Jagdwagen von Franz-Josef Strauss: Mercedes-Benz 300 GD 1982

Der ehemalige Bayrische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß war kantiger Individualist und bekennender Mercedes Fahrer. Vor über 35 Jahren ließ er sich eine G-Klasse individualisieren, scheuchte den Klotz kritisch über den Gavia Pass und machte das Unikat zu seinem immergrünen „Jagdwagen“. Wir befreien den Geländewagen aus der wohl gehüteten Mercedes-Benz Sammlung und treiben ihn die Weinberge bei Stuttgart hoch. Es gibt nix bessas wia wos guads!

Des is a gmahde Wiesn!

Die G-Klasse ist eines der am längsten unverändert gebauten und bis heute stark polarisierenden Fahrzeuge der Nachkriegszeit. G wie Gelände stand im Auftragsbuch und kennzeichnete den robusten, kantigen Kasten, den Mercedes-Benz in Zusammenarbeit mit Steyr-Daimler-Puch 1979 vorstellte. Das a bisserl schwach motorisierte, aber dank Differentialsperren und Allradantrieb gnadenlos geländegängige raue Ding hat nichts mehr gemein mit den AMG Luxuskästen, die heute für einen sechsstelligen Betrag an gern orthopädisch hochsitzende solvente Zahler ausgeliefert werden. Damals waren die Kunden eher praxisorientiert. Landwirte zogen mit dem Kahn aus Österreich ihre Anhänger, Förster ließen ihn (im klassischen „Förstergrün“) über Stock und Stein kraxln. Die Bundeswehr verfügte über mehrere Versionen des „Wolf“, die Polizei ließ sich Modelle mit kurzem Radstand, schusssicheren Reifen und einem 360° Drehturm für Geschütze anfertigen. Behörden und andere Personen von Format entdeckten die G-Klasse nach und nach für sich. Eine der ersten Sonderanfertigungen war 1980 das „Papa Mobil“ für Papst Johannes-Paul II mit mageren 90PS, aber schusssicherem Glas und einem weißen Plüschsessel. Das ist heute noch im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart zu bewundern.

I bin doch ned auf da Brennsuppn daher gschwomma!

Franz-Josef Strauß war ein solcher Mann von Format. Erst gehörte er der Bundesregierung an und war Bundesminister für besondere Aufgaben, dann Bundesminister für Atomfragen, Verteidigungsminister und Finanzminister. Das CSU Urgestein wurde 1978 Bayerischer Ministerpräsident. Als solcher klopfte er bei Mercedes-Benz an und orderte sich anno 1982 eben diesen grünen 300 GD der Baureihe W 460, den er sich noch ein bisschen anpassen ließ. Ein Ministerpräsident ist schließlich clever. Sportliche Ledersitze mit gutem Seitenhalt waren obligatorisch, eine verchromte Leselampe am Schwanenhals für den Beifahrersitz erleuchtete in Zeiten vor Navigationssystemen auf Wunsch das Kartenmaterial. Ein Hardtop half gegen den unerwarteten Wintereinbruch in den Bergen. Dank des Baukastensystems standen der G-Klasse die aus dem W 123 bekannten Motoren zur Verfügung, die 2,4 Liter und 3,0 Liter Diesel, der 2,3 Liter Vergaser und der 2,8 Liter Einspritzer. Strauß wollte den 3,0 Liter Diesel, aber der Fünfzylinder sollte Turboaufladung haben.

Scheiß da nix, dann feid da nix!

Mit zwei Reportern auf dem Rücksitz machte sich der gewichtige Politiker mit seinem nagelneuen Auto auf ins Gelände und berichtete kurbelnd und schaltend von einer kürzlich absolvierten Tour über den Gaviapass in den Italienischen Alpen. Die über 2500 Meter hohen Schotterstraßen haben ihm nichts ausgemacht. Dank der Spurtreue, der exakten Servolenkung und des leicht zu bedienenden Fünfganggetriebes habe er niemals auch nur feuchte Finger bekommen. Ernsthaftes Missfallen äußerte er genaugenommen nicht. Das größte Manko in seinen Augen war die Tatsache, dass in die Cupholder nur die österreichischen Almdudler Flaschen passen würden. Für handelsübliche Coladosen oder Limodosen seien die einfach zu klein. Ja, mei. Aber auch mit Almdudler betankt steuerte der Hobbypilot den 300 GD behände durch die heimischen Wälder und nahm ihn das eine oder andere Mal auch mit auf die Jagt. Denn für solche Offroad Einsätze wurde er gebaut. „Man spürt, dass hier erfahrene Nutzfahrzeug-Ingenieure am Werk waren“ sagte er 1982 dem Springer Verlag.

Pack ma‘s

Jetzt in diesem grünen, belederten Unikum zu sitzen ist so wie in Helmut Schmidts Aschenbecher zu aschen. Genau hier! saß der polterige Politiker. Nun bin ich nicht sonderlich politisch, das lassen wir hier mal raus, aber die Historie trieft dennoch aus dem restaurierten Fahrzeug. Ob Strauß posthum weiß, dass auch Putin so eine G-Klasse besitzt? Oha. Mitten in Stuggi holen wir uns noch ein Eis, lästern über die ewigen Umweltzonen und die schier unmögliche Parkplatzsituation und schrabbeln dann den kernigen Fünfzylinder raus in die Weinberge. Erst im höheren Drehzahlbereich fällt das Auto mit allen seinen Insassen in ein Turboloch, das größer als der Chiemsee ist! Ein kleines, graues Dieselwölkchen hinten raus – und der 300 GD krempeln stoisch den sandigen Asphalt unter den vier Rädern auf. Das ist G wie Gelände. Alles andere sind nur Freizeit-SUV.
Die Sitze sind bequem und halten im Gegensatz zu den originalen Stühlen tatsächlich die Insassen fest. Das alte Radio spielt zwar nur noch einen einzigen Oldiesender, dann fällt der Knopf ab, aber wer braucht schon Musik? Die Fenster sind runtergekurbelt, das noch frische Jahr zieht mit allen seinen Düften und Insekten durch das kletternde Auto und wir rollen zu einem Platz, an dem wir eigentlich gar nicht sein dürfen. Aber von hier hat man einen herrlich erhabenen Blick über die Stadt, das Werk in Untertürkheim und die Arena. Ach ja, die Arena. Das G-Modell hat schon diverse Promis jenseits der Politik begeistert: Schwarzenegger und Rene Zellweger hatten eins, Britney Spears und Diane Keaton… aber die alle haben den wohl eher nicht zum Jagen benutzt. Jedenfalls nicht zur Jagd auf Tiere…

Die Welt war eine andere, als dieses G-Modell gebaut und vom Ministerpräsidenten durch den Wald gescheucht wurde. Da ist man als Politiker noch privat zu Gorbatschow geflogen und hat über Grenzöffnungen verhandelt. Wenigstens dieses Auto kennt keine Grenzen. Jedenfalls keine erdgebundenen. Und alles andere ist robuste Volksmusik. Pfiad di nachad!

Technische Daten:

Mercedes-Benz 300 GD Turbodiesel

Baujahr: 1982
Motor:  5 Zylinder Reihe
Hubraum: 2.938 ccm (183 cui)
Leistung:  92 KW (125 PS) bei 4.350 1/min
Max. Drehmoment:  250 NM bei 2.400 1/min
Getriebe: Fünfgang Handschaltung
Antrieb: Allrad
Länge/Breite/Höhe: 4807/1828/1970mm
Leergewicht: 2200 kg
Höchstgeschwindigkeit: ca. 125 km/h

Danke an Mercedes-Benz Classic und #alltimestars

Text und Fotos: Jens Tanz

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