BMW 319 Special

„One off“ bezeichnet ein nur einmal gebautes und existierendes Modell. Der BMW 319 Special von Ulrich Weinberg ist so eines: Auf den Rahmen eines 1935 gebauten BMW 319 baute er sich sein Spaßauto im Stile eines DDR-Rennwagens und fuhr es 50.000 Kilometer.

Ein Henry Ford hat es getan. Ein W.O. Bentley auch, und erst recht ein Ferdinand Porsche: Einfach mal das Auto bauen, das man sich bauen will. Weil es das bislang nicht gibt, weil man was anderes haben will als andere und weil man eventuell ein Geschäft daraus machen will.

Ein Ulrich Weinberg hat es auch getan. Aber im Gegensatz zu Ford, Bentley und Porsche hatte ein Weinberg nie die Intention, ein Serienfahrzeug auf die Räder zu stellen und damit Geld zu verdienen. Nein, ein Weinberg wollte nur „sein“ Auto bauen. Für sich. Zum genießen. Etwas ganz Individuelles. Eines, das sonst niemand hat. Zum Beispiel einen BMW 319/328 Special.

Heißt ein Auto „Special“, ist es auch spezial – nämlich nicht von der Stange. Umgebaut. Personalisiert. Eigentlich ziemlich ausgedacht. Bis aufs Chassis. Das gibt den Namen, das bestimmt das Baujahr, das lässt schließlich den TÜV nicken, wenn alle anderen gesetzlichen Vorlagen erfüllt sind. Aber das muss man können.

Weinberg kann das. Der Restaurateur aus Zetel in Ostfriesland schraubt an Autos, solange er denken kann, und er hat gelernt, mit so gut wie allen Materialien umzugehen. 1996 kam er auf die Idee, mal nicht anderen die Autos zu reparieren, sondern etwas für sich zu tun: „Ich war oft bei der Mille Miglia und auf dem Nürburgring, und immer wieder habe ich dort die alten Rennwagen gesehen – meistens Eigenbauten auf alten Chassis. Da habe ich mir gesagt: Das sollte ich auch mal tun…“ Und nachdem er seine Frau und seine Kinder zur Mutter-Kind-Kur gebracht und einen ersten gezeichneten Entwurf an seine Frau gesendet und ihr okay eingeholt hatte, schritt er zur Tat.

Hilfreich war, dass er das „Rolling Chassis“ samt Fahrzeugbrief eines BMW 319 von 1935 auf Lager hatte, das 1940 auf BMW 328-Technik umgebaut worden war und eine Sonderkarosserie trug. „Selbst meine Recherchen konnten aber nicht ergeben, was für eine Karosserie das war,“ muss Weinberg zugeben. Also komplettierte er den alten BMW-Rahmen mit einem selbst entworfenen Gitterrohrrahmen. Vorne arbeiten seitdem Querblattfedern an einer BMW-319-Achse, hinten sorgen Längsblattfedern am Achskörper der BMW-Baureihe 502-507 für geringstmöglichen Fahrkomfort. Die Trommelbremsen stammen auch vom 319, der Bremskraftverstärker wiederum aus einem 507. Als Räder wählte Weinberg Borani-Speichenräder und bestückte sie jüngst mit Pirelli 4000 in der Größe 205/70 ZR 15.

Dann war der Motor dran: „Ich hatte noch einen getunten Kadett-B-Motor herumliegen – warum sollte ich also einen alten 60 oder 80 PS starken BMW-Motor restaurieren und bemühen, wenn ich doch einen 160-PS-GM-Motor samt Getriebe fertig hatte…“ Daraufhin realisierte er seine Karosserieidee und dengelte sie sich aus Aluminium – immer am Abend nach dem normalen Restaurations-Tagesgeschäft. Die Rücklichter lieh er sich vom Porsche 356. Die Armaturen sind zusammengesammelt, das (abnehmbare) Lenkrad ist von Helleboze, die Feststellbremse arbeitet hydraulisch. An die Spritzwand im Motorraum schraubte Weinberg einen Hammer zum eventuellen Lösen der Flügelschrauben an den Rädern und vor allem eine kleine Wehrmachts-Ledertasche für Ersatzzündkerzen mit Aufschrift („Russland, Nov. 1941, Jürgen“). Noch Fragen?

Ach ja, zum Beispiel die, wie man einsteigt, wenn doch gar keine Türen vorhanden sind. Ganz einfach, Klaus-Dieter Dost von Mirbach & Dost, wo das Auto für rund 130.000 Euro zum Verkauf stand, macht es vor: Auf den hinteren Kotflügel setzen, Bein nach innen schwingen, auf die höchst dünnen Sitzpolster, die nur aufs Alu gelegt sind, hinab gleiten lassen, fertig. Und dann lässt man sich grillen: Motor und Getriebe geben ihre Hitze nahezu ungefiltert in den Fußraum. Den fetten Stau übersteht das Auto dank Zusatzlüfter bestens. Wobei geht es dem Fahrer wesentlich besser geht als dem Beifahrer, denn als wir mit im Unikum saßen, war die Fußstütze so weit vorne installiert, dass kaum Platz für die Beine blieb.

Innen ist es sehr eng: Der Beifahrer hat den ungemütlichsten Platz

Trotzdem ist es ein Spaßmobil, in dem man einen herrlich dreckigen, rotzigen Sound genießen kann, aus dem man in ungläubige Augen am Straßenrand schauen kann, in dem man fast auf der Hinterachse sitzt und das nur 750 Kilo wiegende Gerät durch die Kurven wirft. Weinberg hat das Auto tatsächlich als Alltags-Vehikel benutzt und es mehr als 50.000 Kilometer gefahren, oft auch auf dem Nürburgring – mit immer wechselnden Motoren, weil er stets die Kraft nach oben schraubte. Beim Grenzlandring-Revival erlebte der „Special“ seine erste Rallye, gefolgt von diversen Eifel-Klassik-Touren, den Rennen um den Jan-Wellem-Pokal beim Oldtimer-Grand-Prix, diversen BMW-Treffen, als Gast auf den Balearen, beim Stadtpark-Festival in Hamburg.

Zurzeit sitzt ein 2.4-Liter-Chevrolet-Reihenvierzylinder hinter der Vorderachse, der mit zwei Weber-Doppelvergasern, 48 Drosselklappen, Fächerkrümmer, Edelstahlauspuff und 80-Liter-Edelstahl-Tank bestückt ist. Er leistet jetzt 180 bis 200 PS. „Den Motor habe ich allerdings nie ausgefahren,“ gibt Weinberg zu, „der müsste für mindestens 230 Stundenkilometer gut sein. Aber mit dem Fahrwerk von 1935 ist mir das ein bisschen zu viel Risiko.“

Es ist übrigens nicht Weinbergs einziges selbstgebautes und selbst entworfenes Auto – aber das einzige, das man kaufen kann. Über das andere und seine weiteren Arbeiten werden wir später berichten – denn uns hat der 319/328 Special so beeindruckt, dass wir kurz darauf nach Zetel fahren mussten…

Technische Daten BMW 319 Special

Baujahr: 1935/1997
Motor: Vierzylinder
Hubraum: 2400 ccm
Leistung: 180 bis 200 PS
Max. Drehmoment: k.A.
Getriebe: Fünfgang-Handschalter
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: k.A.
Gewicht: 750 Kilo
Sprint 0-100 km/h: k.A.
Top-Tempo: mind. 230 km/h
Preis: 130.000 Euro

Text: Roland Löwisch Fotos: Nico Meiringer

Völlig ausreichend für ordentlichen Vortrieb: GM-Vierzylinder mit 2,4 Litern Hubraum

Wie damals: Tankstutzen auf dem „Rücken“

Bei der Form hat kein Windkanal nachgeholfen – da war nichts außer Kreativität

Wie es euch gefällt: Altes und Modernes im Einklang

Gut für den Service: Die Technik steckt unter einer Leichtmetallhaube

Nach offensichtlichen BMW-Teilen muss man schon etwas suchen

Die „Polster“ liegen nur locker auf dem Alu – eben Leichtbau

Und wo ist jetzt der BMW 319? Zum Beispiel in der Querblattfeder

Der knapp 200 PS starke Motor ist eigentlich viel zu kräftig

Nette Optik: zwei Weber-Doppelvergaser

Egal wie – Hauptsache, es funktioniert

Die Heckleuchten kommen bekannt vor? Klar: Porsche 356

Fette Reifen und Kiemen an den Flanken: ready to race

Das Typenschild beweist: Weinberg ist Autohersteller

Einfach,aber genial: Haubenverschluss

Zur Dokumenation muss man sich auch mal krumm machen

Mit diesem Straßenpflaster könnte das Foto auch aus den 50ern stammen – wäre da nicht das Nummernschild