„Fragen Sie Frau 8“ – die Ratgeber-Kolumne in Träume Wagen: Alter Schwede

Probleme mit dem Wagen, der Frau oder dem Leben an sich? In dieser Rubrik gibt Wiebke Brauer viele Antworten, mögliche Lösungen – oder einfach ein kleines Stück Hoffnung.

Alter Schwede


Der Neuwagen an sich sollte zuverlässig fahren. Man beachte den Konjunktiv.

Niedlich sah sie ja aus. Eine leuchtend gelbe Schildkröte. Im Display. Ein Blick ins Handbuch verriet, dass das Schildkröten-Symbol anzeigt, dass die Leistung des Fahrzeugs reduziert ist. Wir reden hier übrigens über 400 PS. Vermutlich ist die Minderung dadurch bedingt, dass dem Schweden zu kalt war. Was die Batterie nicht so mochte und sich spontan entleerte. Er sprang auch nur noch ungern an, überlegte es sich aber anders, wenn man das Auto verließ, sich drei Meter entfernte und wieder einstieg. Und nein, es liegt nicht an der Marke: Sein Neuwagen-Vorgänger aus Ingolstadt verbrauchte mehr Wischwasser als Benzin, was dazu führte, dass ich nachts von der eisblauen „Wischwasser nachfüllen!“-Warnanzeige träumte. Dazu öffnete er gerne ein bis zwei Fenster und das Schiebedach, wenn man ihm den Rücken zukehrte. Was in einer regnerischen Stadt wie Hamburg ungünstig ist. Darum lag auch immer ein Handtuch in dem Auto, das man sich unter den Hintern legte, wenn der Sitz mal wieder quatschnass war. Insgesamt kann man sagen, dass es sich um ein sehr feuchtes Auto handelte.

Was ich in den letzten Jahren gelernt habe: Ein Neuwagen ist auch irgendwie ein Oldtimer. Wobei die Eigenheiten meiner alten Karren es auch durchaus in sich hatten: Mein Taunus katapultierte beizeiten einen Scheibenwischer in den Himmel, manchmal rutschte das Fensterglas in die Türverkleidung. Setzte man den Blinker links, ging das Fernlicht an. Die blassrote Nadel der Tankanzeige stand zuverlässig auf „Vermutlich leer“. Bei der Ente fiel regelmäßig die Kugel auf dem Schalthebel ab. Etwas seltener die Benzinleitung. Als ich einen Polo Fox fuhr, ging dessen Motor grundsätzlich aus, wenn ich von der Autobahn abfuhr. Der 123er fraß Musikkassetten und erbrach sie wieder. Beim SL wiederum starten nicht immer alle Pötte.

Wenn ich recht überlege, ist das seine einzige Macke. Er ist das zuverlässigste Auto, das ich je fuhr. Er verbraucht deutlich weniger als neue Schweden und Ingolstädter und ist erheblich billiger im monatlichen Unterhalt. Und wie jeden Winter verzehre ich mich nach ihm. Gestern besuchte ich ihn in der Garage und strich unter der Plane mit der Hand über seine geschwungene Motorhaube. Ich fragte ihn, was 400 PS minus Schildkröte ergibt. Ich bekam keine Antwort.

Morgen wird der Schwede übrigens abgeschleppt. 

Text und Fotos: Wiebke Brauer

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