Relax-Corner, wo sich die international eingeheimsten Trophäen türmen.

Im Showroom sind 30 Hotrods versammelt. 30!! Einer schöner als der andere, und keiner ist zu verkaufen. „Das sind alles seltene Modelle, die wir von Grund auf neu aufgebaut haben. Die sind zum Herzeigen, die behalte ich“, brummt Knud ein wenig verstimmt ob der Unterstellung, sich von den Schätzchen zu trennen. Natürlich baut er auch Hotrods für andere Maniacs, deren Wünsche er mit seiner Kreativität in der Regel weit übertrifft, aber das ist ein anderes Thema. Die Ikonen im Hotrod Hangar jedenfalls bleiben, sind zwar weltweit auf Shows, Messen und einschlägigen Treffen unterwegs, kehren aber alle in die Heimat zurück. Mit zahllosen Pokalen im Gepäck, wie in der Lümmelecke zu sehen.

Der Fuhrpark ist atemberaubend, jedes Fahrzeug ist ein Kunstwerk. Ein gechoppter 1930er Ford Sedan, ein Plymouth Roadrunner 400 Magnum, ein giftgrüner Dodge Charger: In Knuds Hangar ist die Leidenschaft für Lack und Leistung, für Kunst und Rods greifbar. Der Weg vom Schrott zum Rod ist lang, fünf bis sechs Monate, wenn das Auto in einem guten Zustand ist, sonst auch mal zwei Jahre. Um überhaupt an die alten Karren zu kommen, hat Knud ein feingesponnenes Netzwerk aus Freunden und Verwandten in den USA. „Die erzählen uns von einem Wagen, der irgendwo auf einer Farm verrottet. Wenn wir nach wochenlangen Recherchen den Besitzer auftreiben, den Zustand des Wagens kennen und einen Preis vereinbart haben, holen wir die Trophäe heim“, grinst Knud und bringt damit den zweiten Mann im Tiroch-Imperium ins Spiel: Sohn Dominic, 34, ein ebensolcher Petrolhead wie sein Vater, Kart-, Racing, Formel- und NASCAR Eurowheelen-Fahrer und genauso kreativ, versiert und begnadet wie sein Vater. „Dominic ist ein Natural Born Hotrodder“ bringt Knud die Expertise seines Filius auf den Punkt, „der ist in der Werkstatt aufgewachsen und saß nie im Kindersitz, sondern im Rod.“

Die beiden sind dauernd auf Achse und setzen einzigartige Projekte um. Feste Verträge mit dem Formel 1-Team Toro Rosso, bzw. der Scuderia AlphaTauri verlangen Präsenz und Ideen. Der flächendeckend über die ganze Karosserie gezeichnete Red-Bull-Stier beim Formel-1-Renner der Scuderia ist nur ein Beispiel für Knuds Handschrift. So richtig daheim ist Knut aber in seinem Hangarpark. „Im Reihenhaus könnt´ ich nicht leben“, meint er, „ich muss auch um Mitternacht oder fünf Uhr in der Früh malen können. Hier kann ich alles machen: wohnen, malen und an meinen Objekten arbeiten. Diese Atmosphäre brauche ich, sonst kann ich nicht kreativ sein.“ Zudem ist sein Arbeitsweg erfreulich kurz, ein Auto braucht Knud dafür nicht.

Ein Grund, weshalb er sich gerne mit den Umweltaposteln anlegt, die den Abgesang auf s Klima anstimmen, aber täglich Sprit verbrennen, um zu ihren langweiligen Bürojobs zu kommen. „Meine CO2-Bilanz ist defintiv besser als die von denen“, regt er sich auf und legt gleich nach, „außerdem kauf ich keine Neuwagen und erhalte altes Blech, da können die grad die Gosch´n halten.“ Und noch ein Nachschlag: „Am meisten gehen mir die auf den Sack, die einen nagelneuen Hemi fahren und sich alle zwei Minuten dafür entschuldigen! So ein Schmarr´n. Die haben nicht den Arsch in der Hose, zu ihrem Spaß zu stehen. Herrgottsakra: Fahrt doch eure Karren und vergesst Gretha und die ganzen Deppen, die freitags mit ihren  selbstgebastelten Tafeln herumschreien!“

So. Knud hat gesprochen. Aber wo er Recht hat, hat er Recht. Altblech erhalten, geile Technik optimieren und ganz nebenbei Kunstwerke erschaffen – das soll ihm erst mal einer nachmachen. Aufhören? „Niemals!“ Am besten beim Schrauben sterben, das wär`s. Wollen wir hoffen, dass Knud noch ein paar kreative Jahrzehnte vergönnt sind. Nicht auszudenken, wenn die Muscle-, Rodder- und Kunstszene ohne den Wiener Freigeist auskommen müsste …

https://hotrodhangar.com/

Text: Marion Kattler-Vetter, Fotos: Daniel Murgg

Diese Beiträge könnten Dir auch gefallen:

Facebook
Twitter
Pinterest
Tumblr