The poor man’s T-Bird: Auto Union 1000 Sp Coupé 1965

Mehr schein als sein: Der Auto Union 1000 Sp galt mit seinem american style seit seinem Debüt 1958 als „Thunderbird des armen Mannes“. Ingolf Mentz aus Quickborn kann mit 55 Zweitakt-PS allerdings bestens leben

Es ist nicht ganz offensichtlich, warum der Knirps auf dem alten Foto so gut gelaunt ist. Kann sein, dass der Grund seine Einschulung an diesem Tage, dem 2. April 1953, ist. Kann aber auch sein, dass er schon immer mal auf der Motorhaube eines DKW F8 Meisterklasse von 1939 sitzen wollte und er es an diesem Apriltag endlich tun durfte. Egal: Ingolf Mentz ist glücklich.

Heute ist der ehemalige Schuljunge über 70 Jahre alt, hat ein Berufsleben als Elektriker hinter sich und ist stolzer Besitzer eines DKW F89 P Meisterklasse von 1951 und seines absoluten Traumwagens, einem Auto Union 1000 Sp, Baujahr 1965. „Ich kann mich an den Tag der Einschulung sehr gut erinnern, und damals reifte in mir der Entschluss, irgendwann einen DKW zu besitzen,“ sagt Mentz, 2004 kaufte er dann zunächst den Nachkriegs-DKW, 2007 dann zusätzlich den Auto Union 1000 Sp. Das ist die Sportversion des Auto Union 1000, und das wiederum ist der Nachfolger des DKW 3=6. Und gleichzeitig der einzige Pkw von Auto Union, bei dem als Marke der Hersteller und nicht DKW verwendet wurde. Klaro?

Was verwirrend klingt, ist es auch. Und wer am Auto dann auch noch scheinbar bekannte vier Ringe sieht und die Geschichte dazu nicht kennt, dürfte vollends durch den Wind sein.  Vielleicht ist also eine kurze Historie der Marken mit den vier Ringen notwendig – nicht jeder weiß, was hinter dem heutigen Signet von Audi steckt: Jeder Ring steht für eine der (ehemaligen) sächsischen Fahrzeughersteller Audi, DKW, Horch und Wanderer, die im Krisenjahr 1932 zur „Auto Union“ zusammengefasst wurden. Während 1945 alle Werke in der DDR und der Sowjetzone enteignet wurden, entwickelte sich das in Ingolstadt etablierte Ersatzteil-Zentraldepot zur neuen „Auto Union“, diesmal als GmbH. Die treibenden Kräfte waren der ehemalige Generaldirektor Dr. Richard Bruhn und Dr. Carl Hahn, enger Mitarbeiter des DKW-Gründers J.S. Rasmussen. 1950 begannen sie, in einer ausgebombten Rüstungsfabrik nach Motorrädern und Transporter auch wieder Autos zu fertigen.

Das Coupé von Mentz gehört zum letzten Baujahr des 1000 Sp. Das Sp steht übrigens nicht für „Sport“, wie man meinen könnte, sondern für „Spezial“ – obwohl sich die Verantwortlichen damals eine Sport-Version des Auto Union 1000 gewünscht hatten. Für die sehr amerikanische Form mit Heckflossen und Rücklichtern in Düsenform ist der damalige DKW-Chefingenieur Josef Dienst zuständig  – der lebte vor diesem Job lange in den USA. Die Karosserie, die sich nahezu völlig vom Basis-Auto, dem Auto Union 1000 S, unterscheidet, baute Baur in Stuttgart. Zusammengefügt wurden die Autos allerdings in Ingolstadt. Auch wenn die Form beim Volk gut ankam – mit dem Kosenamen des „poor man’s T-Bird“, also dem „Ford Thunderbird für arme Leute“ (gemeint war der Thunderbird des Baujahres 1957), mussten die Besitzer leben.

Kein Wunder – ein echter Sportwagen war und ist der 1000 SP nicht. 55 PS (die Leistung des 50-PS-Motors des Auto Union 1000 S war für den Sp durch höhere Verdichtung um fünf PS gesteigert worden) für weniger als eine Tonne Gewicht sind zwar ordentlich, aber 23 Sekunden für den „Sprint“ von 0 auf 100 km/h und ein Top-Tempo von 140 km/h (zum Vergleich Mercedes 190 SL: 14,5 Sekunden und 171 km/h, kostete aber auch gut 4000 D-Mark mehr) deuten eher auf Gemächlichkeit hin.

Tatsächlich hat sich der Dreizylinder-Zweitakter nicht langfristig durchgesetzt. Das Prinzip: Der Motor verbrennt nicht nur Benzin, sondern erhält (im 1000 Sp) über eine Druckpumpe in den Zenith Fallstrom-Doppel-Vergaser Zweitakt-Öl, das auch noch die Kurbelwelle schmiert. Ein kleiner Öltank, der drei Liter fasst, ist dafür direkt am Motorblock angebracht. Auf 50 Liter Benzin (reicht für knapp 500 Kilometer) kommt ein Liter Öl.

Die Fahrt mit dem Mentz-1000 Sp ist bis auf den Motorlauf und die Reaktion der Passanten recht unspektakulär. Der Zweitakter springt sofort an, rüttelt aber vor sich hin, wie es heute kein Autobesitzer mehr akzeptieren würde. Allerdings verkneift er sich das so bekannte „Rrrrängdängggdänggg“, das überlässt er den Zweizylinder-Zweitaktern. Die vier über eine Lenkradschaltung einzulegenden Gänge  wollen getroffen werden, was gar nicht so einfach ist. Dabei ist kein Problem, dass der erste Gang nicht synchronisiert ist – man darf ihn eben nur im absoluten Stillstand des Autos einlegen.

Die Lenkung ist recht indirekt, und in Kurven neigt sich der Pseudosportler leicht zur Seite – erstaunlich, wie gut an der Vorderachse eine Querblattfeder mit Dreieckslenkern und Teleskopstoßdämpfern und hinten die „DKW-Schwebeachse“ (starre Achse mit hoch liegender Querblattfeder, und Teleskopstoßdämpfer) arbeitet. Dabei ist es gar nicht einfach, auf den glatten Kunstledersitzen Halt zu finden. Das Coupé gilt übrigens als Zweisitzer, auch wenn sich im Fond eine Sitzbank befindet. Dort kann sich aber mangels Fußraum kaum jemand aufhalten.

Sah es beim Kauf des 1000 Sp im Jahr 2007 so aus, als sei der Wagen nahezu perfekt, wurde Ingolf Mentz eines anderen belehrt, als ihm ein Freund fünf Jahre später riet, nach leichtem Rostbefund an den Schwellern den Boden mit Trockeneis zu bearbeiten. Unter der Konservierungsschicht traten völlig marode Schweller zutage, ebenso vom Rost angegriffen waren  A- und B-Säulen und die Radhäuser. „Es kam aber noch schlimmer: überall wurde Bauschaum und Silikon sichtbar,“ erinnert sich der Selfmademan, der bis aufs Schweißen fast alles mit eigener Kraft reparierte und restaurierte. Einziges Manko: Das Auto ist heute nicht ganz dicht – Mentz vermutet falsch verlegte Gummidichtungen an Front- und/oder Heckscheibe. Da will er noch Mal ran – damit sein Auto Union 1000 Sp perfekt ist.

Übrigens, um auch die Geschichte der Firma Auto Union zu Ende zu erzählen: 1958 kaufte die Daimler-Benz AG die Firma, war aber mit den Zweitakt-Motoren überhaupt nicht glücklich. Hoher Verbrauch, stotternder Motorlauf und die deutliche Abgasfahne passten nicht mehr in die neue Zeit. Anfang 1965 verkaufte Daimler die Auto Union an das Volkswagenwerk. VW stellte die Produktion des letzten DKW-Modells, den DKW F102, Anfang 1966 ein – inzwischen hatte sich die Marke Audi etabliert. Einzig der DKW Munga blieb im Programm, solange das Militär ihn wollte. Im Dezember 1968 wurde der letzte Munga produziert – und damit endete auch die fast 50jährige Geschichte des Zweitakters bei DKW und Auto Union.

Von 1949 bis 1968 baute DKW fast eine Million Autos mit Zweitaktmotor. Dabei sind rund 1640 Auto Union 1000 Sp Roadster und 5004 Coupés. Zu der schrägen Geschichte passt, dass der Roadster beim Neupreis um 200 Mark billiger war…

TECHNISCHE DATEN

Auto Union 1000 Sp Coupé

Baujahr: 1965
Motor: Reihendreizylinder (Zweitakter)
Hubraum: 981 ccm
Leistung: 40 kW (55 PS) bei 4.500/min
Max. Drehmoment: 88,3 Nm bei 3.500/min
Getriebe: Viergang-Handschalter
Antrieb: Vorderräder
Länge/Breite/Höhe: 4.170 / 1.680 / 1.325 mm
Gewicht: 960 Kilo
Sprint 0-100 km/h: 23 Sek.
Top-Speed: 140 km/h
Preis/Wert (Zustand 2): 11.950 D-Mark / ca. 24.000 Euro

Text und Fotos: Roland Löwisch

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