Lady sings the blues

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Aber nicht so sehr mit dem Baujahr. Die Lady war inzwischen auf zwei Kuren – 1979 war offenbar kein gutes Jahr im britischen Handwerk. Die Zweitürer wurden damals mit extrem viel Handarbeit zusammengeschraubt – oder auch aus fünf Meter Entfernung grob zusammen geworfen. Spaltmaße wie bei Mercedes bleiben ewiger Wunschtraum, eine funktionierende Elektrik zu erwarten war einfach naiv, dauerhaft lackiertes Holz ist in England grundsätzlich unbekannt, dicht schließende Verdecke zu verlangen ist schlicht frech. Logisch angeordnete Bedien-elemente am Armaturenbrett oder Verstellwege der Sitze für Menschen über 1,65 Meter werden total überbewertet.  Immerhin war ein Rolls Cabrio damals in etwa so teuer wie ein nettes Haus. Hätte ich das Ding neu gekauft, wäre ich vermutlich noch im Showroom geplatzt.
Wenn die wunderschöne Form und das phantastische Fahrgefühl eines Rolls auch aus dieser Epoche nicht wären, dürfte man so ein Auto wirklich nicht kaufen – ich bin sonst eher auf der Schiene Mercedes unterwegs. Dort sind die Autos bis 1971 ja ebenfalls optisch sehr gefällig, aber auch danach noch, im sonst so finsteren Mittelalter des Autobaus 1972 bis vielleicht 1985. Hier gibt es keine bösen Überraschungen hinter Verschalungen, Verkleidungen, also hinter allen Kulissen. Nicht so bei dem Brocken aus dem Königreich: Ein Albtraum. Falls mich meine Sammelleidenschaft jemals die Rücklackierung der Corniche finanzieren lässt, muss ich beim Zerlegen des Wagens die Augen geschlossen halten.
So bleibt mir nur, unsere hübsche Corniche bei gutem Wetter durch Hamburg zu bugsieren, möglichst normal mit dieser Ikone umzugehen (hat sich prima bewährt beim Transport von Langholz aus dem Baumarkt, auch wenn die Leute komisch gucken…) und zu hoffen, dass meine liebe Frau nicht ganz die Geduld verliert.
Und die Tochter Jule auch nicht. Die wartet immer noch auf ihren Hund…

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Text: Niels Baumann
Fotos: Andreas Aepler